10|| new neighbors

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„Ich hab grade eine Nachricht von Jacob bekommen. Er fährt übers Wochenende in die Hamptons mit ein paar Freunden. Wenn du willst kannst du auch mit, dann musst du nicht alleine Zuhause sitzen.", sagt Noah und räuspert sich.
„Ich überleg' es mir.", sage ich, schalte ihn auf Laut und greife zu meiner Creme.

„Was machst du grad?", fragt er plötzlich.
„Wellness. Keine Ahnung. Ich hab mit Mom telefoniert und sie meinte ich solle mir keine Sorgen machen. Dad hat gesagt ich soll wie immer weiter machen, was dezent merkwürdig ist, wenn man bedenkt dass meine Eltern im Krankenhaus liegen. Ich fühl mich ein bisschen ignorant.", antworte ich und wickle meine Haare aus dem Handtuch.

„Aber du bist ständig bei ihnen. Wann warst du das letzte Mal da?" „vor einer halben Stunde."
Noah seufzt. „Und wann hast du vor wieder hinzugehen?" „Heute Abend.", ich verdrehe die Augen, weil ich genau weiß, was er sagen will.
„Deine Eltern haben gesagt du sollst dir keine Sorgen machen."
„Noah, ich muss das Haus in Schuss halten und gucken dass hier niemand einbricht. Außerdem existiert Minerva auch noch.", ich werfe einen fürsorglichen Blick zu der alten, weißen Katze, die trotz ihrer 15 Jahre noch ziemlich sportlich unterwegs ist.

„Vee. Frag' deine Eltern und dann komm mit." „Woher willst du wissen, dass sie ja sagen?"
Noah seufzt schon wieder und ich streiche Minerva über das weiche Fell.
„Wenn du so weiter machst erlebst du nie was und wenn du 80 bist lebst du in einer ein- Zimmer- Wohnung mit 63 Katzen."
Ich starre mich selbst im Spiegel an und verziehe das Gesicht.

„Erstens: Na und?! Katzen sind bessere Zeitgenossen als Jungs und zweitens: das wird eh nicht passieren. Wenn dann habe ich 64 Katzen, klar?"
Noah lacht und es knistert in der Leitung.
„Was tust du?", frage ich und ich höre wie jemand: „Noah jetzt leg das Handy weg!", zischt.
„ich gucke mit meinen Eltern einen Film und sie motzen alle zwei Sekunden weil ich rede oder mit der Chipstüte knistere.", antwortet er und ich kann seinen Gesichtsausdruck vor meinem inneren Auge sehen.

„Noah, ich gehe vielleicht nächste Woche, okay?"
„Na gut. Es gehen dieses Wochenende auch nicht alle, also ist es eh gar nicht soo geil, wobei es eigentlich immer geil ist.", ich lächle.

„Wir sehen uns übermorgen in der Schule."

-

Ich sehe zu meinem Bild herüber und stehe vom Bett auf.
Ich habe I like me better schon wieder rauf und runter gehört.
Es erinnert mich an Kaugummi und die Busfahrt, die Straßen, die ich mit meinem Fahrrad rauf und rubter gefahren bin und- zugegeben- auch an Samuels Lächeln, als wir uns im Supermarkt getroffen haben.

Mein Bild zeigt schon den kleinen Jungen mit den braunen Augen und Haaren und den Pausbäckchen.
Er trägt eine dunkelblau getönte, runde Sonnenbrille und grinst, als wäre er ein kleiner, vierjähriger Playboy mit einer 10.000€ Sonnenbrille.

Leo umfasst den Zeigefinger einer Person, von der man nur die große Hand erkennen kann.
Wessen Hand es ist, weiß ich nicht, aber vielleicht wird es sich ergeben.
Unser Kunstlehrer besteht darauf, dass wir unsere Bilder benennen, also werd' ich mir mal wieder etwas unkreatives ausdenken.

Ich schalte Born this way von Lady Gaga an und tanze durch mein relativ großes Zimmer. Meine offenen Haare sind noch ein wenig feucht und ich trage nur ein Top und sweatpants.
Der Song wechselt zu Gives you hell von The All- American Rejects- das perfekte Beispiel für meinen ziemlich merkwürdigen Musikgeschmack.

Grinsend lasse ich mich auf mein Bett fallen und gucke aus meinem riesigen Fenster, dass sich in einer Höhe von einem Meter 20 fast die ganze Wand entlang zieht, aber in der Ecke noch Platz für meinen Kleiderschrank lässt.

love lettersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt