Das Glas

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*Sicht Manuel*

Ein tritt gegen meine Wade weckte mich. Erschrocken setzte ich mich hin und sah nach rechts, wo Patrick auf dem Bauch lag, mit zermatschtem Gesicht. Seine Beine hatte er wie ein Seestern von sich gestreckt. Ich hielt mir meine Hand vor dem Mund, um nicht zu lachen. Es sah einfach viel zu amüsant aus.

Vorsichtig glitt ich von meinem Bett runter, um ins Bad zu gehen. Ich hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen, da ich es echt ziemlich süß fand, wie Palle dort lag.

Ich bürstete mein verknotetes Haar durch und band es zusammen. Dann putzte ich mir die Zähne und nahm meine Medikamente. Als ich mich so im Spiegel ansah, fiel mir auf wie müde ich aussah. Schnell wusch ich mir noch mein Gesicht mit kaltem Wasser. So fühlte es sich wenigstens nicht so an, wie es aussah.

*Sicht Patrick*

Ich lag halbwach im Bett. Ich hatte eine Decke an mich gedrückt und döste so vor mich hin, bis ich etwas zerklirren hörte. Ich schlug nun meine Augen auf und sah mich um. Etwas verwirrt sah ich die tristen Wände an, bis ich kapierte, dass ich ja in Manuels Schlafzimmer lag. Ich setzte mich auf und rieb mir den Schlaf aus den Augen, ehe ich mich komplett erhob und mich aus dem Raum begab. 

Als ich zur Küche schlenderte, sah ich wie Manuel gerade mit einem Handfeger Scherben auffegte. „Was hast du denn gemacht?", fragte ich ihn, als er mich bemerkte. „Mir ist das Glas aus der Hand gerutscht.", murmelte er und fegte den letzten Rest auf die kleine eiserne Schaufel. „Tollpatsch.", entgegnete ich kichernd. Manuel lächelte sachte und brachte die Scherben zum Mülleimer. „Wie wäre es, wenn wir heute Frühstücken gehen?", schlug ich vor. Erschrocken sah Manuel zu mir. „Beim Bäcker?" Ich nickte. „Niemals.", sagte er dann und nahm sich ein neues Glas aus dem Schrank. „Es ist doch schönes Wetter. Außerdem übt es dich, raus zu kommen." Ich sah ihn forschend an. Er senkte seinen Kopf. „Ich trau mich nicht."

„Was soll dir denn passieren, Manu? Außerdem bin ich bei dir." Ich ging zu ihm und legte meinen Arm um seine Schulter. Ich wusste, dass er meine Berührungen nicht so gern hatte, jedoch versuchte ich es unbewusst, eher Automatisch immer und immer wieder. Ich vergaß ab und zu, dass er es nicht mochte. Und immer, wenn er es zuließ, machte sich ein Glücksgefühl in mir breit. „Ich weiß nicht, Palle.", murmelte er. Seine Hand hatte das Glas fest umschlossen. „Wovor hast du denn genau Angst?", wollte ich jetzt wissen. Manu drehte seinen Kopf in meine Richtung. Seine Augenringe waren dunkel und seine Augen waren glanzlos. „Das sie gucken.", hauchte er dann. Ich hob meine Augenbrauen an. „Das sie gucken?", widerholte ich verdutzt. Er nickte kaum merklich. „Ich frage mich immer, wieso ich angesehen werde und was sie denken, wenn sie mich sehen. Sie finden mich bestimmt hässlich oder fragen sich, warum ich so einen komischen Gang habe. Die denken alle, dass ich komisch bin.", erklärte er mir seine Gedanken. Meine Stirn legte sich währenddessen immer mehr in Falten. „Manu, du bist weder hässlich noch komisch oder sonst was. Du bist ein dufte Typ. Und es ist doch völlig normal, dass man seine Umgebung ansieht und somit auch die Menschen, die um einen rum sind. Und ich denke, dass dich vor allem die Mädchen ansehen, weil du so gut aussiehst."

Manuels Augen schienen einmal kurz aufzublitzen. „Danke für das Kompliment.", grinste er schließlich. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich ihm gerade gesagt hatte, dass ich fand das er gut aussah. Aber es stimmte, er war in meinen Augen wirklich atemberaubend schön. „Also, wollen wir gehen oder lieber nicht?", fragte ich dann wieder weiter. Manuel schaute wieder von mir ab, auf seine Hand, die noch immer das Glas festhielt. „Ich weiß nicht, ob ich soweit bin.", murmelte er. „Ich zwinge dich nicht. Aber ich denke, es würde dir gut tun. Vor allem, was ist, wenn du mal zum Arzt musst oder Einkaufen oder zur Apotheke oder sonst wohin? Dann bist du alleine.", fuhr ich fort. „Du setzt mich unter Druck, Palle.", hauchte Manuel jetzt, ließ das Glas los und nahm meinen Arm von sich runter. Ich seufzte. „Tut mir leid."

Manuel aber verließ die Küche ohne ein weiteres Wort. Vermutlich war ich wirklich einfach zu aufdringlich. Zu weit gegangen. Ich stand wie angewurzelt dort und schaute auf das Glas, was sich eben noch in seinem festen Griff befand. 

Bis die Maske fällt / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt