33. Kapitel

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Wir liefen gemeinsam durch das viel zu hohe Gras. Wenn wir auf der Straße gelaufen währen, hätte man uns vielleicht sehen und erkennen können und genau das, durften wir nicht riskieren. Das Gras war wirklich so dermaßen hoch, das man uns mit Sichherheit nicht sehen könnte, wenn wir uns einfach fallen gelassen hätten, somit war dies die sicherste Lösung. ,,Warum lag er nicht bei uns? Ich meine, er ist doch nicht einfach weiter gefahren. Ich bin doch mit dem Motorrad zusammen umgefallen", meinte ich. Jasper sah ziemlich frustriert aus. ,, Ich weiss, Liv. Ich bin mindestens genau so verwirrt wie du!", gab er als Antwort und zog dabei seine Augenbrauen noch etwas enger. ,,Was, wenn er doch noch dort lag? Was wen wir ihn einfach nur übersehen haben?", überlegte ich, während jeder Muskel in meinem Körper sich schlagartig verkrampfte, bei dieser Vorstellung. Japser schüttelte jedoch den Kopf. ,,Nein Liv. Jetzt hör auf. Ich habe es dir schon oft genug gesagt: wir werden ihn finden". Frustriert seufzte ich auf. ,,Für mich ergibt das einfach alles keinen Sinn", schnaubte ich. Ich lies meine Fingerkupen über die kitzelnden Gräser streichen.

Jasper hielt plötzlich neben mir, mitten in seiner Bewegung inne. Ich warf ihm einen Blick über die Schulter zu. ,,Was ist? Warum bleibst du stehen?" Doch anstatt zu antworten, legte er nur einen seiner Finger an seine Lippen und deutete mir, leise zu sein. Ich folgte seiner Anweisung uns horchte in die Stille hinein. Nur war die Stille keine Stille mehr. Nicht wirklich weit entfernt von uns, heulten laute Sirenen auf. Ich schluckte. ,,Werf dich in das Gras!", zischte er, so wie wir es ausgemacht hatten. Wir ließen uns zwischen die langen Grashalme fallen und pressten unsere Körper dicht auf die Erde. Meine Fingernägel vergrub ich zwischen Moos und die Augen kniff ich betend zusammen. Ich hoffte, dass uns keiner entdeckte. Wenn ja, waren wir erst einmal ordentlich aufgeschmissen. Das Heulen kam immer näher, almählich gesellte sich das Geräusch annähernder Reifen dazu. Ich konnte Jaspers Körper neben meinem spühren, der fast kaum fühlbar neben mir zitterte. Er hatte also auch Angst. Und ich dachte immer, nur ich wäre so schnell verängstigt.
Das Auto fuhr rasend an uns vorbei und wirbelte dabei durch den Fahrtwind, die Gräser um uns herum auf. Mein Haar flog um meine Gesicht und kleine Blätter landeten verstreut neben mir. Wir blieben zur Sicherheit noch kurz so liegen, damit uns nicht doch noch jemand sah.
Das ohrenbetäubende Heulen des Autos erstarb langsam in der Ferne. Ich öffnete zögernd wieder meine Augen. Neben mir konnte ich erkennen, wie Jasper sich fast genauso verzweifelt wie ich, an die Erde klammerte. ,,Jasper?" , fragte ich. ,,Mmh?"  ,,Können wir wieder aufstehen?" Seine Augen öffneten sich einen Spalt breit, er schien erst jetzt wieder richtig zu atmend. ,,Ich denke schon". Ich stütze mich ab und stelle mich hin.
,,Verdammt, was wenn wir das nächste Mal nicht schnell genug sind?", fragte ich zweifelnd. ,,Du solltest nicht immer alles in Frage stellen", schnaubte er als Antwort. ,,Und du könntest aufhören, mich zu kritisieren", meine Stimme klang genervt, während ich ihn gereizt anfunkelte. Er verdreht die Augen und ging los, nur um keinen Augenblick später, wieder wie erstarrt stehen zu bleiben. Ich trat neben ihn. ,,Jasper, was ist los? Bitte sag nicht, dass es schon wieder ein Auto ist", flehte ich und versuchte dabei angestrengt, ein weiteres, sich annäherndes Geräusch zu vernehmen, doch ich hörte nichts. Verwirrt sah ich ihn wieder an. Als ich seinen starren Blick sah, stutzte ich. Mit seinen Augen fixierte er irgendwo vor uns, einen ganz bestimmten Punkt. Ich drehte mich wieder um und als ich sah, was er sah, setzte mein Herz aus.

Am Rand der Straße lag jemand, scheinbar verloren. ,,Omg Jasper, du denkst doch nicht etwa, dass das...", wisperte ich unter Spannung. ,,Ich weiss es nicht", flüsterte er zurück. ,,Ich habe Angst.", sagte ich. Ich wusste nicht wofor, oder warum ich Angst hatte, aber ich hatte sie. ,,Ich weiss. Wir müssen trotzdem hingehen. Wir müssen es wissen", erwiederte er. Ich nickte. Währenddessen holte ich einmal tief Luft und lief einfach los, Jasper dicht hinter mir. Langsam näherten wir uns dem hilflosen Bündel, konnten das Gesicht aber noch nicht erkennen. Ich blieb stehen, weil ich nicht wusste, was ich machen sollte. Jasper war mutiger und ging um die Person herum. Ich achtete auf sein Gesicht und verfolgte jeder seiner Reaktionen. In dem Moment, in dem er das Gesicht der Person erkennen konnte, konnte ich fast schon dabei zusehen, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich. ,,Jasper?", fragte ich. Er schaute mir nicht in die Augen, sondern blickte nur mit einem glasigen Ausdruck auf die Person, die dort vor ihm lag. ,,Jasper, ist er es?", fragte ich nochmal. Mir war eigentlich schon klar, dass er es sein musste. Keiner hatte solche frechen Locken, wie Adriano.
Diesesmal hob er seinen Kopf. Es dauerte eine Weile bis er mir eine klare Antwort gab, doch als er sie gab, nickte er nur einmal kaum merklich.

Ohne zu zögern rannte ich um ihn herum, stieß ihn zur Seite und sah Adriano ins Gesicht. Ich keuchte einmal vor Schreck auf. Über sein Gesicht zog sich eine lange, verkrustete Blutspur, sein eines Auge war blau geschlagen und deutlich angeschwollen, sein Atem ging unregelmäßig und stoßweise und in seinem braunem, gelocktem Haar klebte eine ganze Menge Blut. Adriano war furchtbar blass, es schien fast schon so, als ob da kaum noch Leben in ihm währe. Ich lies meine Augen über die Straße gleiten. Es wunderte mich, dass das Auto ihn nicht gesehen hatte. Dafür war es dann wohl zu schnell gefahren.

Zitternd lies ich mich auf die Knie neben ihm fallen. ,,Adriano?", flüsterte ich und strich ihm über die Stirn. Sie war warm, aber trotzdem irgendwie viel zu kalt. ,,Hörst du mich? Ich bin es, Liv! Ich bin jetzt bei dir, wir haben dich gefunden", wisperte ich, in der Hoffnung, dass er mich hören konnte. Gott, wie lange musste er schon hier liegen? Als er immer noch keine Regung zeigte, spührte ich, wie die Verzweiflung sich langsam in mein Herz bohrte. Ich schnellte mit dem Kopf herum zu Jasper und schaute ihn erwartungsvoll an. ,,Bitte tu doch was!", flehte ich. ,,Was soll ich den machen? Ich bin kein Arzt!", gab er zurück. Ich horchte auf. Natürlich, er brauchte einen Arzt. ,,Dann müssen wir einen besorgen! Er muss doch irgendwo hier etwas geben!", meinte ich voller Überzeugung. Jasper schüttelte nur den Kopf. ,,Liv, du weisst dass das nicht geht! Wir sind abgehauen, die Polizei wird uns suchen und außerdem kostet ein Arzt, Geld", erwiederte er. ,, Du willst mir jetzt nicht ernsthaft weis machen, dass wir ihn hier so liegen lassen können, nur weil du Angst hast?", fuhr ich ihn an. Er rollte mit den Augen. ,,Ich mag ihn zwar nicht sonderlich, aber so herzlos bin ich nun auch wieder nicht", meinte er. ,,Dann finde doch bitte eine Lösung", voller Verzweiflung schlage ich mit der flachen Hand auf den Boden.

Jasper hob langsam den Kopf an und lies seinen Blick auf die andere Straßenseite gleiten. Ich folgte diesem, um zu sehen was er sah. Dort war ziemlich eindeutig ein Waldrand, viele hohe Bäume standen eng beienander und die Vögel waren bis hier hin zu hören. ,,Vielleicht gibt es im Wald soetwas wie ein heilende Kräuter, oder einen Bach. Ich könnte Wasser holen, damit er etwas trinken kann", schlug Jasper vor. Langsam nickte ich. Das war logisch. Auf einmal spührte ich selber, den brennenden Durst in meiner Kehle. ,,Du kannst allen etwas mitringen. Ich weiss nicht, ob wir selber noch genug haben und ich bin mir sicher, dass wir das Wasser noch brauchen werden", meinte ich. Jasper nickte. ,,Ich bin gleich wieder da", verabschiedete er sich. Seine warme Hand strich kurz beruhigend über meine Schulter. Ich sah ihm zu, wie er Schritt für Schritt im Wald verschwand, bis nichts mehr von ihm zu sehen war.

Ich atmete einmal tief durch. Jasper würde eine Lösung finden, ich wusste es. Wir würden es schaffen, wir würden auch dieses Problem lösen können, da war ich mir sicher.

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