6 Monate

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*Sicht Manuel*

Vor genau 6 Monaten kam ich hier rein. Ohne, dass ich mich vor jemanden verabschieden konnte. Sei es von meinen Zuschauern oder meinen Freunden. Und jetzt stand ich hier mit meinen Sachen und warte auf meinen Bruder Peter, dass er mich abholt. Er war der einzige, der Kontakt zu meinen Freunden hatte. Aus dem Grund habe ich ihm auch gesagt, dass er bloß nichts erzählen soll. Nicht wo ich bin oder was vor 6 Monaten passiert ist. Das muss ich meinen Jungs schon selbst erklären. Wie, wusste ich nicht. Zwar hatte ich mir die komplette letzte Woche darüber den Kopf zerbrochen, bin aber zu keinem Entschluss gekommen. Seufzend setzte ich mich auf einen meiner Koffer. Wann kommt der denn endlich? Ich spielte mit meinen Daumen, als plötzlich ein schwarzer Passat vor mir hielt und jemand Ausstieg. Lächelnd kam Peter auf mich zu. „Na großer. Wie geht's dir?", fragte er mich, während wir uns umarmten. „Ganz gut. Würde aber ganz gerne jetzt hier weg", sagte ich lachend und griff meinen Rucksack.

Wir frachteten meine Sachen auf den Rücksitz und in den Kofferraum und fuhren los, Richtung Heimat. Das Radio tötete die Stille. Als wir auf die Autobahn fuhren, stellte Peter es aber leiser. Erwartungsvoll schaute ich zu ihm. „Ich muss dir da was gestehen", sagte er verlegen. „Patrick geht die Wände hoch vor Sorge. Ich habe ihm gesagt, dass du zuhause bist. Das hat er mir nicht geglaubt also ist er zu dir gefahren. Mehrere Male. Melde dich lieber schnell bei ihm. Sonst steht er wieder vor deiner Tür." Ich schluckte. Patrick. Patrick ist bei mir gewesen? Patrick. Mein bester Freund. Zähneknirschend schaute ich wieder aus dem Fenster. Mein Handy war die komplette Zeit über aus gewesen. In der Klapse durfte man schließlich keins haben. Zuhause werde ich es aber wieder anmachen. Abstürzen wird es so oder so.

„Soll ich noch mit hoch kommen?", fragte Peter, als ich Ausstieg. „Ne danke. Das schaff ich schon", antwortete ich und ruppte den Koffer aus dem Auto. „Danke fürs abholen. Bis später", verabschiedete ich mich dann und knallte die Autotür zu.

Seufzend schleppte ich mich zum Hauseingang, dann zum Fahrstuhl und hoch zu meinem Stockwerk. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13. Angekommen. Tür auf und dann stand ich vor meiner Wohnungstür. Mit mulmigem Gefühl, schloss ich diese auf und betrat meine Wohnung. So lange war ich nicht mehr hier gewesen. Ich ließ meine Sachen einfach im Flur stehen und schaute mich um. Vertraut. Alles war wie immer. So wie ich es zurückgelassen hatte.

*Sicht Patrick*

So wie jeden Freitagnachmittag, fuhr ich nach Essen. Ich wusste, dass er mir auch heute nicht aufmachen würde. So wie jedes mal. War er überhaupt zuhause? Der Zug hielt und ich stieg aus. Dann in den Bus und los. Es war schon ein kleines Stück zu seinem Haus. Große Hoffnungen ihn anzutreffen, hatte ich nicht. Der Bus hielt und ich stieg aus. Wieder klingelte ich einfach irgendwo, bis einer die Tür öffnete. Dann in den 13 Stock fahren. Zögerlich klingelte ich an der Tür. Wieder nichts. Keiner machte auf. Wollte er nicht? Aber was ist mit ihm? So lange ist er schon verschwunden. Wie tot. Bei diesem Gedanken bekam ich Gänsehaut. Er war doch wohl nicht tot. Aber das hätte Peter uns gesagt.

Gerade als ich mich wieder verziehen wollte, vernahm ich Schritte aus Manus Wohnung. Und dann wurde die Tür geöffnet. In dieser kurzen Zeit, wo ich mein Blick auf ihn werfen konnte, vernahm ich alles. Schlanke leicht o-förmige Beine die in einer schwarzen Jeans steckten. Ein braunes Shirt, braune Haare bis zur Brust, ein schmales Gesicht mit drei Tage Bart und auf seiner Nase lag eine Brille. Ich wollte was sagen aber da knallte die Tür lautstark wieder zu.

Ich war geschockt. Er lebt. Ihm geht es sichtlich gut. Aber wieso zum Teufel meldete er sich nicht? Wieso machte er keine Videos? Er nahm YouTube doch mega ernst. Ich verstand es nicht. Nochmal klingeln. Und nochmal. Keine weitere Reaktion. Aber ich wusste, wenn ich jetzt gehen würde, würde ich nie eine Erklärung bekommen. Wieder klingeln. „Verschwinde!", brüllte es plötzlich aus der Wohnung. Ich begann zu zittern. „Können wir bitte reden?" Es kam nichts zurück. „Bitte Manu. Ich mache mir Sorgen", flehte ich. Mein Blick war starr an die Tür geheftet. Und tatsächlich, sie wurde geöffnet.

Bis die Maske fällt / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt