Voller Fragezeichen

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*Sicht Manuel*

„Alles okay?", fragte ich Patrick. Er sah gerade so bedröppelt aus. Schnell hob er den Kopf und lächelte. „Ja, alles gut." Ich runzelte die Stirn. So einen Blick hatte ich bei ihm noch nie gesehen. „Und jetzt ohne lüge.", sagte ich, machte den Ton des Fernsehers aus und drehte mich in seine Richtung. Er sah mich leicht unbeholfen an. „Du bist für mich da und ich für dich.", fügte ich noch lächelnd hinzu. „Manuel, du hast genug um die Ohren und mir geht's wirklich gut.", sagte er dann. Ich beugte mich vor und legte meine Hand auf sein Bein. „Und jetzt ohne lüge. Palle ich weiß wie man aussieht, wenn man anderen glaubhaft machen möchte, dass es einen gut geht. Ich war 6 Monate in der Klapse, da habe ich genug Leute kennengelernt, die so waren wie ich. Ich habe es auch anderen vorgespielt. Und ehrlich gesagt will ich nicht, dass es dir schlecht geht." Palle starrte auf meine Hand. Ich hatte sorge und irgendwie gab ich mir die Schuld an seiner plötzlichen traurigkeit, was ich mir aber nicht anmerken lassen wollte.

Palle wirkte so, als würde er nach Worten suchen. Als würde er mit sich kämpfen, das raus zubringen, was er sagen wollte. Ich strich behutsam mit dem Daumen über seine Hose. „Ich hätte nie gedacht, dass du Schwul bist. Ich hatte die ganze Zeit Angst das du diese Sexualität nicht respektierst.", sagte er dann schließlich. Ich konnte nicht anders, als einmal kurz zu lachen. „Selbst, wenn ich nicht schwul wäre, würde ich es akzeptieren. Kann mir doch egal sein, was andere Leute für Leute lieben und was sie im Bett tun. Oder nicht?" Palle zuckte mit den Schulten und sah leicht traurig zu meiner Hand, die noch immer dort lag, wo ich sie hingelegt hatte. „Aber wieso interessierst du dich? Warte, du stehst auch auf Typen?", fragte ich dann. Mein Herz fing an stark gegen meine Rippen zu schlagen und ich wusste nicht, wo ich das einordnen sollte. „Nicht nur.", hauchte Palle dann. Dabei sah er mir in die Augen. „Du bist Bi?", fragte ich ihn. Er nickte. „Gerade bei dir hätte ich gedacht, dass du Frauen aufgabelst wie kein anderer. Ich meine, sieh dich mal an." Ich deutete mit der Hand auf seinen Körper. Dann bemerkte ich, wie seine Wangen sich rot färbten.

Ich konnte nicht wirklich einordnen, was genau mit ihm los war. Doch es besorgte mich. „Wieso bist du jetzt traurig?", fragte ich dann. Palle schüttelte seinen Kopf. „Bin ich nicht." „Was dann?", wollte ich dann weiter wissen. Ich war neugierig. Doch Palle tat was, was mich noch mehr verwirrte. Er sah mir einfach in die Augen, öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder. Das was er sagen wollte, kam nicht aus ihm heraus. „Was ist?", fragte ich dann. Plötzlich stand er auf. „Ich fahr besser nach Hause. Ich, ehm, ich komm wieder, okay? Pass auf dich auf." Er beugte sich zu mir runter, umarmte mich schnell und schritt dann zur Tür. Perplex saß ich auf meinem Sofa und konnte mich nicht regen. „Warte!", rief ich dann, als er schon die Haustür öffnete. Schnell sprang ich auf und rannte zu ihm. „Wieso?", fragte ich und stellte mich in die Tür. Ich verstand seine flucht nicht. „Ich brauch das gerade.", sagte er dann. Doch ich dachte nicht daran, ihn die Tür passieren zu lassen. „Bitte.", hauchte er dann. „Sag mir wenigstens wieso.", meinte ich dann. Patrick lächelte dann. „Du und dein Sturkopf." Er nahm mich nochmal in den Arm und dann spürte ich, wie er seine Lippen gegen meinen Kopf drückte. Dieses Gefühl war schön. 

Als er sich wieder von mir löste, ging er an mir vorbei, zwängte sich regelrecht durch die Tür und drückte den Knopf vom Fahrstuhl. Ich dreht mich langsam um und sah noch, wie er in ihn stieg, kurz winkte und dann runter fuhr.

Mein Kopf war voller Fragezeichen. Verwirrt ging ich wieder in meine Wohnung. Wieso war er jetzt gegangen nach diesem Gespräch und wieso gab er mir einen Kuss? "Ich brauch das gerade" spielte sich in meinem Kopf ab. Immer und immer wieder. Wieso? Hatte ich was Falsches gemacht? Ich hatte ihn gedrängt. Genau das getan, was ich hasste. Ihn unter Druck gesetzt. Ich schlürfte ins Schlafzimmer und warf mich aufs Bett. Mein Kopf drückte ich in mein Kopfkissen, sodass ich kurz darauf nach Luft schnappen musste. Bestimmt hatte ich jetzt auch noch meinen letzten Freund vergrault.

Bis die Maske fällt / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt