Wo ist Lucia?

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"...Der sonst so im Internet aktive Sänger hat seit Wochen kein Bild mehr gepo-"

Bevor der Reporter weiterreden kann schalte ich den Fernseher aus. Eigentlich interessiert es mich nicht mehr, was Matteo macht, aber irgendwie mache ich mir trotzdem Sorgen. Solche Berichte über ihn machen es nicht besser. 

Ich hoffe ihm geht es gut und er macht wirklich nur Urlaub. Hätte ich seine Nummer noch, dann würde ich bestimmt schwach werden und mich bei ihm erkundigen. Allerdings hab ich sie ja nach unserem letzten Gespräch gelöscht. 

Die letzten Jahre habe ich nur selten an ihn gedacht, aber seit ich ihn mal wieder direkt vor mir gesehen habe, kreisen meine Gedanken ständig um ihn.    

"Mami, ich geh jetzt mit Ramiro und Marcel Eis essen." informiert mich meine Kleine und zieht sich ihre Schuhe an.

Seit Wochen macht Ramiro viel mit den beiden. Egal ob vor der Arbeit, nach der Arbeit, am Wochenende. Wenn ich mal nicht kann nimmt der Chilene mir die Arbeit ab. Ich bin ihm unglaublich dankbar. Das er so ein wenig die Vaterrolle für Lucia übernimmt, macht es meiner Tochter denke ich mal leichter mit dem Thema Matteo umzugehen. 

Lucia verabschiedet sich noch von mir und geht dann zur Nachbarwohnung, währen dich an meinem Artikel weiterarbeite.

Ich verbringe Stunden mit Schreiben, bis es an der Wohnungstür klingelt. Geschafft habe ich nichts, da das Schreiben einfach nicht vorranging und ich mich im Internet die ganze Zeit nach Matteo erkundigt habe.

"Warum bist du noch nicht fertig? Ich wollte doch sofort los." überfällt Yamila mich und tritt in die Wohnung.

"Sorry, ich hab das total verpeilt, ich war in meine Arbeit vertieft." lüge ich, doch leider ist Yam schneller am Computer im Wohnzimmer als ich.

"Matteo ist wohl jetzt deine Arbeit?" fragt sie und zeigt auf die Berichte, die ich mir durchgelesen habe.

Die vorwurfsvolle Stimme ist kaum zu überhören und ich kann es ihr nicht übel nehmen. Erst rege ich mich immer über ihn auf und heule mich bei ihr aus und dann sowas.

"Ich hab mir nur Gedanken gemacht, weil er nichts mehr wirklich von sich hören lässt." murmel ich bedrückt und die Blondine lässt sich seufzend auf dem Sofa nieder.

"Das was du machst ist nicht gerade hilfreich, ich hoffe das ist dir klar."

Natürlich ist das nicht hilfreich, aber wenn ich nicht weiß, ob es ihm gut geht, dann kann ich an nichts anderes mehr denken.

"Wo willst du denn hingehen?" wechsle ich einfach das Thema, da ich sonst nur noch aufgewühlter werde, als ich es ohnehin schon bin.

"Ich wollte in die Mall, da hab ich am meisten Auswahl." geht sie zum Glück gleich darauf ein ich schalte den Laptop aus. 

"Okay, dann geh ich mich nur noch schnell umziehen und dann machen wir los?"

Yam nickt und ich ziehe mir etwas anderes an, ehe wir mit meinem Auto zur Mall fahren.

Auf dem Parkplatz werden wir beide etwas stutzig, als wir den Wagen von Ramiro und Yam sehen.

Er wollte doch mit den Kindern nur ein Eis essen gehen. Wieso denn in der überfüllten Mall? Das ist doch unlogisch. Jedoch denken wir uns dann nicht viel dabei und widmen uns der Hauptaufgabe: Ein Kleid für Yam besorgen. Sie und Ramiro haben bald ihren sechsten Hochzeitstag und natürlich habe ich sofort meine Hilfe angeboten.

Deswegen schlendern wir auch durch Läden um etwas passendes zu finden. Die beiden haben eine wirklich süße Tradition. Jedes Jahr, gehen sie an ihrem Hochzeitstag in dem Restaurant essen, indem sie damals ihr erstes Date hatten. Sie reservieren den immer gleichen Tisch und bestellen das immer gleiche Essen. Ich finde es wirklich süß, das die beiden nach so vielen Jahren noch immer so viel Wert auf sowas legen. 

Yam hat gerade ein Kleid ergattert und bezahlt, weswegen wir den Laden verlassen, als wir auf der gegenüberliegenden Seite Ramiro und Marcel sehen.

Da Yam die beiden noch nicht gesehen hat, nehme ich sie schnell an die Hand und laufe mit ihr zu ihrem Mann und ihrem Sohn.

Sichtlich überrascht blickt der Lockenkopf uns an.

"Wo ist Lucia?" frage ich ohne große Umschweife.

"Naja..also...ähm..."

Ramiro ist sichtlich nervös.

"Wo ist Lucia?" werde ich nun lauter.

"Auf Toilette. Genau, sie ist auf Toilette." antwortet er diesmal wie aus der Pistole geschossen.

"Und ihr beide wartet nicht, sondern geht einfach weiter?" wird auch Yam misstrauisch.

Darauf hat Ramiro keine Antwort, bis auf eine Schulterzucken.

"Wo ist meine Tochter?" werde ich so langsam sauer. Ich mache mir Sorgen!

"Ramiro, rück mit der Sprache raus!"

"Ihr geht es gut, mach dir keine Gedanken."

"Sag mal willst du mich auf den Arm nehmen? Du kannst mir doch nicht mal sagen wo sie ist!"

"Sie isst Eis. Wirklich Ámbar. Sie hat eine Freundin getroffen mit ihrer Mutter."

"Welche Freundin?"

Da mir seine Antwort einfach zu lange dauert renne ich quer durch die Mall bis ich die Eisdiele erreiche. Tatsächlich sitzt dort meine Tochter, aber ganz sicher nicht mit einer Freundin und deren Mutter.

Von der Statur her kann es sich nur um einen Mann handeln. Was macht Lucia hier mit einem wildfremden Mann!

Ich eile zu den beiden an den Tisch und rufe schon "Finger weg von meiner Tochter!" als ich in das Gesicht des Unbekannten blicke.

Matteo.

Dafür hab ich jetzt keinen Nerv.

"Lucia, komm!" brumme ich in Richtung meiner Tochter, die den Kopf schüttelt.

"Ich bleib bei Papi."

"Ámbar, wir-"

"Du bist still!" unterbreche ich Matteo harsch und nehme Lucias Jacke.

"Los jetzt Lucia!" fordere ich meine Tochter auf, die ihren Vater anblickt.

Dieser nickt und Lucia umarmt ihn nochmal, ehe sie sich ihre Jacke anzieht.

"Das hat ein Nachspiel!" fauche ich noch in seine Richtung, ehe ich mit Lucia an der Hand die Mall verlasse.

Ich rede kein Wort mit ihr, bis wir im Auto sitzen.

"Wie lange triffst du dich schon mit Papa?" versuche ich es ruhig, aber meine Tochter macht auf bockig und ignoriert mich.

"Lucia, ich will nur ganz normal mit dir reden." seufze ich ratlos.

"Du willst mir Papi wieder wegnehmen." fängt sie dann an mit schmollen und ich hasse Matteo jetzt schon dafür! Ich bekomme den schwarzen Peter zugeschoben, obwohl es nur seine Schuld ist.

"Nein, das will ich nicht."

"Doch, das willst du. Deswegen darf ich ihn ja nur heimlich sehen." 

"Lucia, das ist nicht fair. Ich will ihn dir nicht wegnehmen, er ist freiwillig gegangen."

"Papa ist da und du lässt ihn mich nicht sehen. Du bist gemein."

"Lucia, das stimmt nicht." 

Meine Tochter zieht ihre Ignoranznummer wieder brillant durch und lässt mich nicht mehr an sich heran.

Matteo verursacht nur Probleme und ich darf das ganze dann ausbaden.


Mir tut Lucia so unglaublich leid, immerhin ist sie die Leidtragende in der Geschichte... :(

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