Bewegungslos stehe ich vor der Tür der Sporthalle. Die Angst sitzt mir noch tief in den Knochen und sorgt für ein leichtes Beben meiner Unterlippe. Nur mit Müh' und Not habe ich es geschafft mich in den Duschen aufzustellen und mir die nassen Kleider von meinem Körper zu ziehen. Zu meinem Bedauern habe ich nur noch eine kurze Sporthose dabei gehabt und ein - das Glück hat mich nicht ganz verlassen - schwarzes T-Shirt. Die Überwindung meine Hand gegen die Hallentür klopfen zu lassen, habe ich in den letzten fünf Minuten noch nicht aufbauen können. Sein Gesicht erneut gegenüber von meinem...
Ich wäre schon längst umgedreht und einfach gegangen, wenn ich dann nicht noch mehr Angst vor Redfire haben würde. Er erwartet mich, hat er gesagt. Ich muss in den Unterricht. Wer sagt mir, dass es andernfalls nicht noch einmal passiert und dann ohne Schulgong? Abends vielleicht oder in der Mittagspause. Ein eisiger Schauer überläuft mich. Die Tür wird vor mir schwungvoll geöffnet und nur aus reinem Reflex kann ich noch schnell genug nach hinten ausweichen. Matte, grün-graue Augen erblicken mich und Brians Augenbrauen wandern fragend nach oben. Vorsichtig streckt er eine Hand nach meiner Wange aus um vermutlich die einzelne Träne aufzusammeln, doch ich zucke zurück. Sein fragender Blick wandelt sich in einen besorgten und er versucht erneut seine Hand an meine Wange zu legen, doch ich husche einfach nur schnell an ihm vorbei in die Halle und höre nur noch wage sein leises Flüstern. "Lou?"
"Ach Marple, erweisen Sie uns auch einmal die Ehre meinem Unterricht beizuwohnen?" Diese Stimme. Dieses Gesicht. Diese schmutzigen Hände. Alles an diesem Lehrer stößt mich ab und lässt mich nach Atem ringen. Schnell nicke ich und versuche mich einfach in den Aufbau der Geräte mit einzugliedern, doch unser grandioser Lehrer macht mir einen Strich durch die Rechnung. "Lou, was ist deine Entschuldigung für diese Unfreundlichkeit?" Sein Grinsen ist fordernd und wie es nicht anders sein soll, bleiben viele meiner Klassenkameraden stehen und beginnen zu tuscheln. "Wollte bestimmt Sport schwänzen, die Kuh!" "Walrosse stehen eben nicht so auf Sport." Ich versuche alles auszublenden und mir eine passende, auf keinen Fall provozierende Antwort zu finden. Wäre ich mutig, würde ich ein ganz souveränes "Das müssten Sie doch am besten wissen" über die Lippen bringen, doch ich bin nicht mutig. Ein einfaches, schüchternes Schulterzucken wird ihn wohl eher wütend machen, also nehme ich die einzige Notlüge, die mir auf die Schnelle einfällt. "Ich", stocke ich kurz, beende aber meinen Satz recht zügig: " war auf Toilette, entschuldigen Sie bitte." "Wenn sie mir jetzt weiß machen möchte, dass sie ihre Tage hat, lach ich mich schlapp", witzelt einer der Jungen, doch ich konzentriere mich nur auf unseren Sportlehrer. Dieser nickt knapp. Doch bevor ich erleichtert anfangen kann Bänke umzustellen, erhebt er noch einmal die Stimme. "Das sollten sie schon in der Pause erledigen, wozu haben sie denn eine? Lou, Sie werden nun zur Strafe, einen Dauerlauf für eine Note absolvieren und bauen später alleine ab. Nicht, dass das noch einmal vorkommt und wenn doch, werden sie wohl oder übel nach der Schule zum Nachsitzen antanzen müssen." Sein schmutziges Grinsen ist unmissverständlich und bevor ich mir erlaube weinend den Raum vor Angst zu verlassen, beginne ich damit mich warm zu laufen, während die anderen fertig aufbauen und sich nur locker in der Mitte der Halle warm machen. Die intensiven Blicke von vor allem Brian entgehen mir nicht und lassen mich immer weiter laufen. Die beide anderen Jungen haben ihm bestimmt von gestern erzählt. Auch Liams, Leanders und Colleens Blicke gehen nicht unbemerkt an mir vorbei.
Mit dem Gong endet auch gerade mein Lauf. Die Hände auf die Knie gestemmt gehe ich in die sogenannte Torwartstellung und hoffe darauf endlich noch einmal einen tiefen Atemzug nehmen zu können, um meinen Kreislauf zu stabilisieren. Eine recht große Hand legt ich auf meinen Rücken und Brian sucht meinen Blick. Ich verkrampfe leicht und weiche einen Schritt aus, so das kein Körperkontakt mehr herrscht. "Kleine, was ist nur los mit dir, hm?" Seine raue Stimme treibt mir Tränen in die Augen. Ich darf es keinem erzählen. Mir wird keiner glauben. Kraftlos schlucke ich die Tränen herunter und versuche ihm kalt in die Augen zu schauen. "Mir würde sowieso keiner glauben2, murmele ich leise und verschwinde schnell zu den Geräten um mit meiner Bestrafung weiter zu machen, bevor ich später alleine mit Redfire in der Halle stehe. Colleen kommt auf mich zu und öffnet den Mund, doch ich unterbreche sie direkt. "Nein, ich möchte nicht mit dir reden und nein, auch mit keinem von den anderen. Lass mich einfach in Ruhe hier abbauen." So kalt habe ich mich erst selten ausgedrückt. Mir tut es fast schon leid, dass ich ihr vor den Kopf stoße, aber ich habe keinen Nerv mir jetzt direkt über alles im Klaren zu sein. Ich bin doch auch nur ein Mensch. Sie nickt nieder geschlagen und dreht sich von mir weg um zurück zu Casper zu gehen, der sie in den Arm nimmt und sich weiterhin mit Leander und Liam unterhält. Auch die anderen Jungen stehen dabei und verlassen auf Kommando von Mr. Redfire den Raum. Alle außer Brian. Ich höre ihn aufgebracht mit dem Sportlehrer diskutieren, kann jedoch kein Wort verstehen, da sie sich in der hinteren Ecke des Geräteraums befinden. Das Einzige, was ich kurz darauf mitbekomme, ist wie der Lehrer den Raum verlässt, sein Blick als wolle er morden, und Brian beginnt mir bei dem weiteren Abbau zu helfen. Das Alles geschieht ohne ein Wort. Mit einem scheuen "Danke" flüchte ich aus der Halle, greife in den Duschen nur schnell nach meinen Sachen und renne dann auch schon die Gänge zu meinem Zimmer in Sportklamotten entlang.
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***PAUSIERT***Das unverwechselbare Leben der Lou Marple
Teen FictionLou Marple ist ein normales 16-jähriges Mädchen, in wessen Leben unvorhersehbare Dinge geschehen. Nicht das es schon genug wäre, dass ihr Vater auf unerklärliche Weise stirbt. Nein, nachdem sie auch noch Morddrohungen bekommt, scheint das Chaos in...