Kapitel 30 ~ Be a part in

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Als ich den Jungstrakt betrete beschleicht mich ein seltsam beklemmendes Gefühl. Was, wenn meine Idee vielleicht doch etwas zu überstürzt war und ich doch lieber die Strapazen in meinem Zimmer aushalten sollte, anstatt mich in ein fremdes Bett zu legen und dort die Nacht mit einem fast fremden Jungen im Nebenbett zu verbringen.

Wusste ich es doch. Du traust dich nicht. Darf ich dich bitte, bitte Angsthäschen taufen, Angsthäschen?

Nein! Kommt nicht in Frage. Diese Demütigung brauche ich nun wirklich nicht von meiner inneren Stimme. Außerdem traue ich mich...

...zumindest hoffe ich das. Ansonsten werde ich wohl heute meine erste Nacht ganz wach bleiben und  morgen komplett gerädert in die Schule gehen. Keine allzu angenehme Vorstellung.

Kein Lichtspalt ist zu sehen als ich leise meine Hand hebe und an der  Zimmertür klopfe.

Nichts. Rein gar nichts.

Kein Grummeln,  weil ich ihn wecke. Kein Schmerzenslaut, weil er aus dem Bett gefallen ist. Kein ruhiges Schnarchen, weil er einfach darüber hinweghören und weiterschlafen kann.

Ich klopfe ein zweites Mal. Dieses Mal etwas energischer. Meine Ungeduld weitet sich mit jeder Sekunde aus. Wieso macht er mir nicht auf?

Er schläft wie ein Murmeltier?

Unwahrscheinlich. Mein Klopfen hätte ihn wecken müssen.

Er ist wach und ignoriert dich stur?

Woher sollte er wissen, daß ich es bin? Außerdem ist es stockdunkel in diesem Zimmer. Wenn er mich provozieren wollen würdehätte er das Licht angeschaltet.

Ja...klingt logisch. Und was hältst du von  der Idee, dass er-

Laut hallende Schritte erfüllen den gesamten Korridor und nirgendwo eine Versteckmöglichkeit. Das Glück scheint wie immer nicht bei mir zu sein.

Auf leisen Sohlen - ich habe mir dazu die Schuhe von den Füßen gestreift und sie in dem Türrahmen versteckt - schleiche ich schnell in die entgegengesetzte Richtung. Vielleicht schaffe ich es ja doch noch schnell genug hinter die nächste Ecke...

Plötzlich verstummen die Schritte und die Stimme von Frau Johnson klingt in meinen Ohren. "Was machst du denn noch hier?"
Zwar weiß ich, dass ich mich umdrehen und mich stellen sollte, doch meine Feigheit gewinnt die Überhand.

Unerwartet höre ich eine zweite tiefere Stimme ganz aus meiner Nähe. Wie kommt die denn da hin? Gerade eben war der Flur doch noch menschenseelenleer. Oder?

Beide Stimmen verstummen und die Schritte einer Frau mit viel Selbstbewusstsein lassen den Weg in die entgegengesetzte Richtung erahnen. Frau Johnson verschwindet. Ohne mich überhaupt wahrzunehmen.

"Gern geschehen!"

Ein Schreck durchfährt mich und ich fasse mir mit einer Hand auf meine Brust. Muss er mich so erschrecken?

°○•♥•○°

Liams Sicht

Schon als ich heute morgen durch meinen entnervenden Wecker wach werde, spüre ich schon dieses seltsam beklemmende Gefühl. Irgendwas ist komisch.

Noch verrückter wird es allerdings als Leander und ich den Speisesaal betreten. Im Augenwinkel nehme ich Lou an einem einzelnen Tisch in der hinteren Ecke des Raumes wahr. Unauffällig versucht sie mich und Leo, wie ich Leander schon seit Kindertagen nenne, zu beobachten. Wie bemerkt; ohne großen Erfolg, aber das muss sie ja nicht wissen.

An unserem Stammtisch relativ mittig des Raumes angekommen, lasse ich mich auf einen freien Stuhl fallen. Leo direkt im Anschluss auf den Nachbarstuhl. Sein Blick gleitet zurück zu Lou. Unvorbereitet trete ich ihm auf den Fuß. Sein Blick huscht irritiert zu mir. "Warum sitzt sie nicht bei uns?"

Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung!"
Leider.

"Nette Begrüßung. Euch auch einen guten Morgen", sagt Colleen übertrieben freundlich und wirft uns einen Killerblick zu. Oje, haben sich die beiden etwa gestritten?  "Danke", erwidere ich trocken. Taylor,  den ich erst jetzt bemerke, fängt an zu lachen. Ein leichtes Schmunzeln schleicht sich auf mein Gesicht. Und auch Leo und Colly werden von Taylors Lachen angesteckt. Lou schiebe ich in den Hintergrund. Sie wird schon wissen, was sie tut.

Kurze Zeit später stößt ein verschlossener Brian zu uns und setzt sich fast geräuschlos auf meine andere Seite. Sein Blick ist starr nach vorne gerichtet. Seine Hände sind zu Fäusten geballt. Was ist denn mit ihm los? In letzter Zeit wirkt er oft gereizt. Das passt überhaupt nicht zu ihm. Ob es an unserem neuen Lehrer liegt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Schließlich ist er-

"Starr doch bitte jemand anderen an", unterbricht mich Brian und wirft mir einen entnervten Blick zu. "Oder mach es wenigstens unauffälliger."

Okay...Irgendwas liegt heute in der Luft. Erst Lou...kurze Zeit Colleen...und jetzt Brian.

"Was ist los", versucht Colly Brian sanft zum Reden zu bewegen. Unmerklich schüttelt Brian den Kopf. Frustriert atmet sie aus. "Dann eben nicht."
Schweigend, das Lachen ist uns vergangen, essen wir weiter bis wir alle von einem quietschenden Stuhl in die Realität geholt werden. Lou hat die Aufmerksamkeit des ganzen Raumes auf sich gezogen als sie den Saal fast rennend verlässt und die Tür hinter ihr sich nur langsam schließt. Geschockt schaue ich ihr nach. Die Tränen in ihren Augen machen mich stutzig. Kurz bevor die Tür schließt sehe ich noch wie Jacqueline den Raum hinterhältig grinsend verlässt. Arme Lou.

"Komm Liam, geh ihr nach", fordert mich Leo auf und stupst mich zum Unterstreichen seiner Aussage noch an. In seinen Augen steht Ehrlichkeit. "Vielleicht ist es langsam an der Zeit-" und schon wieder wird ein Satz unterbrochen. "Nein, ist es noch nicht", gedanklich an einem anderen Ort steht Brian entschlossen auf und geht zielstrebig Richtung Tür. "Wisst ihr, was er meint", meldet sich da Colly zu Wort. Synchron schütteln Leo, Tay und ich unsere Köpfe.

Brian war schon immer ein Rätsel in sich, aber eines, dass es sich zu lösen lohnt.

In diesem Punkt stimmen wir alle miteinander überein.

Obwohl ich Lou eigentlich nach wollte, bleibe ich jetzt doch sitzen. Das Gefühl vom Morgen verstärkt sich. Colleen schaut mich mit dem selben Blick an. Auch sie scheint es zu spüren. Ihr Gesichtsausdruck wechselt in entschlossen. Sie hat einen Plan. Einen Plan, der als Ziel den Hintergrund dieses Ganzen hat. Ohne Aufforderung hebe ich die Hand. "Ich bin dabei."

***PAUSIERT***Das unverwechselbare Leben der Lou MarpleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt