Jamies Leben

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"Also... Du bist also kreativ und technisch begabt, richtig?", fragte ich
"Ja, aber weniger sozial", lachte sie
"Ach Quatsch... John ist da eindeutig schlimmer... Oh sorry... Nicht dass ich deinen Schwarm beleidige!", sagte ich und sie boxte mir in die Schulter.
"Pf...Nur weil du es dir nicht eingestehst...!", sagte ich
Sie lachte und holte den Schlüssel aus ihrer Tasche um aufzuschließen, schließlich standen wir schon vor ihrer Tür.
"Bist du das Schatz?", rief jemand aus der Küche
"Ja Mom... Ich habe jemanden mitgebracht!", sagte sie
Schritte nährten sich und als ich meine Schuhe hingestellt hatte und aufsah, sah ich in das Gesicht einer relativ jungen Mutter.
Sie hatte dieselben dunklen Augen wie ihre Tochter, aber ihre Haare waren eher dunkelblond, als Jamies Haare rotbraun.
"Ah... Du musst Jake sein!", sagte sie und reichte mir ihre Hand
"Ich bin Annie... Freut mich dich kennenzulernen. Jamie hat schon viel von dir erzählt!", sagte sie
"Freut mich auch sehr.", sagte ich und lächelte zurück.
Jamies Mutter war beinahe kleiner als Jamie selbst und selbst die war schon einen halben Kopf kleiner als ich, wenn nicht mehr, aber was erwartet man auch, wenn man 1,75 cm ist...
Und selbst das ist noch nicht groß für einen Jungen in meinem Alter!
"Ich habe einen Auflauf gebacken, ich hoffe du bestehst nicht zu sehr auf dein tägliches Fleisch, ich dachte nur, dass ich mal wieder für Jamie und Robin vegetarisch koche!", sagte sie
"Nein, das ist kein Problem... Danke!", sagte ich
Ich hatte gar nicht gewusst, dass Jamie Vegetarierin war.
"Ich muss oben noch was an meinem PC arbeiten, aber ihr wollt sicher eh alleine sein, also lasst euch nicht stören! Robin müsste so in einer Stunde kommen!", sagte sie und ging dann mit einem letzten Lächeln die Treppe hoch.
"Sie ist wirklich nett! Und sie kann anscheinend gut kochen! Es riecht echt sehr lecker!", sagte ich zu Jamie. Sie lächelte
"Ja... Meine Mom ist die Beste!", sagte sie
Wir gingen in die Küche, wo Jamie zwei Teller und Besteck aus dem Schrank holte und dann den Ofen öffnete, um den Auflauf herauszunehmen.
"Wie alt ist sie denn eigentlich. Sie sieht sehr jung aus!, sagte ich
"Sie ist letztens im Juli 33 Jahre alt geworden!", sagte Jamie
"Also war sie erst 16 Jahre, als sie mit dir schwanger war?", fragte ich erstaunt
"Genau! Du Mathegenie!", meinte sie spaßig.
"Es war nicht gerade einfach für sie. Sie hatte sich mit 15 Jahren in meinen Vater verliebt. In James und sie haben sich sehr geliebt. Sie waren allerdings nicht sehr vorsichtig und haben es alles andere als ruhig angehen lassen und dabei kam dann die Schwangerschaft raus. Meine Mutter hat den mittlere Reife gemacht und mich dann zur Welt gebracht. Ihre Eltern waren zum Glück nicht religiös und es machte ihnen auch nichts aus, dass ich ein uneheliches Kind war, aber James hatte eigentlich besseres zu tun, als ein Auge auf mich zu haben. Erst ging er arbeiten bei irgendeinem Museum, aber dann wurde er gefeuert. Eines Tages wollte er zu einem Vorstellungsgespräch, aber er ist nie dort angekommen sondern schon an seinem Unfallsort gestorben...", sie machte eine kurze Pause.
"Meine Mutter war zuerst am Boden zerstört und wusste nicht, was sie tun sollte. Zwei Jahr lebte sie mit mir bei ihren Eltern und machte ihr Abitur in einer Abendschule, dann zog sie wegen Streitigkeiten hierher. Sie suchte sich einen Job und schickte mich tagsüber in die Kita, wo Robin damals arbeitete. Die Beiden haben zwei Jahr später geheiratet und wohnen seitdem Beide hier mit mir."
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und sah sie nur an.
"Lass uns essen. Ich hab Hunger!", sagte sie und trug die Teller nach drüben, die sie während ihrer Erzählung aufgefüllt hatte.
Der Auflauf schmeckte echt köstlich  und ich konnte kaum genug davon bekommen.
"Seit wann bist du eigentlich Vegetarierin?", fragte ich Jamie
"Puh... Ich glaube, seit etwa 5 Jahren!", sagte sie. Ich staunte.
"Was war der Auslöser?", fragte ich weiter. Ich wollte nicht, dass sie so nachdenklich und traurig schaute. Ich wollte sie glücklich sehen!
"Keine Ahnung. Vermutlich wurde mir nur einfach bewusst, dass das tote Tiere sind, die qualvoll getötet werden...", antwortete sie mir.
"Und findest du es schwer, oder gewöhnt man sich da schnell dran?", fragte ich weiter.
Sie wirkte so, als ob sie gerade sehr bedrückt war.
"Man gewöhnt sich eigentlich schnell daran, aber ich finde es auch nicht schlimm, wenn andere Menschen Fleisch essen..."
Die Tür vom Esszimmer ging auf und ein Mann trat herein.
"Hey, Daddy!", sagte Jamie und lächelte Robin zu.
Ich hätte nicht gedacht, dass sie ihn Daddy nannte...
"Hallo. Ich bin Robin!", sagte ihr Vater und reichte mir die Hand. Er hatte eine sehr leise Stimme. Ich konnte mir vorstellen, dass er eher der ruhigere Typ war. Genau wie Annie.
Jake!", sagte ich freundlich
"Jake!", sagte er und lächelte noch breiter
"Freut mich sehr, Jake!", sagte er
"Ganz meinerseits!", sagte ich
"Habt ihr mir etwas übrig gelassen?", fragte er
"Klar, Dad.", sagte Jamie
"Wir gehen aber jetzt hoch, Jake wollte unbedingt hören, wie ich Cello spiele..."
"Gute Enrscheidung Junge...
Ihre Musik ist wundervoll Junge! So etwas findest du in keinem Radio der Welt!", sagte Robin und verschwand in der Küche, um sich sein Essen zu holen.
"Gut. Dann lass uns hoch gehen!", sagte Jamie.
Ich zögerte kurz, aber sie nahm kurzerhand meinen Arm und zog mich mit sich nach oben.
Ihr Zimmer war nicht sonderlich groß, aber sie hatte es echt schön hergerichtet.
Die Wände waren in einem warmen dunklen Rot gestrichen und an einer der vier Wände hatte sie mit weißer Farbe und ihrer ordentlichen Schrift einen Spruch hingepinselt.

Die Musik drückt das aus, was man nicht sagen kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.

Ich lächelte. Schön!
Unter dem Spruch stand ihr Schreibtisch mit ihren Blöcken und ein paar Zeichnungen.
Ihre anderen Wände waren so gut wie leer.
An der einen war ein Fenster, mit Gardinen, die genauso rot waren wie auch die Wände und an der Wand direkt neben der Tür hingen zwei Bilder.
Ein Bild von ihrer Mutter, Robin und ihr und eines von einem jungen Mann auf dem Motorrad, vermutlich ihr Vater.
Ihre Möbel waren hauptsächlich aus hellem Holz, wie auch der Parkettboden, nur ihr Schreibtisch war aus Glas.
Sie hatte einige Kerzen auf ihrem Nachttisch und dem Schreibtisch stehen, vermutlich war sie einer dieser Menschen, die künstliches Licht nicht mochten...
Mir gefiel es. So sehr, dass ich einfach nur mit offenem Mund dastand und mich umsah.
Jamies Lachen holte mich aus meinen  Gedanken.

HerbstgefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt