Träume

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Hannah:

„Spielt ihr Verstecken, ich bin so müde, ich brauche eine kurze Pause." Hannah legte sich einfach auf die Picknickdecke, auf der sie gerade noch mit ihren Töchtern Picknick gemacht hatte. Sie konnte nachts nicht schlafen. So sehr sie auch versuchte die Gedanken aus ihrem Kopf zu verdrängen, so sehr beschäftigte es sie doch, dass Paddy hier war. Jede Nacht träumte sie von ihm.

Hannah wollte sich nur kurz ausruhen, aber sie merkte, wie sie immer weiter wegdriftete. „Hannah?" hörte sie eine leise Stimme. Es war Paddys Stimme. Wie gerne würde sie sich mit ihm unterhalten. Wie gerne würde sie seine Hände auf ihrer Haut spüren.

Hannah schrak hoch. Was träumte sie denn da. Der Traum war so real gewesen, dass Hannah das Gefühl hatte, Paddys Hand noch an ihrem Gesicht spüren zu können. Sie richtete sich auf und sah einen Schatten um die Hausecke biegen, dann war er verschwunden.

„Mama, wer war der Mann?" Emma kam angelaufen. „Was wollte er von dir?" „Er hat nur den Weg gesucht." „Warum hat er dich dann gestreichelt?" Hannah hatte Mühe Emma abzulenken. Paddy hatte sie gestreichelt? Und sie hatte so fest geschlafen, dass sie es nicht wirklich mitbekommen hatte? Aber sie durfte Emma auch nicht weiter fragen, was genau Paddy gemacht hatte.

Die Träume wurden in den nächsten Nächten nicht weniger.


Paddy:

Sie hatte so hübsch ausgesehen, so unschuldig, wie sie in der Wiese lag und schlief. Paddy hatte sie eigentlich nur fragen wollen, ob sie wusste, wann Martin zurück kam. Der Drang sie wachzuküssen war so intensiv gewesen, dass er sich zu ihr herunter gebeugt hatte. Er hatte ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht gestrichen. Ihre Haut war so wunderbar weich. Dann hatte er im Augenwinkel eine Bewegung gesehen und der Anblick einer ihrer Töchter hatte ihn zurück in die Realität geholt. Was tat er da. Wie konnte er Hannah küssen?

Er liebte Joelle. Sie war seine Frau. Was war er nur für ein schlechter Mensch.

Paddy kaufte einen Blumenstrauß und fuhr zu Joelle. Er wollte ihr und sich beweisen, dass er nur sie liebte.

„Oh, die sind aber schön. Sind die für mich?" „Nein, die sind für Amy, ich dachte, sie hat auch einmal Blumen verdient." Joelle schlug Paddy lachend gegen den Oberarm.  „Womit habe ich die denn verdient?" „Weil du du bist und weil ich dich liebe. Und weil ich ab übermorgen schon wieder unterwegs bin."

Paddy schmiegte sich an Joelle und bekämpfte sein schlechtes Gewissen. Wie konnte er hier mit seiner Frau stehen und an eine andere Frau denke?


Hannah:

Sie waren zu spät. Hannah versuchte Emma und Leni dazu zu bewegen etwas schneller zu gehen. Endlich waren sie an der Kirche. Sie setzten sich in die zweite Reihe und Hannah atmete tief ein und aus. Sie hatten es noch rechtzeitig geschafft.

Es war ein schöner Gottesdienst. Martin hielt einfach gute Predigten. Manche davon gab er ihr vorher und bat sie darum Korrektur zu lesen oder um Verbesserungsvorschläge.

Hannah war stolz auf Emma und Leni. Sie hörten wirklich zu, sie sangen teilweise mit und sie hibbelten nicht mehr die ganze Zeit in der Bank herum, wie am Anfang ihrer Kirchenkarriere.

Hannah nahm ihre Töchter an die Hand und ging mit ihnen zur Kommunion nach vorne. Martin beugte sich lächelnd zu den Mädchen herunter und zeichnete ihnen das Kreuzzeichen auf die Stirn. Die beiden mochten ihn und betrachteten ihn schon ein bisschen wie einen Onkel. Sie nahm die Hostie in Empfang, trat zur Seite, verbeugte sich vor dem Altar und drehte sich um, um zurück zu ihrem Platz zu gehen. Dort hinten war Paddy! Hannah hielt erstarrt inne. Leni zog an ihrer Hand und Hannah ging weiter. Sie kniete sich in die Bank und schloss die Augen. Sie durfte Paddy nicht anstarren.

Nach dem Gottesdienst verließ Hannah als eine der letzten die Kirche.

„Hannah, hallo." „Hallo Marie, schön, dich zu sehen." „Darf ich dir meinen Mann vorstellen?" Marie zog einen Mann heran, der mit dem Rücken zu ihnen gestanden hatte. Hannah starrte ihn an. Paddy, das war Paddy. „Michael Patrick, das ist Hannah von der ich dir schon so viel erzählt habe." „Es freut mich, dich kennenzulernen." Paddy streckte Hannah die Hand hin, die sie automatisch ergriff und schüttelte. Seine Hand. Hannah ließ die Hand schnell wieder los. Sie war mit Sicherheit knallrot angelaufen.

Leni und Hannah zogen ungeduldig an ihren Händen. Sie wollten zu Steffi gehen. Dort waren sie zum Mittagessen eingeladen und nach dem langen Stillsitzen wollten die beiden Mädchen endlich im Garten tollen. Noch nie war Hannah so froh über die Ungeduld ihrer Töchter gewesen. „Es tut mir leid. Wir müssen los. Steffi wartet schon auf uns." „Richte ihr bitte viele Grüße aus. Schönen Sonntag," wünschte Marie „Danke, euch auch!" Hannah eilte davon und hatte das Gefühl, Paddys Blick im Rücken spüren zu können.


Paddy:

Hannah. Ausgerechnet diese Hannah war Maries neue Freundin, das durfte doch alles gar nicht wahr sein. Es war wie in einem schlechten Film.

„Und?" „Sie sieht nett aus!" Paddy wusste nicht was er sagen sollte. Sie sieht nett aus. Sie sieht toll aus. Und nackt erst .... Oh mein Gott. Was war er für ein kranker Mensch? Paddy war kurz davor, sich auf den Kopf zu schlagen. Was war nur los mit ihm? Er hatte noch nie so gedacht.

Wie ein liebestoller Teenager. Diesen Ausdruck hatte er neulich irgendwo gelesen und er passte. Wie ein liebestoller Teenager dachte er.

Paddy fühlte sich krank. Ihm war schlecht. Seine Frau hatte sich mit derjenigen Frau angefreundet, mit der er sie betrogen hatte. War das Gottes Art ihn zu bestrafen? Was spielte er für miese Spiele? Aber das Schlimme war ja, dass er nicht nur ihn, sondern vor allem Joelle bestrafte.

„Denkst du bitte dran, mich hier Marie zu nennen?" „Wie bitte?" „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?" Joelle lachte ihn fröhlich an. „Ich wollte dich nur noch einmal dran erinnern, dass du mich hier bitte Marie nennst, wenn wir zusammen irgendwo sind, okay?" „Ja, ich versuche es. Aber meinst du nicht, wenn man mich erkennt, dass die dann eh wissen, wer du bist?" „Vielleicht, aber ich muss es ja nicht jedem auf die Nase binden. Hannah hat dich gleich erkannt." Joelle kicherte. „Ich werde sie morgen besuchen und mich dafür entschuldigen, dass ich sie ein bisschen beschwindelt habe." „Das versteht sie bestimmt." Verlogener Mistkerl, schimpfte sich Paddy selber. Er war der einzige, der schwindelte.

Gott sei Dank fuhr er morgen wieder weg. Er musste weg. Er musste seine Gedanken sortieren. Er musste diese kranken Gedanken an Hannah aus seinem Kopf bekommen.

Ein einziger FehlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt