Das Bergwerk

307 10 0
                                    

Erinnerungen:

„Kommen sie zu der Eröffnung des Herbert-Quain-Schachts. 15 Jahre ist die Katastrophe nun her und zum ersten Mal darf die Anlage wieder von jedem besucht werden. Lüften sie das Geheimnis der Herbert Quain-Schachtanlage.“

Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. 15 Jahre war es mittlerweile her und ich wünschte mir, es wäre nicht mehr als eine schlechte Erinnerung. Ein längst vergessener Albtraum, der mir nun durch die paar Sätze aus meinem Autoradio wieder vor Augen geführt wurde. Ich muss mich erklären; in meiner Kindheit spielten meine und Freunde und ich oft Ball, streunten durch die Straßen und irgendwann begannen wir, wahrscheinlich im Alter von 11 oder 12, „verbotene Orte“ zu betreten. Erst kleine Nachbarsgärten oder ähnliches, gingen in Keller, die offen standen, versuchten immer riskantere Dinge zu machen und es ließ uns auch lange nicht los; es war unsere Form von Kick, während andere Kinder in den Freizeitpark gingen und Achterbahn fuhren. Später als wir 14 und 15 waren, schlichen wir uns auf Friedhöfe und – als uns das nicht mehr ausreichte – auch in den Herbert-Quain Schacht, der nahe unserem Dorf gelegen war und die meisten Leute im Dorf mit Arbeit versorgte.

Die Anlage war weitläufig und natürlich sahen wir uns erst die Gelände an, bevor wir uns nach unten in den Stollen wagten. Es gab nur einen Weg nach unten, ein größerer Aufzug und es würde schwer sein, während den Schichten dort hinunterzugelangen. Das Werk war fast rund um die Uhr in die Betrieb, sodass wir auf einen Feiertag warten mussten, um das Risiko zumindest zu minimieren. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir nachts erst in den Kontrollraum schlichen, allerdings nicht um alle Geräte zu starten, sondern nur um das Notstromaggregat anzuschalten, damit der Aufzug funktionierte; Stefan, dessen Vater selbstständiger Elektroniker war und ihn oft mit zur Arbeit mitnahm, half uns dabei. Wir schlichen uns über das dunkle Gelände, um schließlich mit dem Aufzug nach unten zu kommen Die Wächter des Geländes waren nicht sonderlich zuverlässig und damals wurde an Videoüberwachung noch oft gespart. Der Aufzug brachte uns mit einem leisen Brummen tief in den Schacht. Die staubige, trockene Luft ließ manche von uns Husten. Überall standen verschiedene Maschinen, Förderkörbe und ähnliches und die verschiedenen elektronischen Systeme durchzogen mit Kabel und Kästen die vielschichtigen Gänge, welche sich in alle Himmelrichtungen abzweigten. Einer meiner Freunde hatte Asthma und ließ bald von uns ab, um nach oben zu gehen. Er ließ aber den Aufzug wieder herunter, damit wir sicher nach oben kommen würden und sollte oben Schmiere stehen. Das war relativ sinnlos, denn auch wenn er nach unten rufen würde, hätten wir es nach wenigen Schritten durch die Gänge schon nicht mehr gehört.

Nur mit Feuerzeugen bewaffnet wagten wir uns immer tiefer in die dunklen Schächte, die nur stellenweise richtig ausgeleuchtet waren. Oftmals war es sehr schummrig und man konnte nur wenige Meter nach Vorne blicken. Was genau hier abgebaut wurde, wussten wir nicht. Wir wussten, dass es sich nicht um traditionellen Bergbau handelte, sondern um eine Art Forschungsprojekt einer internationalen Firma. Mein Vater hatte mir mal erzählt, dass seine Freunde, die dort arbeiteten, von natürlichen Höhlensystemen und gewissen seltsamen Pflanzen und kleinen Tieren erzählten, aber genaueres wusste er ebenfalls nicht. Die von Menschen gemachten Gänge unterschieden sich vor allem in der Größe. Vielleicht waren sie genormt oder so etwas. Wir folgten einige Zeit lang den Schienen der Anlage, die allerdings nicht in alle Nebengänge des Bergwerks abzweigten, sondern nur die großen Hauptgänge abfuhren. In den natürlichen Höhlen, die wir immer mal wieder passierten, waren gar keine Schienen errichtet worden, vielleicht wollten dies die Forscher nicht, um das Ganze möglichst natürlich wirken zu lassen, keine Ahnung. Es wurden immer Gänge um die Höhlen herum gebaut, damit das Schienensystem gut durchlaufen konnte. In den dunklen Stellen konnten wir uns nur an den Stromkabeln entlang hangeln, die seitlich an den Wänden festgemacht wurden. Wir waren nun gut eine Stunde unterwegs und hatten schon mehrere Abzweigungen genommen. Labyrinthartig schlängelten sich die immer schlechter behauenen Gänge durch den Berg. Hier waren auch keine Schienen mehr, allerdings konnte man stellenweise noch Spuren sehen, dass hier mal Schienen gewesen waren. Vielleicht waren das Gänge, die nicht mehr genutzt wurden, weil hier nichts gefunden wurde. Ich kann nur raten, genaues weiß ich nichts darüber. Ich kann mich noch sehr genau erinnern wie Lukas, der Älteste in der Gruppe, irgendwann ausgesprochen hatte, was alle dachten: „Leute, ich glaube, wir haben uns verlaufen“ Es war wie eine bittere Wahrheit, die zwar durchaus in den Gedankengängen vorhanden war, aber nun schlagartig wahrgenommen wurde. Wir irrten noch einige Zeit durch die Gänge, ob es ein paar Minuten waren oder mehrere Stunden weiß ich nicht mehr; ich hatte zu der Zeit völlig das Zeitgefühl verloren, doch irgendwann, als längst die meisten Feuerzeuge leer waren, kamen wir um die Ecke zu einem Gang aus dem ein fahles, aber einnehmendes Licht leuchtete. Ein Weg nach draußen? Waren wir am Rand des Berges? Unwahrscheinlich, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, oder?

Creepypastas Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt