Treffen in der Nacht!

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Reginas Sicht

'Gina ich weiß, dass Du Angst hast, aber Du musst mit Emma reden...'

Auch wenn mir Kathrins Worte nicht mehr aus dem Kopf gehen, entscheide ich mich dagegen, Emma davon zu erzählen. Ich stehe direkt vor Emma und kann Ihr ansehen, dass es Ihr nicht gut geht. Ihre Gold-blonden Locken sind irgendwie zerzaust, Ihre strahlenden grünen Augen, die normalerweise leicht golden Funkeln, sehen leer aus und unter Ihren Augen zeichnen sich tiefe schwarze Augenringe ab. Ihr jetzt davon zu erzählen, wäre einfach nur egoistisch. Zur Begrüßung nehme ich Emma schweigend in den Arm und halte sie bewusst länger fest als sonst. Ich nehme Ihren Geruch in mir auf und genieße jede Sekunde, in der ich Ihr nahe sein darf. Emma scheint diese Umarmung auch zu brauchen, denn sie legt Ihre Arme um mich und hält mich sehr eng an Ihren Körper gepresst. Wir lösen uns langsam voneinander. Ich weiß nicht, wie lange, wir in der Umarmung versunken sind und noch immer hat keiner von uns ein Wort gesagt. Es ist eine angenehme Stille und ich merke, dass ich mich immer mehr entspanne.

Emmas Nähe hat mich mal wieder sofort beruhigt. Die Anspannung, die ich wegen meines Albtraums verspürt habe, ist von mir abgefallen, als ich Emma gesehen habe. Meine Gedanken an Whale wurden schlagartig ersetzt und in meinem Kopf tauchten sofort verschiedene Szenarien mit Emma auf. Wie schön wäre es gewesen, wenn eines der Szenarien eingetroffen wäre.

Das schönste und einzig gut ausgehende Szenarium, wiederholte sich sogleich in meinem Kopf: Ich sah Emma da stehen, am Ende der Straße mitten in der Nacht. Man konnte Ihr ansehen, dass sie etwas bedrückte. Wie auch in der Realität waren Ihre Gold-blonden Locken zerzaust, Ihre strahlenden grünen Augen, die normalerweise leicht golden Funkeln, sahen leer aus und unter Ihren Augen zeichneten sich tiefe schwarze Augenringe ab. Ich stand direkt vor Ihr und nahm all meinen Mut zusammen. Ich kam Ihr immer näher, in der Hoffnung, dass es Ihr genauso ging wie mir selbst. Unsere Lippen trennten nur noch wenige Millimeter voneinander und ich suchte stumm nach Ihrem Einverständnis in Ihren Augen. Das sie nicht zurückwich, nahm ich als Erlaubnis und überwand die letzte Distanz zwischen uns. Meine Lippen berührten sanft die Ihren und in mir brodelte ein Feuerwerk. Ein großes nervenaufreibendes Feuerwerk, doch statt den vielen bunten Farben, die den Himmel erhellen sollen, spürte ich viele unglaublich starke Emotionen, die mir den Verstand raubten. In mir breitete sich ein unfassbares Kribbeln aus, was meine Knie weich werden ließ und ich mich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte. Der Kuss war einfach atemberaubend. Und als Emma dann anfing den Kuss zu erwidern und sie Ihre Hände an meine Taille legte, war es vollends um mich geschehen, sodass ich mich an Emma klammern musste, um nicht zu fallen. Mein Traum war Wirklichkeit geworden und ich genoss die neu gewonnene Nähe zu Ihr. Nach einigen Minuten löste sich Emma von mir, strahlte mich an, mit einem Schmunzeln auf Ihren Lippen und sagte mir, dass sie mich liebte. Woraufhin ich sie in meine Arme zog und einfach nur glücklich war. 

Nachdem wir weitere Minuten schweigend nebeneinander stehen, fängt es plötzlich an zu regnen, was uns augenblicklich aus unseren Gedanken holt. Wir sehen uns an und beschließen mit einer stummen Absprache, zu Emma zu gehen, drehen uns um und laufen eilig los. Auch auf dem Weg zu Emma wechseln wir kein Wort miteinander. Wir scheinen beide erneut in unseren eigenen Gedanken zu versinken, ich jedenfalls tue es mal wieder.

Wie kann eine einzelne Person meine Gedanken in einem solchen Ausmaß vereinnahmen? Wieso bekomme ich Emma nicht aus meinem Kopf? Klar ist das eine rhetorische Frage, die ich mir hier stelle, denn die Antwort war mir klar. Ich liebe Emma. Das ist das Problem. Aber wieso kann ich meine Gefühle für sie nicht unterdrücken? Warum gibt es keinen Ausschalter für meine Gedanken? Immer wenn ich aus meinen Träumereien gerissen werde, fühle ich das Stechen in meinem Herzen, welches mir schmerzlich ins Gedächtnis ruft, dass es eben nichts weiter ist als Träumerei. So sehr ich mir auch wünsche, dass es real ist, ist es das nicht und wird es auch niemals sein. Ich spüre die Träne, die mir soeben aus meinem Auge gekullert ist, an meiner Wange hinunterlaufen und wische sie schnell weg, damit Emma sie nicht sehen kann. Während ich weiterhin in meinen Gedanken versunken bin, bemerke ich nicht, dass wir bei Emma angekommen sind, bis diese die Stille zwischen uns bricht.

Verloren oder doch Gefunden?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt