Kapitel 20

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Ich wollte Andrej etwas zum Abschied schenken und nachdem ich lange überlegt habe, was ich ihm für ein Geschenk geben könnte, fielen mir die Geschenke ein, die ich zu meinem Abschied bekam: Einen russisch-englisch Duden – den Andrej eher weniger brauchen würde -, einpaar russische Spezialitäten, Fotos als Erinnerungen und einige Dinge die mich an meinen Geburtsort erinnern sollten. Ich beschloss, dass ich letzteres so umändern würde, dass es zu Andrej passt und ihn an Montana erinnern soll. Ich wusste nur nicht genau was das sein sollte.

Ich überlegte worüber Andrej sich freuen würde und mir fiel auf, dass ich kaum etwas über ihn wusste.

Mir fiel nur ein, dass ich ihm etwas schenken könnte, dass etwas mit dem Wächterdasein zu tun hat, aber ich wusste nicht was genau das sein könnte. Das war’s, mehr wusste ich nicht über ihn, außer, dass er ein so guter Wächter werden will, wie es Dima war.

Dann fiel mir meine Schuluniform ein. In Russland hatten wir solche nicht aber, will ich ihm nicht meine ganze Uniform schenken konnte, wollte ich einfach nur die Stickerei, an der man erkannte, auf welches Element man sich spezialisiert hatte, ausschneiden – ich müsste dann nach einer neuen fragen – und sie ihm als Brosche schenken und weil das ein bisschen wenig war legte ich noch ein paar Rubel – die russische Währung -, die ich noch bei mir hatte dazu. Weil ich noch etwas Zeit hatte, überlegte ich mir, was ich zu ihm sagen könnte aber außer: >>Viel Spaß zu Hause.<<, und >>Komm bald wieder her!<< wusste ich nicht was ich noch sagen könnte.

Andrej und Sascha waren schon da, als ich ankam.

>>Da bist du ja. Ich hatte schon angst, du würdest nicht kommen!<< Andrej umarmte mich, als ich in Reichweite kam und ich erwiderte die Umarmung.

>>Ich bin doch noch zwei Minuten früher da, als du gesagt hast. Wieso dachtest du ich würde nicht kommen?<<

>>Paranoia.<< sagte Sascha, bevor Andrej auch nur den Mund aufmachen konnte. Ich warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, aber er grinste mich lediglich an. Andrej beschwerte sich lauthals bei seinem Bruder, aber der ignorierte ihn bloß. Nachdem Andrej sich schließlich völlig über seinen Bruder ausgelassen hat, wandte er sich wieder mir zu. >>Das ist gar nicht wahr, hör nicht auf ihn! Ich bin einfach total froh, dass du hier bist.<< Er grinste breit.

Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, hörte ich auch schon schnelle, näherkommende Schritte und schaute in die Richtung, aus der sie kamen. Ich guckte in die Richtung, aus der ich die Schritte hörte. Eine Frau mittleren Alters kam uns näher und ich wusste sofort, dass es Saschas und Andrejs Mutter war.

Sie hatte genau die gleiche Haarfarbe und ihr Teint war auch der gleiche. Sie hatte eine sehr gute Figur, war schlank und ziemlich groß. Außerdem hatte sie an den richtigen Stellen die passenden Kurven. Ihre Augen waren wachsam, als wäre sie ein Wächter im Dienst und durchbohrten mich förmlich.

Den Jungs entging es genauso wenig wie mir, dass ihre Mutter mich mit ihren Blicken löcherte und so ergriff Andrej das Wort: >>Mom, das ist Irina, sie geht hier auch auf die Schule und wir haben uns in der Woche angefreundet, in der ich hier war.<< Er wechselte die Sprache, genau wie ich es tut, wenn ich mit jemanden aus einer Familie sprach.

>>Angefreundet? Sie ist einer der Gründe, warum ihr kein normales Leben führen könnt! Der Grund, warum ihr Kampftechniken lernen müsst, nur damit ihr an ihrer Stelle sterbt. Aber das ist ihr ja ganz bestimmt vollkommen egal, nicht wahr?<< Sie betrachtete mich argwöhnisch und wurde mit jedem Satz wütender. Ich zuckte zusammen, als sie meinte, es würde mir egal sein, wenn die beiden an meiner Stelle sterben würden. Allein die Vorstellung irgendjemand müsste meinetwegen sterben, aber dass es mir nichts aus machen würde war schon eine sehr harte und vororteilige Vermutung – die ganz und gar nicht zutraf.

Ich war von ihren Worten so getroffen und geschockt, dass dieses mal Sascha für mich eintreten musste. >>So ist sie nicht.<< beharrte er. >>Sie würde niemals ihr Leben vor das Leben eines anderen stellen!<< Eigentlich habe ich ihm das nie gesagt, also konnte er das logischerweise ja auch nicht wissen, aber er sagte das so einfach und ohne darüber nachzudenken, dass ich der Meinung war, dass er es wirklich von irgendwoher wusste. Oder er ging einfach davon aus, ich hätte einen so guten Charakter. Das brachte mich mit weit aufgerissenen und Mund und Augen darüber zu staunen, was er von mir dachte.

Als ich merkte, wie mich die drei Dhampire anguckten und darauf warteten, dass ich endlich etwas sagte. Ich schämte mich deswegen irgendwie und wurde rot im Gesicht, nicht sehr stark, aber die drei bemerkten es trotzdem. Deswegen inspizierte ich den Boden unter meinen Füßen, als ich bestätigte was Sascha gesagt hat.

Ich musste sehr erbärmlich, mickrig und ängstlich gewirkt haben, aber das wollte ich auf keinen Fall!

Die Frau traute mir immer noch nicht über den Weg, versuchte aber ihre Zweifel zu verbergen, das tat sie aber nur ihren Söhnen zu liebe – das wusste ich einfach.

Da ich nicht wusste, was ich machen soll, blieb ich einfach, auf den Boden starrend, stehen.

Endlich lösten Sascha und Andrej die Spannung auf und führten mich und ihre Mutter in ihr Zimmer, wobei ich ja eigentlich schon keine Hilfe mehr brauchte, um ihr Zimmer zu finden.

>>Hast du deine Sachen schon gepackt?<< fragte Mrs Petrow – Saschas und Andrejs Nachname – ihren jüngsten Sohn mit so großer Liebe in der Stimme, die sie mir auch in einem anderen Leben nicht zugestehen würde.

>>Ja, aber ich will noch nicht gehen. Bitte Mommy, können wir nicht noch ein paar Tage hier bleiben? Ich bin mir sicher, wir finden für dich auch noch irgendwo Platz zum schlafen.<< Andrej schaute sie aus großen Hundeaugen an. Ich hätte zu ihm so niemals nein sagen können, seine Mutter allerdings schon. >>Wir müssen heute los, um halb sieben am Flughafen sein, damit wir den gebuchten Flug rechtzeitig erreichen und umbuchen würde mehr kosten. Du weist selber, dass wir uns das nicht leisten können.<< Mrs Petrow schaute ihn mitfühlend an.

>>Lass das.<< beschwerte sich Andrej.

>>Was denn?<<

>>Hör auf mich mitleidig anzugucken, du weist, dass ich das nicht mag. Also hör auf damit.<< Ich dachte daran, dass es mir genauso wenig gefällt, wenn mich jemand mitleidig anguckt wie Andrej. Deshalb musste ich grinsen – keine so gute Idee. Mrs Petrow sah mein Grinsen und starrte mich unverwandt und sehr wütend an.

>>Findest du das witzig? Ist es für dich lustig, dass mein Sohn nicht auf mich hört?<< Meine Wangen liefen rot an, ich schämte mich für mein Grinsen.

>>Natürlich nicht, ich habe nur gelächelt, weil ich es auch nicht mag, wenn man mit mir mitleid hat, das ist alles.<<

>>Das hoffe ich für dich.<< Sie starrte mich immer noch an, aber die Wut lies langsam nach.

>>Mom, lass das.<< Sascha sah sie fast schon flehend an. Sie hörte nicht auf ihn und kam langsam und bedrohlich auf mich zu. Ich rührte mich kein Bisschen, auch als sie nur noch wenige Zentimeter vor mir stehen blieb, machte ich keine Anstalten auch nur mit der Wimper zu zucken.

Sie konnte über mich denken was sie will, es seiden, sie denkt, ich wäre ängstlich. Das war immer das wichtigste für mich, wenn die andern dachten ich wäre ängstlich, hätte ich sie am liebsten geschlagen, wenn sie dachte, ich wäre eine billige Zicke, tja dann konnten sie ein blaues Wunder erleben. Und so war es auch in diesem Moment.

Deswegen schämte ich mich auch für mein vorheriges Verhalten. Ich wirkte wohl sehr verängstigt und hatte nichts getan, was sie davon abgehalten haben könnte zu denken ich wäre ein feiges kleines Mädchen, das sie alles von anderen gefallen läst.

 

Um meine Reaktion von vorhin wieder gut zu machen sagte ich also folgendes: >>Wenn Sie ein Problem mit mir haben, warum sagen Sie es nicht einfach und ich gehe. Dann ist das Problem doch gelöst. Sie müssen sich nicht mit mir abgeben und können mit ihren Söhnen reden, ohne dass ich dazwischenfunke.<< Ich starrte sie aus leicht zusammengekniffenen Augen an und wartete auf ein Gegenargument.

Vampire Academy (wenn ich dabei wäre)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt