Totschweigen

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Gerade bist du dem sicheren Leib deiner Mutter entschlüpft, liegst noch am warmen, weichen Fell, geborgen, behütet und noch ganz ohne Sorgen. Leichter Milchduft streift deine Nase und du schnupperst dich bis hin zu der Zitze, aus der deine Mahlzeit deinen Rachen hinunter rinnt. Die Welt um dich herum ist schwarz und geräuschlos, das Einzige was du spüren kannst, ist das weiche, seidige Fell und die Bewegungen deiner Geschwister. Erst seit kurzer Zeit hast du die warme, geborgene Hülle deiner Mutter verlassen und wurdest in die kalte Welt hinein geworfen, wie in einen schnellen, feuchten Strudel, der dich immer weiter nach unter zieht. Deine Mutter ist dein einziger Trost in diesen unbekannten Weiten.

Bald schon wirst du wagemutiger, versuchst aufzustehen, dich zu bewegen, herum zu laufen und die Gegend um dich herum zu erkunden, obwohl du noch nichts wahrnehmen kannst. Zuerst plumpst du immer wieder auf deinen Hintern, kommst nicht von der Stelle. Das frustriert dich unbeschreiblich, doch du willst einfach nicht aufgeben. Immer wieder versuchst du auf deinen wackeligen Beinchen stehen zu bleiben, doch jedes Mal hindern dich deine schwachen Muskeln daran. Du merkst wie auch deine Geschwister anfangen, erste Bewegungen zu machen, auch sie sind kleine Energiebündel, eben wie du, doch sie können nach kurzer Zeit schon stehen und sich ein bisschen in der neuen Welt umschauen. Entmutigt gibst du auf, willst es den nächsten Tag noch einmal probieren.

Nun kommen neue Eindrücke hinzu, die Lider erheben sich von deinen Pupillen und zum ersten Mal kannst du deine Geschwister um dich herum erblicken. Neugierig geworden, schaust du über den Rand deines sicheren Verstecks und entdeckst unglaublich interessante Dinge. Viele neue Bilder und Geräusche stürzen auf dich ein, nachdem so lange alles still war. Deine Geschwistern toben schon ein bisschen auf der Wiese herum, doch du kannst dich nicht zu ihnen gesellen. Immer weiter versuchst du es, aber es will dir einfach nicht gelingen.

Ein paar Vögel zwitschern und es scheint um dich herum eine gerade idyllische Ruhe zu herrschen. Alles ist friedlich und angenehm, bis der blaue Himmel über dir, sich verdunkelt und große Tropfen auf die Erde hinunter fallen. Verwundert schaust du nach oben und bekommst etwas kaltes, nasses ins Auge. Schnell schüttelst du deinen Kopf und verkriechst dich unter dem Fell deiner Mutter, um nicht durchnässt zu werden.

Plötzlich vernimmst du ein lautes, durchdringendes Geräusch, welches sich auf dich zu bewegt und du merkst, wie sich die Muskeln deiner Mutter unter ihrem Fell anspannen. Sie beginnt zu fauchen und sich zurück zu ziehen, so wie deine Geschwister ängstlich herbei getapst kommen. Es will gar nicht mehr aufhören zu lärmen und du bekommst große Angst, kuschelst dich eng an deine Geschwister und maunzt kläglich. Alles geht ganz schnell. Mutter hat sich schon längst aus dem Staub gemacht und dich hilflos zurück gelassen, da du nur Ballast bist, wenn sie in Gefahr ist. Über die gerade noch grüne Wiese, rollt ein riesiges Geschütz auf dich zu, bis es kurz vor dir stehen bleibt, dabei hört der furchtbare Lärm endlich auf und für einen kurzen Moment kehrt eine angenehme Stille ein. Die Vögel jedoch sind in ein angsterfülltes Zwitschern verfallen, dies allerdings fällt dir nicht auf. Zu groß ist deine Furcht vor dem Ding.

Ein Gestank weht von dem Geschütz zu dir herüber und du rollst dich noch mehr zu einem kleinen Fellball zusammen, um deine Nase zu bedecken. Mit schüchternem Blick luscherst du über den Rand deines Fells und siehst, wie ein Riese aus dem Ungeheuer steigt. Seine riesige Tatze stampft auf den Boden und du kannst die kleinen Erschütterungen bis zu dir spüren. Schnell versuchst du nach hinten zu krabbeln, um dich in Sicherheit zu begeben, doch er ist bereits über dir und packt dich mit seiner riesigen Klaue. Hoch in die Luft hebt er dich und du krallst dich mit deinen winzigen Krallen in sein weiches Fleisch. Kurz gibt er ein Geräusch von sich, welches du nicht zuordnen kannst. Ein klägliches Quietschen bahnt sich den Weg aus deiner Kehle, doch niemand wird dir helfen. Deine Geschwister haben es geschafft sich selbst zu retten und sind unter den nächsten Busch geflohen, während du mit deinen Hinterpfoten um dein Leben strampelst. Immer näher führt er dich mit seiner Pranke zu seinem Gesicht und in seiner Schnauze kann man seine weißen, großen Zähne sehen.

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