Der Brief!

458 33 11
                                    

Emmas Sicht

An unsere geliebte Tochter,
Was soll denn der Scheiß jetzt? Geliebte Tochter? Spinnen die? Erst sagen sie mir diesen ganzen Mist, zerstören mich damit und dann schreiben Sie 'geliebte' Tochter? Sie haben mich nie geliebt, dass haben sie mir klar und deutlich zu verstehen gegeben. Die Wut kommt wieder in mir Hoch und Tränen rinnen unaufhörlich meine Wangen hinunter. Soll ich wirklich weiter lesen? Möchte ich wirklich wissen, was sie mir zu sagen haben? Ich entscheide mich dafür noch etwas weiter zu lesen, aufhören kann ich ja immer noch.

Wir wissen, dass wir viele Fehler gemacht haben, mit denen wir dich verletzt haben..

Ach was? Fehler? Ihr doch nicht.  Naja abgesehen davon, dass ihr mich wie Müll weggeworfen habt, weil ich in euren Augen wertlos war, wegen einem angeblich angeborenem Herzfehler, den ich aber nie hatte?
Das ich Jahre lang im Waisenhaus leben musste, weil mich keiner adoptiert hat? Das ich immer auf mich alleine gestellt war?
Das ihr mich bei unserer Konfrontation zerstört habt?
Das ihr mich dazu gebracht habt, meinen Sohn zur Adoption freizugeben? Ich weiß dass ihr viel falsch gemacht habt, aber ihr habt doch selbst beteuert, das es kein Fehler war und ihr froh darüber seid.

Das alles ist nicht zu entschuldigen, wir können es niemals wieder gut machen, aber wir können versuchen es dir zu erklären, auch wenn es nicht leicht ist, dafür die richtigen Worte zu finden.

Ja ganz Recht, man kann es weder entschuldigen noch könnt ihr es wieder gut machen. Na auf die Erklärung bin ich ja mal gespannt. Wollt ihr mir jetzt wieder sagen, dass es meine schuld war, weil ich so geboren wurde, wie ich eben bin? Das ich einfach zu wertlos bin?
Darauf kann ich echt verzichten. Ich lege den Brief zur Seite, atme tief durch und versuche meine Wut los zu werden. Ich koche mir erstmal einen Tee, gehe zum Fenster und weine. Am liebsten würde ich jetzt Regina anrufen, damit ich mich beruhige, aber ich kann es nicht. Mein altes Verhalten kommt wieder zum Vorschein und ich verkrieche mich lieber, als mir Hilfe zu suchen. Da das Teewasser fertig ist, gieße ich den Tee auf, nehme den Brief erneut in die Hand, gehe zum Sofa und setzte mich hin.
Einatmen.. Ausatmen..
Einatmen.. Ausatmen..

Okay neuer Versuch, wo war ich.

..Worte zu finden.
Vor sehr vielen Jahren, noch vor deiner Geburt, haben wir uns mit einer Frau angefreundet. Ihr Name war Cora. Sie war eine sehr seriöse Frau und wenn wir gewusst hätten, was sie beruflich gemacht hat, hätten wir uns niemals mit ihr eingelassen..

Okay, was hat denn der Beruf einer Frau damit zu tun, was sie mir angetan haben? Mich interessiert nicht deren gesamte Lebensgeschichte, ich möchte nur wissen, warum sie mich so behandelt haben. Will ich den Grund denn wirklich wissen? Eigentlich ist es ja egal, warum sie es gemacht haben, es ändert schließlich nichts an der Tatsache, dass sie mit mir so umgegangen sind.. Ein bisschen lese ich noch weiter denke ich, auch wenn meine Augen brennen und mich der Tee nicht beruhigen kann..

Es ist nicht leicht für uns, dir davon zu erzählen, vor allem aber sollst du wissen, dass wir wissen, dass es trotzdem unser Fehler war und wir Cora nicht als Grund vorschieben wollen. Auch wenn eben diese dafür verantwortlich ist, dass wir uns so entschieden haben. Cora war für uns da, wenn wir sie gebraucht haben. Irgendwann kam sie dann aber zu uns, in männlicher Begleitung. Sein Name war Mr. Gold. Er war ihr Mann, den wir an jenem Tag kennen lernten. Auch er hat seinen Teil dazu beigetragen, wie wir entschieden haben.

Also doch deren gesamte Lebensgeschichte? Ich kenne keine Cora und auch keinen Mr. Gold, was haben die denn bitte damit zu tun? Meine Tränen sind inzwischen versiebt, nur die Wut ist noch immer sehr stark und ich werde zunehmend unruhiger.

Verloren oder doch Gefunden?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt