3. Willkommensgeschenk

68 5 4
                                    

Bild: Joongki
*****
Als ich mich abends nach dem gemeinsamen Essen mit der Crew in den Kapitänsquartieren wiederfand, erwartete ich es beinahe schon dort einen Raben vorzufinden, dessen Körper geschätzt einen großzügigen Meter maß.

"Lass dich nicht erschrecken. Er gehört zu Woobin.", meinte Dongwook in meine Richtung gewandt, drehte den dunkelhaarigen Kopf dann ruckartig zu einer seiner Karten und markierte darauf etwas.

"Das denke ich mir..."

Ich wusste, dass Wolf und Rabe gerne im Paar auftraten. Die Fenris waren oft zusammen mit Raben anzutreffen und die rabenstämmigen Wodaes ebenso häufig mit wölfischen Begleitern. Beide stammten von unserem Mond, waren eine komplementäre Spezies, deren Kinder schon von Geburt an einen Gefährten beim anderen Clan fanden.

"Er heißt Shiki."

"Ein schöner Name.", erwiderte ich nur knapp, um das Tier nicht zu verärgern, das auf der Stuhllehne gegenüber von Dongwooks Platz saß und mich aus intelligenten Augen scharf beobachtete.

"Unser erstes Ziel wird eine Regenwaldinsel sein. Ich schätze mal Jichul hat diese Kreuze hier nicht umsonst gesetzt. Kommst du mit einer hohen Luftfeuchtigkeit klar?", unterbrach die monotone Stimme des Vizes unseren Starrwettbewerb und ich nickte dem Mann zu, wusste mich dem Klima nach zu akkumulieren.

"Joohyuk hat mich bereits gebeten dich hier unterzubringen. Geh durch diese Tür hier und wohne in den Räumen deines Vaters, bis er zurückkehrt." Er zeigte schnurgerade auf die Tür hinter sich ohne die Augen von meinen zu nehmen und ich dankte ihm leise, zog mich dann sofort zurück, um ihn nicht bei der Arbeit zu stören.

Die Räumlichkeiten meines Vaters glichen denen des Rest des Schiffes. Das Steampunkthema zog sich bis hierhin, ich fand großen Gefallen an den detailreichen Metallzieraten an Bett und Möbeln.

Ich trat etwas weiter in den Raum hinein und sah mich ausgiebig um, nahm es in mir auf, was meinem Vater lag, wie Zirkel und Messgeräte, Waffen, Bücher und eine beträchtlichte Anzahl an Zeichnungen überall herumlagen.

Mich zog es zu seinem bis zum kleinsten Zentimeter mit Papier bedeckten Schreibtisch, zu den Skizzen, die sich darauf auftürmten.

Ich ließ meine Finger ehrfürchtig über einen Querschnitt unseres Schiffs gleiten, sah die exakt vermessenen Linien und Zahlen vor meinem Auge verschwimmen, das Detail war unglaublich.

Als ich den beeindruckt Blick hob, starrte ich mir selbst entgegen.

Es handelte sich hierbei um keinen Spiegel, sondern tatsächlich um eine Zeichnung von mir, von mir, wie ich heute war. Meine müden, hellen Augen, das gefärbte, rote Haar, sogar meine liebste weiße Bluse, die ich sehr oft trug, war da.

Konfus starrte ich mich an, war mir ziemlich sicher keinen Mann zu kennen, der als mein Vater in Frage kam und wissen konnte, wie ich aussah.

Gegen meinen Willen wallten Tränen in meinen Augen auf, als ich ihn bildlich vor mir sah, meinen Vater, wie er hier an diesem Schreibtisch saß und eine Tochter zeichnete, die er nicht kannte.

Ich würde fragen müssen, woher er mein Aussehen kannte.

Gerührt sah ich weiter und fand neben der Zeichnung von mir auch eine von Joohyuk, wie er strahlend lächelte, die Schuppen an den Seiten seines Halses grünlich schimmerten.

Unwillig lächelte ich zurück und suchte nach Skizzen der restlichen Mitglieder. Ich fand ein paar lose Blätter auf einem Ordner über die Anatomie und Merkmale der Alienmitglieder und eine Karte auf der ihre Heimatinseln vermerkt waren.

Was da auch noch lag, war eine Zeichnung meiner Mutter, doch sie war schon alt, das Papier zerknittert und spröde, meine Mutter war inzwischen auch wesentlich älter geworden.

Air PiratesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt