Kapitel 30

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Gestern Abend verlief sehr schwierig für mich. Die ganze Zeit versuchte mein Lächeln zu behalten, damit Eric nichts bemerkt, doch nachdem wir uns ins Bett gelegt haben und er eingeschlafen ist, bin ich ins Bad gelaufen und musste mich übergeben. Danach saß ich vielleicht noch Stunden auf dem Boden und habe mir die Seele aus dem Leib geheult. Die ganze Zeit dachte ich darüber nach wann und wie ich es Eric beibringen soll, dass er Vater wird. Und nicht nur, wie ich es ihm beibringen soll, sondern auch meinen anderen Freunden, wenn Jai es ihnen nicht schon selber erzählt hat und meiner Mutter. Doch ich glaube, dass sie die Letzte sein wird, die davon erfährt. Zum Glück ist Eric von meinem Geheule nicht aufgewacht, denn dann hätte ich wirklich alles erklären müssen und dazu bin ich, wie schon erwähnt, einfach noch nicht bereit. Natürlich werde ich es ihm in ein paar Tagen sagen, denn irgendwann wird er sich ja fragen, warum ich immer und immer fetter werde.

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, hab ich mir noch meine Zähne geputzt und mich dann wieder hoch zu Eric gelegt, der glücklicherweise, wie ein Baby schlief. Doch ich konnte nicht so gut schlafen. Immer wieder bin ich aufgewacht, weil ich von Jai geträumt hatte, wie er Max alles erzählt. Das ging alle zwei Stunden so. Irgendwann gegen halb acht, hatte ich es satt und bin wieder aufgestanden. Jetzt sitze ich schon seit einer halben Stunde mit einem Tee in der Hand und in einer Flauschdecke eingewickelt auf Erics Couch,welche direkt vor einem Panoramafenster steht und beobachte alles von oben. Es ist zwar schon hell draußen, doch die Wolken schimmern immer noch in einem Rose. Die Straßen sind noch leer, ab und zu sieht man ein paar Menschen aus dem Ken Gebäude rauslaufen und auch der Zug zischt manchmal unten vorbei. Ich frage mich öfters, wie das Leben hier wohl vor 200 Jahren war. Wie es war, als der Chicago River noch lebendig war und die Menschen auf den Jahrmarkt gingen. Bestimmt sah die Stadt Nachts wunderschön aus, wie ein Meer aus Lichtern. Und dann werde ich zurück in die Realität gezogen und sehe, dass die Stadt total zertrümmert ist und trotzdem ist sie irgendwie faszinierend. Doch die Faszination wird immer geschwächt durch die aufkommenden Ereignisse. Das Leben hier soll in Frieden stattfinden, doch wenn ich darüber nachdenke, dass das System behauptet eine Fraktion sei wichtiger als eine andere. Das nenn ich erfolgreich geschaffener Frieden. Und ich dachte, dass die Menschheit nicht mehr so sein will, wie damals.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ich zwei Hände an meiner Schulter spüre. Ich drehe meinen Kopf nach hinten und sehe einen verpennten Eric, der mich müde anlächelt. ,, Guten Morgen.", brummt er und drückt mir einen Kuss auf die Wange. ,, Guten Morgen.", erwidere ich, mit einem Lächeln. Ich schlage die Decke zur Seite und stehe etwas wackelig auf. ,, Wie lange sitzt du hier schon?" ,, Fast ne Stunde, ich konnte nicht mehr schlafen und wollte dich nicht wecken, nur um mich zu bespaßen.", schmunzel ich und laufe zur Küche, wo Eric sich gerade ebenfalls einen Tee macht. Dort setze ich mich an die Theke und beobachte, wie er Oberkörperfrei Wasser aufsetzt. Selbst von hinten ist er attraktiv. Pass auf das zu nicht sabberst! Also schaue ich auf meine Tasse und rühre mit meinem Löffel in dieser herum. ,, Ich glaube du brauchst einen neuen Pulli... was hast du gestern gemacht, dass der so aussieht?", sagt Eric und setzt sich neben mich. Etwas verwirrt schaue ich an meinem Pulli herunter. Tatsächlich sind am Ärmel ein paar Risse und Löcher. Doch das schockiert mich nicht einmal so sehr, sondern eher der blau-lila Ring um mein Handgelenk, welchen ich sofort mit meinem Ärmel verdecke. ,, Ich weiß es nicht. Vielleicht bin ich damit irgendwo hängen geblieben." ,, Ich gebe dir einen neuen zum anziehen.", mit diesen Worten geht er schnell nach oben und kommt genau so schnell mit einem seiner Pullis wieder zurück, den er mir in die Hand drückt.

Vor ein paar Wochen wäre ich wahrscheinlich im Bad verschwunden um diesen anzuziehen, doch jetzt ziehe einfach meinen alten, kaputten aus und ziehe den neuen von Eric über. Das Pfeifen von ihm überhöre ich einfach, denn sowas bin ich ja von ihm gewohnt. ,, Also, wenn du mich fragst hättest du ihn auch erst anziehen können, wenn du gehst." ,, Tja, zufällig gehe ich jetzt auch schon.", antworte ich und nehme noch den letzten Schluck von meinem Tee. Mit einem siegessicheren Lächeln nehme ich mir meine Schuhe, ziehe diese an und laufe zur Tür. ,, Du gehst?", fragt er ungläubig. ,, Ich gehe noch zum Frühstück mit meinen Freunden... guck nicht so Pookie.", lache ich und schließe die Tür hinter mir. Warte, habe ich ihn gerade Pookie genannt? So hieß mein Teddybär damals. Tja, den Namen wird er erstmal nicht los.

Als ich den Speisesaal betrete ist er schon sehr gefüllt, weshalb es schwierig ist meine Freunde auf den ersten Blick zu sehen. Ich weiß zwar nicht, ob Jai auch dabei sitzen wird, aber ich kann ja nicht all meinen Freunden aus dem Weg gehen, wegen ihm. Ich laufe durch den Saal und entdecke schließlich den Tisch, wo bereits Kyra und Peter sitzen. Von den anderen ist keine Spur zu sehen. ,, Hey.", sage ich schwach und setze mich neben Kyra. Beide gehen nicht wirklich auf meine Begrüßung ein, sondern diskutieren einfach weiter, über was auch immer. ,, Ich sage nur, dass du vielleicht mal darüber nachdenken solltest nicht so scheiße zu anderen sein solltest!", faucht Kyra. ,, Ich bin gebürtiger Candor, ich sage nun mal, was mir durch den Kopf geht und meine Sprüche sind außerdem auch lustig!", giftet nun Peter zurück. Ok, jetzt weiß ich worum es geht. Doch selbst als ich nochmal laut Hallo rufe, reagieren sie nicht. Na gut, sie haben es so gewollt. Also schnappe ich mir das Glas von Peter und schütte ihm das Wasser ins Gesicht. ,, Rose, was zur...?!", schnauzt er. Im Gegensatz zu Peter, findet Kyra das ziemlich belustigend und kriegt sich vor Lachen nicht mehr ein, genau so wie ich. Daraufhin bekommen wir einen bösen Blick von Peter ab. ,, Sorry, aber einer musste dran glauben." Ich mache eine kurze Pause um aufzuhören zu lachen. ,, Gut... ich habe zwar nicht alles mitbekommen, aber ich kann mir schon gut vorstellen, was passiert ist." ,, Gut, es kann sein, dass ich vielleicht wieder Lola ne Stiff genannt habe.", sagt Peter so, als wäre es das normalste auf der Welt. ,, Peter, du bist mein bester Freund. Ich gebe dir einen guten Rat. Manchmal sollte man einfach...", doch weiter reden kann ich nicht da ich auf einmal von hinten an der Schulter gepackt werde.

Ruckartig drehe ich mich um und sehe in das übermüdete Gesicht von Jai. Er versucht sich ein lächeln auf zuzwängen. ,, Hey Rose. Es tut mir unendlich leid, ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist.." Ich stehe auf und schaue ihn enttäuscht an. ,, Du kannst sagen, was du willst... so schnell werde ich es dir nicht verzeihen.", krächze ich. ,, Rose, bitte..." ,, Bleib bloß fern von mir... hättest du mich einfach normal angesprochen. Du bist so ein Feigling!", fauche ich, woraufhin er mit Tränen in den Augen wegläuft. Ich schaue ihm noch hinter her und sehe, wie er manche Leute einfach wegschubst. Ich glaube, das wars erstmal mit unserer Freundschaft... es ist auch besser so, für beide von uns. Die komischen Blicke, der anderen im Saal vermeide ich und setze mich schnell wieder hin. ,, Was ist passiert?", fragt Kyra und nimmt mich in den Arm. ,, Jai, er hat gestern alles mitbekommen und getrunken... sehr viel." Sie versteht, was ich meine und streicht mir über den Rücken. Nur Peter scheint nicht zu verstehen, was ich meine.Ich gebe ihm einen Blick, damit er weiß, dass ich es ihm später sagen werde. Bei ihm kann ich es jetzt schlecht umgehen.

Das Training haben wir fertig und sitzen jetzt im Schlafsaal. Jai habe ich kein einziges mal mehr gesehen, was vielleicht auch gut so ist. ,, Warte was?! Du bist... du weißt schon.", stottert Peter und zeigt auf meinen Bauch. ,, Ja, bin ich... es war kein Wunsch, ganz im Gegenteil.", antworte ich ihm. Er sichtlich überfordert mit der Situation, denn er wischt sich die ganze Zeit über die Stirn. ,, Jai hat die Unterhaltung mit dir und mir mitbekommen. Als ich auf ihn traf, war er total besoffen, hat mich angeschrien, mich gepackt und begrabscht...", krächze ich und schlucke beim Gedanken an gestern. ,, Ich hatte Angst vor ihm, sehr sogar. Ich dachte, er würde mich jeden Moment schlagen." Ich ziehe meinen Ärmel etwas nach oben und zeige ihnen mein -blau-lila Handgelenk. Als Peter mein Gelenk sieht steht er prumpt auf. Ich weiß, was er vor hat, deswegen halte ich ihn fest. ,, Peter nicht." ,, Warum nicht? Er verdient es windelweich geschlagen zu werden, nachdem, was er dir angetan hat", knurrt er und versucht sich von mir loszureißen, doch ich lasse nicht locker. Schließlich gibt er nach und setzt sich wieder hin. ,, Ich weiß du bist wütend, aber er ist es nicht wert. Er wird schon seine gerechte Strafe bekommen, vielleicht nicht jetzt, aber er wird sie bekommen." Peter kocht vor Wut. Sein Kiefer ist angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt und seine Atmung schnell. ,, Ich hätte nie gedacht, dass Jai jemals sowas tun könnte.", murmelt Kyra. Ja, das dachte ich auch. Doch manchmal täuscht man sich nun mal in Menschen. Es tut weh, wenn es vor allem die Menschen sind, die man am meisten liebt und denen vertraut. ,, Und Eric?" ,, Weiß von beiden nichts. Das ist auch erstmal gut so. Ich muss erstmal herausfinden, wie ich selber damit umgehen soll. Ich hoffe nur, dass Jai die Klappe hält."

Wir haben nicht mehr viel darüber geredet. Peter hat nur noch ein paar Fragen gestellt und danach haben wir das Thema gewechselt. Vor allem auch, weil sich Ely, Helen und Uriah zu uns gesetzt haben. Sie fragten, wo Jai sei, doch wir wussten genau so wenig, wie sie. Auch wenn ich enttäuscht und wütend bin , hoffe ich inständig, dass er keine weiteren Dummheiten anstellt.

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shattered souls// Eric FF//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt