65 | „Du bist eine Lügnerin!"

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Er ließ meine Hand sofort los und sah mich erschrocken an.

,,Hör auf zu lügen.", brummte er und stand sauer auf. Ich tat ihm gleich und beobachtete ihn, wie er hin und her lief.

,,I-Ich lüge nicht. Wieso sollte ich sowas überhaupt tun?", protestierte ich, doch er schien so auszusehen, als würde er gleich den Verstand verlieren.

,,Woher weißt du das?", fragte er sauer und ausser Atem, als er endlich stehen blieb und mich ansah.

,,Ich habe sie neben meiner Mutter gesehen. Im Krankenhaus."

Er sah noch verwirrter als davor aus und ich konnte mich echt gut in seine Lage hineinversetzen. Man konnte manchmal im Leben vieles nicht verstehen. Und manches konnte man nicht einmal versuchen zu verstehen. Genau so ein Moment war dies gerade für Luke. Ich fühlte mit ihm.

,,Es mag alles gerade unrealistisch für dich klingen und ich kann es immer noch nicht realisieren, aber sie ist..."
Ich stoppte mich selber, als sich plötzlich ein Kloß in meinem Hals bildete.
Was war nur los? Wieso sperrte sich mein Körper auf einmal ein?

,,Sie ist was?", fragte er ruhig und näherte sich leicht zu mir. Ich brachte kein Wort raus und hasste mich selber gerade dafür. Wahrscheinlich tat ich es aus Angst die Worte auszusprechen.

,,Angeline! Was ist mit Alexia?!", schrie er sauer und ich zuckte auf.

,,Sie ist meine Schwester.", murmelte ich leise, als meine Augen brannten und ich wusste, dass ich tränen würde.

Luke kam auf sein ganzes Leben nicht mehr klar und verließ ohne ein Wort zu sagen das Haus. Wie angewurzelt, stand ich immer noch da, weil ich nicht realisieren konnte, was hier gerade passiert. Einige Sekunden später kam ich wieder bei Sinnen.

,,Scheisse!", fluchte ich laut und rannte ebenfalls raus. Luke war gerade dabei mit seinem Wagen wegzufahren und ich konnte ihn nicht einholen.

,,Scheisse, Scheisse, Scheisse!", schrie ich und rannte wieder ins Haus, als auf der Kommode andere Autoschlüssel lagen. Ohne zu überlegen, schnappte ich mir diese und rannte raus. Ich drückte auf den Knopf um zu sehen, welches Auto sich entsperrt und sah, dass ein roter Wagen blinkte. Schnell rannte ich auf dieses zu und saß mich hin.

Keine Ahnung, wieso Jane und Luke drei Autos besaßen, aber ich denke Mal, für solche Notfälle.

Tief Luft atmend schloss ich für einige Sekunden ehe ich den Schlüssel in das Schlüsselloch steckte.

,,Vergieb mir, wenn ich sterbe."
Ich startete das Auto und öffnete meine Augen. Verdammt, ich wusste nicht einmal was ich hier richtig tat. Ich war komplett neben der Spur und wollte Luke einholen. Sofort fuhr ich los und war so vorsichtig wie möglich, doch gab immer mehr Gas.

Nach einigen Minuten Fahren, entdeckte ich auch endlich das rasende Auto von Luke. Schnell hupte ich paar Mal und immer weiter, damit er stehen bleibt, doch das tat er nicht. Während ich immer noch Todes Angst hatte, fuhr Luke immer weiter und ich folgte ihm bis er vor dem Krankenhaus stehen blieb und nicht einmal richtig parkte. Gleichzeitig tat ich dasselbe und rannte zu ihm.

,,L-Luke!", schrie ich, doch er beschleunigte sogar seinen Gang um in die Station von meiner Mutter zu gelangen.

,,Luke, warte!"

Er stieg in den Aufzug und fuhr auch sofort los und ich konnte ihn somit nicht einholen. Trotzdem nutzte ich mir noch die letzte Kraft und stieg die drei Etagen mit der Treppe.

Als ich ankam, sah ich Luke in das Zimmer reinplatzen und rannte sofort dorthin. Plötzlich stoppte alles, denn ich sah Alexia und meine Mutter im Zimmer sitzen. Luke hingegen stand vor der Tür und blickte das erschrockene Mädchen an, während ich immer noch schwer atmete.

Wenn ich nicht gleich umfalle, dann wusste ich auch nicht weiter.

Ich stand hinter Luke und sah zu Mom, die verwirrt zu Alexia und dann zu uns sah.

,,W-Wie...?", kam es nur rau von Luke. Ich merkte, wie einsam er doch im Moment war, obwohl drei Leute neben ihm standen. Vorsichtig nahm ich seine Hand und hoffte, dass er sich beruhigen würde.

Alexia sah nicht besser aus. Sie war schockiert und ebenfalls planlos wie Luke. Mittlerweile war sie am Stehen und mir kam dieses Anstarren so ewig vor.

,,Was geht hier vor?", fragte meine Mutter nach Minuten.

Ich wünschte, ich wüsste es...

,,Luke?"
Alexia's Stimme klang eher erschrocken und panisch, als überrascht und verwirrt.

,,Du bist tot...", murmelte Luke verwirrt,
,,Du bist tot, dass weiss ich."

Sanft platzierte ich meine andere Hand auf seinen Arm und klammerte mich quasi an ihm fest.

,,D-Das... Das kann nicht sein.", murmelte er weiter und sah mich panisch an. Seine Augen bohrten sich in mir und in dem Moment sah ich den selben unschuldigen kleinen und ängstlichen Jungen von damals, als er mir die Geschichte von seinem Vater erzählte.

,,Ann. Sag was. Sag, dass ich träume!"

Schnell legte ich eine Hand auf seine Wange und schaute ihm traurig in die Augen.

,,Zeit, die Wahrheit zu erfahren.", entgegnete ich nur und er blickte sofort wieder Alexia an, als ich meine Hand wieder runternahm.

Ohne, dass ich überhaupt ahnen konnte, was als nächstes passieren könnte, wurde Luke wütend.

,,Weißt du eigentlich, was ich wegen dir durchmachen musste?! Wegen deinen Lügen?!, schrie er und Alexia und ich zuckten zusammen, während meine Mutter immer noch verwirrt war, doch still blieb. Kräftig ließ er meine Hand los, ohne mich dabei anzusehen.

,,Wegen deinen Lügen musste ich verdammt nochmal leiden! Wieso?! Weil du eine verdammte Lügnerin bist. Du bist eine Lügnerin!", schrie er und zeigte mit dem Zeigefinger auf sie, als sie sich die eine Hand auf ihre Brust platzierte und die Tränen in ihren Augen stiegen.

,,Jeden Tag, jede Nacht habe ich um dich getrauert, weil du meine erste beste Freundin warst, für der ich auch Gefühle hatte!"

Plötzlich stockte mein Atem und ein kalter Schauer floss über meinen Rücken. Mein Blick war die ganze Zeit auf den Boden gerichtet und meine Augen weiteten sich.

Für der ich auch Gefühle hatte...

Es fühlte sich erneut an, als würde mein Leben eine einzige Lüge sein. Luke liebte sie und vielleicht würde er sie wieder lieben, wenn sie doch noch am Leben war.
Er war verliebt in meine Schwester.

Der Raum war so still und man konnte nur noch die tickende Uhr hören. Es fühlte sich grausam an.

,,Du hast nichts verdient. Rein gar nichts!", beendete er das Zeigen mit Zeigefinger und ging raus.

Ich konnte es immer noch nicht realisieren, dass er die Dinge gerade ernst meinte und Alexia noch weniger. Sie kniete sich mit den Händen vor der Brust hin und fing an laut zu weinen. Ohne einmal meine Mutter oder sie zu beachten, merkte ich, wie meine Gefühle hochstiegen und ich es nicht mehr unterdrücken konnte. Schnell begab ich mich raus und verließ das Krankenhaus. Anschließend fand ich Luke im Auto sitzen und stieg ebenfalls ein. Er fuhr sich über die Wange und ich wusste, dass er weinte. Mein Herz brach bei diesem Anblick und ich wollte ihm so gerne helfen, aber wir beide wussten gerade, dass etwas ungeklärten zwischen uns lag.

Ich zog ihn an mich und umarmte ihn fest. Dabei merkte ich, wie er schluchzte und es tat höllisch in mir weh.

,,Ganz ruhig...", beruhigte ich ihn,
,,Ich bin bei dir, Luke."

Angel Ine Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt