Teil 23

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Teil 23

Livia

Das Piepen war unerträglich. Und trotzdem liebte ich es, denn es zeigte mir, dass Justin noch am leben war. Ich war so sehr abhängig von diesem Ton, dass es in mir fast schon schmerzte, wenn er erklang. Schon seit drei Tagen war Justin in der Villa meines Vaters in einem Spitalzimmer. Ich konnte nicht fassen, dass mein Vater in seinem eigenen Haus eine Art Spitalecke besass, aber als ich weiter überlegte erschien es mir logisch. Er war eine Dealer. Da passierte es schnell, dass sich einer seiner Männer so verletzte, dass er nicht ins Krankenhaus konnte, denn man konnte nicht einfach mit Schusswunden auftauchen und wieder abzotteln. Das wurde unter die Lupe genommen und befragt, was ein zu hohes Risiko darstellte. Weshalb also nicht gerade eine eigenr Spitalabteilung einrichten lassen, mit all dem überflüssigen Geld.

Die Tür flog auf und eine der drei angestellten Ärztinnen kam herein. Sie trug keinen weissen kittel, wie es in den Spitälern Vorschrift war, sondern normale alltagskleidung. "Und, hat sich bei ihm schon etwas geregt? Oder immernoch das selbe wie gestern und vorgestern?"

"Dasselbe", presste ich heraus, um meine Enttäuschung zu verbergen. Die Ärztin seufzte und notierte sich etwas. "Er sollte eigentlich bald aufwachen", flüsterte sie beim Gehen eher zu sich selber als zu mir. Die Tür fiel ins schloss und ich war wieder allein. Allein mit ihm. Und dem Piepen. Das war nicht gerade das, was ich hören wollte. Weshalb wachte er denn nicht auf verdammt? Sogar die Ärzte fanden seinen langen Schlaf komisch. Ich wollte doch bloss wieder etwas Farbe und ein leichtes Lächeln in seinem Gesicht sehen anstelle der bleichen, ausdruckslosen Miene. "Justin bitte, wach auf", flüsterte ich, während ich seine Hand nahm und mein Gesicht in seiner kalten Schulter vergrub. Doch er schlief weiter.

Auch diese Nacht schlief ich an seiner Seite, und auch diese Nacht schlief ich miserabel. Immerwieder schreckte ich hoch, da ich dachte er hätte sich bewegt, doch schlussendlich zuckte nicht einmal sein Augenlied. Schon die letzten beiden Nächte hatten so ausgesehen, weshalb ich am nächsten Morgen tiefe, blaue Ringe unter meinen Augen erkennen konnte. Es war ein regnerischer Tag, was meine Laune noch mehr in den Keller zog, doch ich blieb an seinem Bett, so wie ich schon all die letzten Stunden nicht von seiner Seite gewichen war. Eine andere Ärztin brachte mir etwas zu essen, da ich mich weigerte aufzustehen und selbst etwas zu hohlen. Ich wollte ihn nicht alleine lassen und ausserdem war ich einfach zu faul. Oder zu schwach, ich wusste es nicht. Als ich das Müsli fertig gegessen hatte, ging es mir besser und ich stand auf, um es auf den Lavabo-Rand zu stellen. Als ich zurücklief sah ich aus Gewohnheit Justin an und er mich. Ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren was geschah, doch als ich begriff, stürzte ich am Bett vorbei, blieb mit meinem Fuss an einem Bettbein hängen und musste mich mit den Händen abfangen, sonst wäre ich mit dem Gesicht auf den Boden geklatscht. Justins lautes lachen liess mich hastiger hochrappeln als normal und als ich meinen Kopf hob sah ich seine geröteten Wangen mit den kleinen Lachfältchen. Doch diese verschwanden schnell. Aus dem Lachen wurde ein Husten, welches immer schlimmer wurde und schlussendlich kam eine Ärztin reingestürmt, schnappte den Kübel auf dem Tisch und stellte ihn auf Justins Oberschenkel, welcher sich aufgesetzt hatte um besser husten zu können. Ich hörte wie etwas in ihm zu krosen begann, wollte ihn am Arm streicheln doch schaffte es nicht. Er versuchte nach Luft zu japsen, doch das ständige Husten unterbrach ihn. Plötzlich rann etwas rotes aus seinem Mund, sickerte in die Schüssel. Blut. Er hustete Blut. Ein zischen drang aus seiner Kehle und nun begann auch ich nach Luft zu schnappen. Die Ärztin rief etwas, doch ich konnte nicht verstehen was. "Justin!", war das einzige was ich durch meine pochenden Ohren wahrnahm. Bis ich merkte, dass ich selbst es immerwieder sagte. Die Zwei anderen Ärztinnen kamen hereingestürmt und rollten Justins Bett aus dem Zimmer. Ich sackte auf dem kalten, nassen, gefliessten Boden in die Knie und richtete meinen Blick mit zitternden Lippen zur Tür, durch welche vor Sekunden gerade noch mein Freund hindurch war.

Ich fand mich im Gang auf einem Stuhl wieder. Keine Ahnung wie ich hier gelandet war, aber nun sass ich hier. Ich straffte meine Schultern und setzte mein stählernes Gesicht auf, sodass niemand etwas darin lesen konnte. Die Stille um mich herum war Ohrenbetäubend. Doch lief jemand durch den Gang, waren die Schritte, das Aufklatschen der Schuhsohlen auf dem Boden, noch tausendmal schlimmer, sodass ich das Gefühl hatte mein Trommelfeld würde zerpsringen. Es passierte nicht selten, dass ich aufgrund meines eigenen Atemzugs zusammenzuckte. Stunden verstrichen und nichts änderte sich. Dann kam eine Ärztin. Sie setzte sich auf den Stuhl neben mich. Ich drehte meinen Kopf zu ihr. "Wie geht es ihm?" Kurze ohrenbetäubende Stille. "Er schläft wieder. Wir mussten ihn operieren, denn als er angeschossen wurde hatte die Kugel ein Loch im Darm verursacht und dadurch bekam er innere Blutungen. Diese sind schwer zu erkennen, weshalb wir sie zuerst übersehen haben, doch durch das Lachen wurden sie stärker. Deshalb hustete er auch Blut. Wir haben ihn jetzt so gut wie möglich behandelt, er sollte wieder Aufwachen. Das Risiko, dass er bleibende Schäden mitnimmt, besteht, ist aber gering."

Ich liess die Informationen nicht durchsickern, nicht hier in aller öffentlichkeit. "Wie lange wird er schlafen?"

"Das kann von einigen Tagen bis zu einem Monat hin gehen. Er wird aufwachen, sobald sein Körper dazu bereit ist." Ich nickte leicht. Einige Tage. Ein Monat. "Soweit alles okey mit dir?", fragte die Ärztin leicht besorgt. Ich lächelte und nickte: "Klar. Ich weiss er wird es schaffen." Sie lächelte ebenfalls, stand auf und ging. Auch ich erhob mich. Meine Beine drohten nachzulassen, doch ich zwang sie bewusst dazu weiterzugehen. Mein Vater kam. Er nahm mich nicht wahr sondern hetzte an mir vorbei. Ob er Justin besuchen ging? Er war ihn einige Male besuchen gekommen und wir hatten still dagesessen. Ob er jetzt alleine still dasitzen wird? Nur weil ich zu egoistisch bin und Justin alleine liess? Obwohl es sogar schon meine Schuld war, das die inneren Blutungen stärker wurden?! Wieso musste genau da dieses Hohle Bett stehen, sodass ich sturcheln musste?

Nein. Ich konnte jetzt nicht dem Bett die Schuld geben. Es war alleine meine Schuld. Hätte ich doch besser aufgepasst. Wenn er bleibende Schäden mit sich tragen würde, wenn er nicht mehr der Justin wird, den er einmal war, dann würde ich mir das nie verzeihen. Mein Atem ging schneller, doch die Luftzufuhr in meine Lunge verringerte sich. Meine Kehle schnürte sich zusammen. Mit letzter kraft riss ich eine Tür auf die sich in der Nähe befand, stürzte hindurch, schloss sie hinter mir und fand mich am Boden wieder. Ich spürte wie die Tränen hochkamen, doch wollte sie nicht rauslassen. Also biss ich mir in den Arm. Dieser stechende Schmerz holte mich in die Realität zurück. Die Worte der Ärztin wiederholten sich in meinem Kopf wie von einem Tonband gespielt und ich begann sie zu begreifen. Lange sass ich einfach nur da und starrte das Regal vor mir an. Eine Spinne kroch über meinen Schuh. Ich hatte Angst vor Spinnen. Doch das war mir egal, meine ganze Angst bangte nun um Justin, sodass nicht einmal ein kleiner Rest für die Spinne übrig war.

dangerous love (justin bieber fan fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt