Epilog

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Seitdem Vorfall mit Alexia wechselte ich kein richtiges Wort mit Luke, denn er wirkte eher wütend, also, versuchte ich es nicht einmal. Doch, was ich gar nicht verstand war, dass er andauernd versuchte sich mir zu nähern, obwohl er doch wütend schien. Der Junge wollte mit mir sprechen, wie damals, als wir uns neu kennengelernt hatten. Doch, ich ließ es nicht zu. Stattdessen trafen mich erneut meine unkontrollierbaren Wut- und Angstanfälle. Die unzähligen Panikattacken und das plötzliche dumme Handeln von mir. Luke wollte mit mir reden und versuchen mir zu helfen, doch ich bestätigte ihm nur, dass ich mich auf jeden Fall umbringen würde. Früher oder später, heute oder morgen würde es eh passieren.
Und es traf ihn sehr.
Obwohl ich Luke erst vor kurzem kennengelernt hatte, bindete ich mich sehr an ihm, sodass ich schon all seine Blicke auswendig kannte. Die Mimik, die einzelnen Gesichtszüge, wenn ihm etwas nicht passte. Die Art, wie er versuchte ruhig zu handeln, obwohl er im Moment ausrasten konnte. Doch, als er diesen einen Satz von mir hörte, konnte ich seinen Blick nicht identifizieren. Es war ein ganz anderer Blick.
Ein Blick, der mir rein gar nichts verriet.
Es machte mir Angst.

„Wir gehen frische Luft schnappen, Okay?", bot Luke an und ich setzte einen benommen Blick auf ihn.

„Mit wem hast du telefoniert?", fragte ich ruhig, doch er zuckte nur mit den Schultern.

„C-Caleb. Mit wem sonst?"

Langsam grinste ich leicht und schaute ihm intensiv in die Augen, während ich mit meinen Händen auf meinem Schoß spielte.

„Keine Ahnung. Du magst es doch so hinter meinem Rücken Dinge zu spielen.", entgegnete ich selbstsicher, doch er rollte nur seine Augen und näherte sich zu mir.

„Los steh auf, wir gehen."

Luke half mir hoch und ich wollte meine Tasche nehmen, doch dann stoppte er mich.

„Du brauchst deine Sachen nicht. W-Wir holen nur kurz frische Luft."

Leicht verwirrt ließ ich die Tasche fallen und folgte ihm zur Tür. Er hatte die Hausschlüssel und bot mir an, als erstes ins Auto zu steigen, während er die Tür abschloss. Ohne ein Wort zu sagen, tat ich was er sagte und setzte mich ins Auto. Langsam wurde ich nervös, doch versuchte es mir nicht anmerken zu lassen indem ich nur mit meinen Nägel spielte bis Luke kam. Er setzte sich ins Auto und holte tief Luft, während er das Auto startete. Ich warf nur einen kurzen Blick auf ihn und sah dann aus dem Fenster, während sich die kühle Luft gegen mein Gesicht presste.

Ich wollte mir keinen Kopf draus machen, denn ich vertraute Luke sehr. Auch wenn es mir manchmal schlecht ging, wollte ich nicht gemein sein gegenüber ihn. Es war immer so, als würde mich jemand anderes kontrollieren. Als hätte ich die komplette Kontrolle über mich selbst verloren.
Vielleicht war das auch so.
Vielleicht auch nicht.
In diesen Zeiten wusste ich gar nicht mehr, was Sache war.

Luke holte mich aus meinen Gedanken, als er schon mit Parken fertig war.

,,Wollen wir gehen?", wollte er sich sicher gehen und ich nickte leicht. Als ich ausgestiegen war, schloss er die Tür und legte dann einen Arm um meine Schulter.

„Weißt du noch, als ich dich fast überfahren hätte?", fing er leicht schmunzelnd an und ich kicherte.

„Natürlich."

„Tut mir übrigens leid dafür."

Ich lächelte und hielt seine Hand fest.
„Brauchst du nicht. Sonst hätte ich dich nie kennengelernt."

Plötzlich verblasste ihm das Lächeln und er lief langsamer.

„Angel. ."

Die erneute Gänsehaut überkam mir bei dieser Bezeichnung und wahrscheinlich strahlten meine Augen viel heller, weil ich in dem Moment über glücklich war.

Luke hielt beider meiner Hände und sah mir tief in die Augen.

„Ich will, dass du weißt, dass ich immer das Beste für dich will. Auch wenn es zuerst falsch scheint."

Ebenfalls unterließ ich das Lächeln und blickte ihn verwirrt an.

„Was soll das jetzt?", fragte ich nervös.
Mein Herz schlug wie wild und das Blut sauste in meinen Ohren.

Was hatte er vor?

Ich wünschte diese Frage früher gestellt zu haben.

Ich folgte seinen Blick, der hinter mir haftete. Langsam drehte ich mich um und schaute auf das riesen Gebäude, welches ich damals von meiner Oma kannte. Das Gebäude, welches eine neue Tür in meinem Leben öffnete, neue Gedanken in meinem Kopf springen ließ.
Die Nervenklinik.

Vor der Klinik standen drei Männer mit Kittel, die viel kräftiger aussahen. Ängstlich drehte ich mich wieder zu Luke, der mich traurig an sah. Sein Blick zeigte Trauer, aber auch irgendwie Erleichterung. Meiner hingegen nur Wut und Enttäuschung.

Der Junge nickte den Männern zu und auf Knopfdruck füllten sich meine Augen mit Tränen.

Der Junge, dem ich mein ganzes Leben in die Hand drückte, drückte mir gerade freiwillig das Messer in die Hand.
Er ließ mich stehen.
Er verließ mich.
Er verarschte mich.

Erneut wurde ich vom Leben verarscht.
Erneut passierte das ganze.
Ich hasste mich selbst.
Ich hasste das alles hier.

Sanft wurde ich am Arm angefasst von den Männern und ich konnte es nicht verhindern. So eine Art Zeitlupe entstand, als ich in das Gesicht meiner ersten großen Liebe schaute.

In die Augen der Liebe,
In die Augen des Jungen.
In die Augen von Luke.

Langsam wurde ich nach hinten gezogen, ins Gebäude, doch ich ließ Luke und seinen traurigen Blick nicht aus den Augen. Es kullerte eine Träne seine Wange herunter und plötzlich überkam mir wieder diese Wut. Ich fing an zu schreien und ich fragte ihn, wieso er weinte.

„Wieso weinst du?!"

Die Männer zogen fester an mir und schleppten mich schon fast in die Klinik.

„Du hast mich angelogen! Du verlässt mich auch! Du hattest es mir versprochen!"

Mit all meiner Kraft versuchte ich mich zu befreien, doch erneut war ich nicht stark genug. Meine Augen trafen nicht mehr seine und es fühlte sich schrecklich an. Meine Füße bewegten sich nicht, sondern wurden einfach mitgeschliffen.

Ich schloss meine Augen und ließ mich fallen.

Erneut versagte ich im Leben, welches ich nicht mehr meins nennen konnte.
Es war ein Disaster.
Ich war ein Disaster.

Unter all diesen Gedanken, die man nicht wegblenden kann, weil man dachte nun befreit zu sein, wenn jemand an einer Seite stand, waren falsch. Die kleinen Funken Hoffnungen, die man hat, weil man für eine kurze Zeit das Gefühl hatte wirklich zu atmen, waren nutzlos. Das nicht Aufgeben und weiter Kämpfen, weil man denkt es zu schaffen, wie niemand anderes, löste sich nun komplett auf.
Den Menschen, den man zum ersten Mal vertraut und denkt für einen immer da zu sein, werden auch irgendwann gehen.
Man wird verlassen.
Immer wieder.
Man findet keinen Ausweg
Und leidet.

Doch, mir hatte man nicht gesagt, dass sogar die Menschen, die dich lieben ihre Versprechen brechen können.

Denn das Leben betrügt einen –
Auch wenn man es nicht verdient hat.

Man sieht es ein
Und gibt letztendlich auf.

Ich gab auf.

ENDE

Angel Ine Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt