Wundervolle Musik

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"Du siehst zu komisch aus.", sagte sie und lachte weiter.
"Haha... Sehr witzig!", sagte ich und lächelte.
"Voll schön!", sagte ich und machte eine allumschweifende Handbewegung.
"Joah. Ist gemütlich!", sagte sie und lächelte.
"Und wo ist dein Cello?", fragte ich und sah mich suchend um.
"Im anderen Zimmer. Mein Zimmer ist nicht gerade so riesig, als dass ich es hier lagern könnte. Außerdem würde es sich verstimmen, bei der hohen Temperatur."
"Und wo ist es?", fragte ich
"Folge mir!", sagte sie und lief voraus, ihr Zimmer raus und dann zur nächsten Tür auf dieser Etage.
"Voilà.", sagte sie und öffnete die Tür.
Es war wohl so etwas wie ein Musikzimmer, wie bei uns zu Hause auch, aber im Gegensatz zu ihrem Zimmer hatte es einen vollkommen anderen Stil.
Die Wände waren in einem hellen Lila gestrichen und der eine Schrank, der darin stand war weiß.
An dem Schrank hingen mehrere Fotos von Jamie mit ihrem Cello.
Vermutlich von Konzerten oder Auftritten.
Jamie ging zu dem Schrank.
Zwischen ihm und der Wand stand ihr Cello, verpackt in eine Stofftasche.
An der Wand standen ein paar Gitarren, vermutlich eine von Robin und eine von Jamie und außerdem ein Mikrofon und ein paar Boxen.
Jamie holte das Cello behutsam aus der Hülle, genau wie den Bogen und stellte die Hülle dann zurück.
"Gut. Dann können wir auch wieder zurück!", sagte sie lächelnd.
Ihr Cello war wunderschön. Ein dunkles Holz mit einem leicht rötlichem Stich und den geschwungenen Löchern.
In ihrem Zimmer setze sie sich auf den Schreibtischstuhl und stellte ihr Cello auf den Boden, nachdem sie den Stachel mit dem Gummiaufsatz eingestellt hatte.
"Gut. Was willst du hören? Etwas bestimmtes?", fragte sie
"Du hast doch gemeint, dir kam eine Idee einer Melodie...", sagte ich und setze mich auf ihr Bett.
"Ok, aber sie ist noch nicht gut ausgearbeitet, also alles andere als perfekt!"
Ich nickte. Jamie stimmte ihre Seiten kurz und fing dann an zu spielen.
Ihr Zimmer hatte eine unglaublich gute Akustik und die Melodie war wunderschön.
Ruhig und getragen, aber sehr gefühlvoll.
Ich musste dabei sofort an langsam fallende Schneeflocken denken und eine gewisse Traurigkeit, die unglaublich schön war.
Jamie hörte auf.
"Weiter bin ich noch nicht gekommen. Ich habe mir überlegt eine Wendung einzubauen. Irgendetwas dramatisches, bedrohliches..."
"Ich fand es wunder schön!", sagte ich
"Nun ja... Mal sehen, was daraus wird.", meinte sie bescheiden.
"Wie kann man nur so unglaublich viel Gefühl dahinein stecken?", fragte ich
"Naja... Also ich... Es kommt einfach wie von alleine. Es ist vermutlich, wie wenn du ein Bild malst. Du stellst es dir erst vor und dann arbeitest du dich von den Umrissen bis hin zu dem ganzen Bild.", erklärte sie mir
"Und wie setzt du das Bild so fabelhaft um. Man kann förmlich die Schneeflocken spüren, wenn man die Augen zumacht...", sagte ich begeistert
"Mann muss sich erst überlegen, welche Stimmung herrscht, dann muss man sich ein Gefühl dazudenken und dann einfach versuchen es herüberzubringen...", sie machte eine kurze Pause, bevor sie weiter sprach, als ob sie nach Worten suc5hen müsste.
"Man sagt ja, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und ich finde, Musik sagt mehr als tausend Bilder. Bei Bildern kannst du die Sachen sehen und versuchen das richtige Gefühl zu finden, aber bei der Musik wirst du von dem Gefühl durchdrungen, da hast du quasi keine andere Wahl..."
Ich lächelte...
"Du solltest diese Kühlschrank-Sprüche verkaufen... Ein Bild sagt mehr als tausend Worte und Musik sagt mehr als tausend Bilder..."
Sie lachte.
"Naja... Du weißt, was ich meine!", sagte sie und ich nickte.
"Ja. Ich verstehe trotzdem nicht, wie Musik so wundervoll sein kann...", meinte ich
"Das ist eine Frage der Übung... Ich mache das eben schon ziemlich lange..."
"Wie lange?", fragte ich
"Etwa 10 Jahre oder länger...", sagte sie
"Wow... Kannst du auch ein Bild und ein Gefühl spontan ausdrücken?", fragte ich.
"Ich kann es versuchen. An was hattest du gedacht?", fragte sie
"Ich dachte an eine wunderschöne sonnige Blumenwiese mit ganz viel Sehnsucht.", sagte ich
"Ich versuch mein bestes, aber erwarte nicht zu viel!", meinte sie.

Was aus ihrem Cello kam war wundervoll und wenn ich die Augen schloss, roch ich die Blumen und sah sie und fühlte die Sehnsucht in meinem Herzen. Wow...
"Du bist wundervoll... Ich würde auch gerne mit Musik sprechen können...", sagte ich
"Nun ja... Dafür kannst du unglaubliche Bilder malen, die so real sind, das man denkt, man könnte hindurchfassen...", meinte sie
"Nun gut. Dann hat wohl jeder sein eigenes Talent...", sagte ich
"Genau! Sei froh darüber!", meinte sie und lächelte.
"Ja. Das bin ich!", sagte ich
"Dein Bett ist übrigens SEHR bequem!", sagte ich und ließ mich nach hinten fallen.
"Hey. Das ist MEIN Bett!", sagte sie empört.
Ich hörte, wie sie ihr Cello hinlegte, dann lief sie zu ihrem Bett und stürzte sich auf mich.
"HEY... Das ist nicht fair. Du warst auch in meinem Bett. Was ist denn hier bitte mit Gerechtigkeit!", protestierte ich
Sie lachte mich nur aus und kitzelte mich, so wie ich es gestern bei ihr gemacht hatte.
"Das ist die Rache von gestern!", sagte sie und lachte gespielt böse.
Ich strampelte mit den Beinen und versuchte mich zu wehren, aber ich war genauso kitzelig wie sie.
"Du siehst aus wie ein besoffener Käfer, der auf dem Rücken liegt!", sagte sie und lachte laut auf mit ihrer kindlichen Lache
Sie hatte aufgehört mich zu kitzeln und hatte nun einen absoluten Lachflash, der echt ansteckend war
"Woher weißt du bitte, wie ein besoffener Käfer aussieht?", fragte ich
Sie bekam kein Wort mehr heraus vor lauter Lachen und lag schlussendlich dann erschöpft auf dem Bett.
"Oh man... Ich merke schon den Sixpack, den ich bekomme...", sagte ich und strich gespielt erstaunt über meinen Bauch
"Oh nein. Es ist ein Eightpack...", meinte ich.
Jamie grinste und pikste in meine Bauch.
"Ich spüre da nur Wackelpudding...", meinte sie und ich sah sie mit gespieltem Entsetzen an.
"Ich will aber kein Nachtisch sein!", sagte ich beleidigt
Sie streckte mir jedoch nur die Zunge heraus und grinste.

Es war echt lustig mit Jamie.
Wir hatten den gleichen dämlichen Humor und sie war mindestens genauso (positiv) gestört, wie Sebi auch.
Außerdem machte sie wundervolle Musik, war sehr gefühlvoll in ihrer Ausdrucksweise und hatte sehr interessante Gedanken.
Ich fühlte mich echt wohl bei ihr und leider verging die Zeit viel zu schnell...
"Nun ja. So ist das halt wenn man Spaß hat!", sagte sie und zuckte mit den Schultern
"Ja leider! Aber morgen sehen wir ja uns wieder in der Schule!", meinte ich
"Genau!", sagte sie auch und ging mit mir die Treppe nach unten.
"Tschüss, Robin, Ciao, Annie!", sagte ich zu ihren Eltern, als wir am Wohnzimmer vorbeigingen, wo die Beiden auf der Couch saßen und sich unterhielten.
"Tschüss, Jake. Hat mich gefreut!", sagte Robin
"Du bist jederzeit willkommen!", meinte Annie und winkte
"Danke. Das werde ich mir merken!", sagte ich und winkte zurück.

Jamie zog ebenfalls ihre Schuhe und Jacke an.
"Ich muss doch aufpassen, dass dich niemand von der Straße klaut!", meinte sie
"Na dann...", gab ich lachend zurück und öffnete die Tür.

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