Die Nacht

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„Ein Fehler. Es war ein Fehler. Oh mein Gott, was habe ich getan!" Michael Patrick Kelly, genannt Paddy, saß nackt im Bett und starrte die Frau neben sich an. Er sprang auf und flüchtete ins Bad. Er duschte lange und als er in ein Handtuch gewickelt aus dem Bad kam, war er zum einen erleichtert zu sehen, dass sie nicht mehr da war. Zum anderen fühlte er ein leichtes Bedauern und ein schlechtes Gewissen. Es war der beste Sex seines Lebens gewesen und er hatte eine so intensive Anziehungskraft zu ihr gefühlt, wie zu noch keinem anderen Menschen bevor. Sie hatte ihn so verletzt angesehen, als er gesagt hatte, dass es ein Fehler war. Aber es war ein riesen großer Fehler, er hatte seine Frau betrogen. Joelle, die Frau mit der er seit Jahren verheiratet war und die er eigentlich über alles liebte.

Tief in Gedanken zog er sich an und packte dann seine Sachen. Er musste weiter zum nächsten Konzertort. Er dachte so intensiv an die vergangene Nacht, dass er das Klingeln seines Handys zuerst gar nicht hörte. Als er den Namen seiner Frau las, schluckte er. Er war zuerst versucht, gar nicht hinzugehen, aber das wäre feige gewesen. „Hi Darling, wie geht es dir?" „Hi, ich vermisse dich. Mein Bett ist immer so leer ohne dich." Paddy schloss die Augen und setzte sich vor das Bett auf den Boden. „Ich vermisse dich auch. Noch eine Woche, dann sehen wir uns endlich wieder." „Endlich. Ich wünsche dir ein tolles Konzert heute Abend. Ich denke an dich!" „Ich denke immer an dich! Ich liebe dich!" „Ich liebe dich mehr. Bis morgen!" Joelle schickte ihm noch einen Schmatzer durch den Hörer. Paddy schmiss das Handy weg und legte den Kopf auf seine Knie.

Er hatte seine Frau betrogen, wie hatte das passieren können. Nach dem Konzert war er mit seinen Musikern im Hotel noch etwas trinken gewesen. An einem Tisch in der Ecke war diese hübsche Frau gesessen und hatte in einem Buch gelesen. Sie lächelte immer wieder vor sich hin und nippte an ihrem Drink. Paddy hatte sie immer wieder angesehen und spürte ein seltsames Kribbeln. Als sie ein weiteres Mal nach ihrem Glas griff, sah sie zufällig in seine Richtung. Sie lächelte ihn an und nahm dann wieder ihr Buch auf. Es war, als wäre in seinem Bauch etwas explodiert. „Alles okay, Paddy? Du bist ganz blass," fragte ihn sein Manager Pino, der an diesem Abend auch dabei war. „Nein, alles gut. Ich glaube, heute trinke ich noch einen Whiskey. Es war ein tolles Konzert. Thank you guys." „Sorry, aber ich bin müde." „Ich auch, ist es okay, wenn wir dich alleine lassen?" Wie auf ein Kommando verabschiedeten sich alle und Paddy blieb mit seinem Whiskey alleine am Tisch sitzen. Wie von einem Mangeten angezogen, stand er auf und ging zu der hübschen Fremden Tisch. „Darf ich mich dazusetzen?" Erstaunt sah sie ihn an, nahm dann aber ihre Tasche vom zweiten Sessel. „Darf ich fragen, was du liest?" Es war ein Krimi, den er auch vor Kurzem gelesen hatte und so unterhielten sie sich angeregt über Bücher und dann über alles Mögliche. „Möchtest du noch etwas trinken?" fragte Paddy, als ihr Glas leer war. „Gerne," sagte sie nach kurzem Zögern. „Entschuldige, ich weiß nicht einmal, wie du heißt." „Hannah." „Freut mich. Nenn mich doch Patrick." Sie grinste ihn an und sagte dann: „Es war ein tolles Konzert heute. Ich möchte nicht so tun, als wüsste ich nicht, wer du bist." „Danke." Paddy sah sie prüfend an, aber sie wirkte nicht wie ein aufdringlicher Fan. Andererseits wohnte sie ihm Hotel, sie war also extra für sein Konzert angereist. Grübelnd sah er in sein Cocktailglas. Er hatte sich den gleichen Cocktail bestellt, wie Hannah. Eigentlich sollte er jetzt aufstehen und in sein Zimmer gehen. Aber sie hatten sich so nett unterhalten. „Keine Sorge, ich nehme unsere Unterhaltung weder auf, noch will ich ein Autogramm, Foto oder sonst etwas." „Woher kommst du?" „Augsburg." „Was machst du dann hier in Frankfurt?" „Ich habe meine Oma besucht und auf dem Rückweg dein Konzert eingebaut. Eigentlich wollte meine Schwester dabei sein, aber sie hat sich bei ihren Kindern mit Windpocken angesteckt." „Und jetzt sitzt du hier ganz allein." „Ja, jetzt sitze ich hier ganz alleine." Paddy fand, dass sie unglaublich einsam aussah, in diesem Moment. Es rührte etwas tief in seinem Herzen und er griff nach ihrer Hand. „Zum Glück bist du ja gerade nicht alleine!" „Das ist schön!" Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, der ganz tief aus ihrer Seele zu kommen schien. „Wo geht es morgen hin?" fragte sie ihn, um das Thema zu wechseln. „Nach Köln." „Das ist bestimmt etwas Besonderes." „Ja, Maite wird auch da sein." „Das ist schön. Seht ihr euch alle noch oft?" „Unterschiedlich. Manche ja, andere fast gar nicht." „Kenne ich." Paddy erzählte ihr ein bisschen von seinem Touralltag und sie tranken ihre Cocktails. „Ich sollte langsam in mein Zimmer gehen," sagte Hannah schließlich. „Ach, bleib doch noch. Ich bestelle uns noch einen Cocktail. Ich finde es schön, hier mit dir zu sitzen." „Ich auch." Sie tranken diesen Cocktail und unterhielten sich über Gott und die Welt. Es kam ihm so vor, als würden sie sich schon ewig kennen. Hannah hatte so wunderschöne tiefbraune Augen und wenn sie lächelte, hatte sie ein süßes Grübchen auf der rechten Wange. Und ihre widerspenstigen Locken sprangen ihr immer wieder ins Gesicht. Er beugte sich vor und klemmte ihr eine Strähne hinter das Ohr, die ihr immer wieder ins Auge fiel. Er streichelte ihr über die Wange und zog fast wiederwillig seine Hand zurück. „Wir sollten jetzt wirklich schlafen gehen." Hannah nahm ihre Tasche und stand auf. Paddy stand auf und ging mit ihr zum Aufzug. Sie standen sich im Aufzug gegenüber und sahen sich an. Zufällig hatten sie Zimmer schräg gegenüber. Paddys Zimmertür kam zuerst. Er blieb davor stehen und drehte sich zu Hannah um. Sie lächelte ihn an und wünschte ihm eine Gute Nacht. Als sie an ihm vorbei zu ihrem Zimmer ging, nahm er ihren Arm. Er wusste nicht, was er ihr sagen wollte, aber als sie sich zu ihm umdrehte mit einem leicht unsicheren Lächeln auf den Lippen, zog er sie mit einem Ruck an sich. Er packte sie bei den Schultern, drehte sich mit ihr und drückte sie gegen seine Zimmertür. Sie drückte ihn zuerst weg, ließ dann jedoch ihre Arme sinken und erwiderte den fieberhaften Kuss. Seine Hände glitten von ihren Schultern ihren Oberkörper hinunter zu ihren Hüften. Er drückte sie fest an sich und öffnete ihre Lippen mit seiner Zunge. Er kostete ihren Mund und spielte mit ihrer Zunge. Seine Hände fuhren unter ihren Pulli und strichen über ihren Rücken und erkundeten weiter ihren Körper. Als er ihre vollen Brüste fand, stöhnten sie beide auf. Ohne nachzudenken öffnete er mit der Schlüsselkarte seine Zimmertür und schob sie hindurch, ohne den Kuss zu unterbrechen. Er drehte sich mit ihr um und schloss mit einem Tritt die Tür.

Wie im Fieber gaben sie einander hin. Immer wieder aufs Neue ergriff sie die Leidenschaft und sie suchten einander. Engumschlungen, schliefen sie schließlich ein.

Als er aufwachte fühlte Paddy sich erfüllt, wie noch nie. Aber als er sah, dass er neben einer anderen Frau im Bett lag, als neben Joelle, setzte er sich ruckartig auf. „Oh mein Gott. Es war ein Fehler!"

Hannah war bei seinem Ausbruch wachgeworden und wusste im ersten Augenblick gar nicht, wo sie war und wer neben ihr saß. Als sie ihn erkannte und ihr klar wurde, was passiert war, war sie starr vor Schreck. Was hatte sie nur getan.

Nachdem Paddy ins Bad geflüchtet war, zog sie sich schnell an und flüchtete ihr ihr Zimmer schräg gegenüber. Auf ihrem Handy fand sie zwei nette Nachrichten von ihrem Mann und Fotos von ihren Kindern. Weinend warf sie sich auf ihr Bett. Was hatte sie nur getan. Sie hatte ihren Mann betrogen. Ja, sie hatten zurzeit viele Probleme, aber sie hatte ihn betrogen. Etwas, dass sie sich geschworen hatte, dass sie niemals machen würde. Schließlich stellte sie sich unter die Dusche und zog sich anschließend an. Mit schwerem Herzen checkte sie aus und fuhr nach Hause. Ohne zu wissen, was sie machen sollte.


Ein einziger FehlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt