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Als ich aufwache ist neben mir das Bett leer. Mir ging es ein bisschen besser, doch das Fieber ist noch da.

Ich setze mich auf und muss mich erstmal orientieren.

Wo war ich?

Wie spät ist es?

Welchen Tag haben wir heute?

Heute war Mittwoch, meine Handyuhr zeigt, dass es 9 Uhr 36 ist und ich bin noch immer in Jace Zimmer.

Ein Zettel auf der anderen Hälfte des Bettes zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

'Bin auf der Arbeit. Elodie wahrscheinlich (und hoffentlich) im College.'

Das stand mit krakliger Schrift auf dem Blatt Papier.

Mein zweiter Tag auf dem College und schon bin ich krank!

Was für ein toller Start!
Nicht.

Erst werde ich abgezockt, mein Vertretungslehrer ist mein One Night Stand und jetzt bin ich auch noch krank. Toll.

Den Tränen nahe nehme ich mein Handy und meine übrige Kleidung die ich gestern an hatte in die Hand und verlasse die Wohnung um in meine hinüberzugehen.

Ich gehe in mein Zimmer und sehe die unaufgebauten Möbel, die weiße Farbe und die pinke Wand. Diese scheiß pinke Wand.

Mit einem Schluchzer lasse ich mich auf den Boden fallen und fange hemmungslos an zu heulen.
Ich vermisse meinen Papa.
Und ich vermisse Kati.

Ich sitze bestimmt eine halbe Stunde so, bis ich mich endlich beruhige.
Mit zitternden Fingern greife ich nach meinem Handy und gebe die Nummer ein.

Nach drei Piepen hebt er schließlich.

„Hallo?"

„Papi!", sage ich und muss einen erneuten Schluchzer unterdrücken.

„Fiona! Schatz, wie geht es dir?", fragt mein Vater von der anderen Leitung.
Wahrscheinlich störe ich gerade bei seiner Arbeit, doch das ist mir gerade ziemlich egal.

Wow, wenn ich krank bin bin ich echt egoistisch.

„Mir geht es richtig schlecht" kurz schildere ich ihm meine Situation und muss zwischendurch immer wieder Pausen machen, weil meine Übelkeit wieder zurückkehrt.

Da ich ihm das schon mit der abzocke Erzählt habe, lasse ich das aus und erzähle ihm nur wie sehr ich ihn vermisse.

„..ich vermisse dich und Kati wirklich sehr!", beende ich meine Leidenstour.

Kurz bleibt die Leitung still.

„So Fiona, jetzt holst du mal ganz tief Luft. Du liebst England. Hast du schon vergessen wie du mir eine Woche vor deiner Abfahrt alles vorgeschwärmt hast? Bei deinem Zimmer hast du doch - wie war gleich ihr Name? - ahja, Elodie, die dir sicher hilft die Möbel aufzubauen und die Wand anzumalen.
Es ist auch nicht schlimm, dass du krank bist, es ist besser wenn du dich ausruhst anstatt noch kranker zu werden wenn du jetzt in den Unterricht gehst"

„Danke Papa." sage ich nur und wische mir mit einem Lächeln die Tränen aus meinem Gesicht.

„Bitte Schatz. Und wegen der Abzocke, du hast dich darum gekümmert, oder?"

Ich bejahe und denke an den Abend an dem ich eine Anklage gegen diese Person erstellt habe.
Die Polizisten haben sich positiv gezeigt und sagten mir, dass sie diesen Mann schon seit geraumer Zeit suchen und ihm dicht auf den Fersen sind.

„Achja, ich habe noch eine Frage an dich." sagt Papa, „wie ist eigentlich dein Lehrer?"

Kurz halte ich die Luft an, meine Hände werden schwitzig.
„Ähm, ähh gut, er, also Mr. Hunter, ist nur der Vertretungslehrer, aber er ist nett, ja, nett" stottere ich.

-

Seitdem ich aufgelegt habe lag ich auf der Couch, trank ganz viel Tee und zog mir einen Film nach dem anderen rein. Irgendwann telefonierte ich mit Kati und jetzt erzählt mir Elodie von ihrem Tag.

Wir sitzen auf dem kleinen mini, mini Balkon. Elodie schaut mit ihrer zerrissenen Jeans und ihrem dunklen Pulli wieder super schön aus, während ich mit Jace Jogginghose und T-Shirt aussehe wie ein Nilpferd.

Ja, ich habe noch immer die Sachen von Jace an. Ich habe mir zwar die Unterwäsche gewechselt, andere Socken angezogen, doch diese Kleidung war zu kuschlig und zu weich.

„Auf jeden Fall hat sich Brain sich verabschiedet und ist gefahren." sagt Elodie und grinst verliebt über beide Ohren.

„Sag mal, haben seine Eltern ihn absichtlich Brain genannt, also so wie das Gehirn?", frage ich.
Kurz schaut mich Elodie nachdenklich an bevor sie in einen Lachanfall bekommt und ich mich ihr anschließe.

Lachend halten wir unsere Bäuche und kriegen uns erst nach ein paar Minuten wieder ein.
Nach Luft schnappend setze ich mich wieder gerade auf.

„Ich habe eine Frage." sagt Elodie und fuhr sich mit ihren Fingern durch die rote Haarpracht. „Wieso hast du sofort eingewilligt, als ich dich gefragt habe ob du hier einziehen willst? Ich meine ich könnte ein Serienkiller sein, oder so."

Ich grinse sie an und nahm einen Schluck von meinem Tee, der bereits kalt ist.

„Kein Ahnung, ich denke das war pure Verzweiflung." meine ich und füge dann noch hinzu: „Aber ich bereue es eh schon"

Elodie's Gesichtszüge verrutschten und sie schaut mich erschrocken an. Bis sie sieht, dass ich einen zweiten Lachflash bekommen habe.
Beleidigt verschränkt sie ihre Arme und murmelt ein „Du bist so blöd."

After Midnight #wattys2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt