Bild: Joohyuk
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Ich fand Joohyuk allein am nördlichsten Rand der Insel, er hatte es geschafft einmal komplett darüber zu stürmen und hatte sich dann gefährlich nahe an den Rand gesetzt, ließ die Beine über die abgebrochene Erde baumeln. Obwohl er mich hörte, wandte er sich nicht zu mir um und ich verlangsamte kurz unsicher, bevor ich fest zu ihm hinüber ging, mich vorsichtig an seine Seite setzte.Nun hasste ich meinen Vater doch irgendwie. Obwohl er gesagt hatte, dass wir weiterhin zusammen bleiben durften, warf der Fakt, dass wir verwandt waren, einen hässlichen Schatten auf unsere Beziehung.
Wir saßen lange in Schweigen gehüllt da und sahen in den leeren Himmel hinaus, ich zupfte nebenbei Gras, er hatte seine Hände nutzlos im Schoß liegen.
Ich wollte ihm die Ruhe lassen und wusste auch nicht wirklich, was ich genau schlaues sagen sollte, um ihn zu konsolieren.
Als die Sonne irgendwann begann zu verschwinden und der Himmel sich rosa färbte, um einem vollem Mond Platz zu machen, erhob Joohyuk sich langsam, klopfte seine Jeans ab. Ich sah zögernd zu ihm auf, wie er da an meiner Seite stand und nachdenklich auf mich herunter sah, dann zuckte ich zusammen, als plötzlich seine Hand in meine Richtung schoss, nahe meines Kopfes stehen blieb.
"Komm.", murmelte er nur mit einer vom Nichtbrauch rauen Stimme und ich ergriff seufzend die dargebotene Hand und ließ mich von ihm auf die Füße ziehen. Von da an ließ er mich jedoch nicht wie erwartet los, es ging weiter vorwärts und in seine Arme, die sich sofort eng um meine Gestalt legten, mich an seinen Körper pressten.
Ich verharrte kurz verwundert, dann legte ich ebenfalls zögernd meine Arme um seine Mitte, hielt ihn locker, während er das Gesicht in meinem Haar vergrub.
"Ich sehe dich nicht als Schwester... Ich sehe dich als Frau.", murmelte er undeutlich und ich verstärkte meinen Griff mitleidend etwas, legte so viel Trost wie möglich in die Umarmung.
"Ich habe 16 Jahre lang bei ihm gelebt, Akye... Er hat es mir nie gesagt... Es tut mir leid." Seine Stimme war blank mit Emotionen und ein harter Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich mir gar nicht vorstellen konnte, wie verraten er sich fühlen musste. Es waren 16 Jahre, die er mit seiner Familie hätte verbringen können, doch er hatte es nie gesagt bekommen. Er hatte bei dem Mann gelebt, der ihn vermutlich bloß dabei hatte, weil er zur Familie gehörte und es ihm dennoch nie sagte.
Ich führte zaghaft meine Arme zwischen unseren Körpern hindurch nach oben, schlang sie stattdessen um seinen Nacken, um ihn bei mir zu halten, zu spüren, wie sein Kopf auf meine Schulter sank, er sein Gesicht an meinem Hals vergrub.
Er weinte nicht, aber ich konnte mir vorstellen, dass der Drang zu schreien stark war.
"Ich werde ihn auch nicht plötzlich als Vater sehen... Da hätte er früher kommen müssen. Du als mein Bruder genauso.", teilte ich seine Meinung leise und strich mit den Fingern geduldig das kurze Haar in seinem Nacken. "Nichts ändert sich... Nur das Wissen."
Joohyuk blieb still an meinem Hals, seine Haut so angenehm warm an meiner, während ich ihn streichelte, nach und nach spürte, wie seine Anspannung sich löste.
"Es spielt wirklich keine Rolle, oder? Aber der Gedanke bleibt irgendwie. Und er stört mich.", schnaufte er dann irgendwann frustriert und hob sein Gesicht wieder um mich anzusehen, den Griff um meine Hüfte schützend zu verstärken, als er sah, wie unsicher ich aussehen musste.
Ich wusste ja selbst nicht, was ich davon halten sollte.
"...lass uns zurück gehen. Wir denken noch darüber nach.", sagte er dann erschöpft und griff sich meine Hand auf seiner Schulter, bevor er begann zum Schiff zurück zu wandern, mich dabei nicht los ließ.
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Air Pirates
Science FictionWir schreiben das Jahr 3009. Ein Komet hat 500 Jahre zuvor den Planeten Erde in seine Einzelteile gesprengt. Auf den verbliebenen Inseln koexistieren Menschen wie Aliens in Frieden miteinander. Akye ist ein junge Menschenfrau, die in ihrem Leben un...