72 | „Höchstpersönlich."

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Wochen vergingen nach dem Tod von meinem Vater. Sein Haus gehörte mir und ich zog auch dorthin, denn ich wollte Luke keine große Last mehr sein, sowie seiner Mutter. William und Alexia waren mit Mom zusammen in einem neuen Haus und lebten ihr Leben einfach weiter, als wäre nichts passiert. Kein Wunder – mein Vater sollte sie auch gar nicht interessieren. Nur das es meiner Mutter gut ging und sie sich verhielt, als hätte sie nicht ihre erste Liebe verloren, brachte mich zum Nachdenken.
Was wenn sie sich nie geliebt haben?
Was wenn ich nur ein Fehler war?

Seit dem Prozess ging ich nicht zur Schule, doch besuchte mich Luke jeden einzelnen Tag nach der Schule um mir beizustehen. Eigentlich wollte er auch nicht zur Schule gehen und die Idee mit dem Ausziehen fand er genau so beschissen, doch ich wollte nicht, dass er, wegen mir, sein ganzes Leben zur Hölle macht.
Er hat vieles besser verdient, als ich es tat. Und es immer noch tue.

Die Tür klingelte und ich bewegte mich mit meiner Jogginghose zur dieser um sie zu öffnen. Luke stand da mit einer riesen Tüte. Ich machte ihm Platz und schloss die Tür, nachdem er reinkam und zur Küche ging. Er stellte die Tüte ab und sah mich an, während er seine Arme breit öffnete. Schwach lächelnd bewegte ich mich zu ihm und genoss seine Umarmung. Luke tat mir einfach so gut und ich konnte es nicht genug sagen. Er stand mir bei, bei meinen schlechten Tagen, Wochen und vielleicht sogar Monaten.

Ich fühlte seine Hand meinen Kopf streicheln und dann löste er sich wieder, ehe er mir in die Augen schaute.

,,Du bist so wunderbar.", kommentierte er benommen, doch ich schüttelte meinen Kopf, während ich meine Augenbrauen zusammen zog. Schnell nahm ich die Tüte und wühlte hinein.

,,Was hast du geholt?", fragte ich und holte die Dinge raus.

,,Deine Lieblingsschokolade. Ah und, ein wenig Liebe.", antwortete er, als er seine Arme um meine Taille schlang und mir eine Umarmung von hinten schenkte. Ich holte aber nur die Lebensmittel raus, die Luke mitbrachte und er löste sich auch langsam wieder.

,,Ich habe keine Lust auf Süßes.", gestand ich, doch Luke seufzte nur.

,,Ann", fing er an und blickte mich verzweifelt an,
,,Lyve vermisst dich. Meine Mom vermisst dich. Ich vermisse dich. Ich vermisse die alte Angeline, die mit mir alles tat."

Ich setzte den Blick nur auf den Boden, während er weiter sprach.

,,Ich werde bei dir sein. Für immer."

Seine Worte berührten mich so sehr, dass ich dachte gleich auf den Boden zu sacken und wieder eine Heulattacke zu kriegen.

Ich liebte ihn zu sehr. Und genau das tat am meisten weh. Den bestimmten Menschen vor dir musstest du eigentlich nicht anlügen, denn er wusste genau, was in dir vorging. Die Art, wie er mit dir umging war wichtig. Sehr wichtig. Doch, um ihn retten zu können, müsstest du dich selbst retten.
Und genau das. . Schaffte ich nicht. Hätte ich nie geschafft. Würde ich nie schaffen.

Luke wusste ja nicht, dass ich die Tabletten von meinem Vater nahm. Die Tabletten, die ich damals hier in der Küche fand.
Luke wusste nur einiges – nicht alles.

Ich nickte nur zur seiner Aussage und ließ es auch so dabei.

***
,,Du siehst schon besser gelaunt aus.", teilte er mir mit, als er mich zwang mit ihm in einem Park zu sein. Wir saßen uns auf die Wiese und redeten.

,,Ich habe die Zusage fürs College bekommen."

Auf Knopfdruck weiteten sich meine Augen, denn Luke wollte unbedingt auf ein College. Ich umarmte ihn sofort und löste mich dann wieder.

,,Das ist perfekt!", kommentierte ich und er lächelte.

Eins musste man mir lassen: Wenn ich traurig war, konnte ich das echt gut überspielen.

Mir war bewusst, dass ich Luke nicht mehr sehen würde, denn um das College zu gewinnen, bräuchte ich einen echt guten Notenschnitt und die Schule musste ich auch regelmäßig besuchen. Ich scheiterte in beidem. Doch, ich freute mich genauso für Luke, als hätte ich eine Zusage bekommen.

Luke's Lächeln verblasste und ich blickte ihn verwirrt an.

,,Ich versuche mich irgendwie zu freuen", gestand er ehrlich,
,,Wie soll ich mich dort konzentrieren, wenn ich nicht mit dir bin? Wenn ich andauernd an dich denken muss?"

Ich winkte ab, während ich meinen Kopf schüttelte.

,,Wieso solltest du an mich denken?"

Luke schenkte mir einen komplett verwirrten Blick.
,,Ich weiß nicht. Vielleicht weil ich dich liebe?"

Ich bekam Gänsehaut bei seiner Aussage und sah weg. Doch bevor er etwas weiteres machen konnte, näherte sich ein Mann zu uns.

Wir beide schauten den Mann an und versuchten herauszufinden, was für eine Art Hilfe er von uns sucht.

,,Bist du Luke? Luke.. Lyons?", fragte der Mann und ich sah Luke an, wie er versuchte den Mann zu erkennen.

,,Höchstpersönlich.", antwortete er grinsend, doch das Grinsen verblasste ihm sofort wieder, als er bemerkte, dass der Mann eigentlich sehr ernst war.

Genau wie Luke versuchte ich auch herauszufinden, was dieser wollte und wer er überhaupt war. Der Mann mit den braunen Augen fuhr sich mit einer Hand durch seinen halb rasierten Kopf und schaute danach wieder zu Luke. Er streckte seine Hand aus und mein Freund blickte auf die Hand.

,,Ich bin James. Dein. . Ehm.", er stoppte und nun verstand ich die Sache, doch Luke schien es nicht zu verstehen.

Der Mann versuchte sich gerade als Luke's Vater zu verkaufen. Luke ähnelte ihm auch, doch nicht so sehr. Beide hatten nur die selbe Haar- und Augenfarbe. Auch die Gesichtszüge waren identisch.

Schnell stand ich auf und beide Männer blickten mich verwirrt an.

,,L-Luke wir müssen gehen.", gab ich bekannt und nun stand er auf.

Ich wollte nicht, dass Luke verletzt wird. Wenn er erfährt, dass dieser Mann sein Vater war, dann würde er komplett ausrasten. Das war das letzte was ich im Moment wollte.

Luke stoppte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen und wendete sich wieder zu dem Mann.

,,Also, wer sind Sie?"

Der Mann atmete tief ein und wagte es den schlimmsten Worten freien Lauf zu lassen.

,,Luke, ich bin dein Vater. A-Also, nehme ich an."

Angel Ine Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt