30|| outings and runaways

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Nach einem langen Morgen in der Schule und nach gefühlt 163 Aufklärungen über Samuels und meinen Beziehungsstand und dann 163 „Schade"s laufe ich gemeinsam mit Lory durch den menschenleeren Flur im Naturwissenschaftstrakt.

Wir hatten erst Biologie und dann Chemie und es war auf nicht auf eine physische, sondern psychische Weise unglaublich anstrengen.
Zu viele Informationen, zu viele Fachbegriffe, zu viele Reaktionsgleichungen, die ich nie in meinem Leben verstehen werden.

„Ich bin so fertig von Chemie.", seufzt Lory. Ich nicke und muss dann lachen. „Ich weiß noch nicht mal warum."
„Dito."
Nach einer kurzen Pause dreht Lory sich zu mir und sagt: „Vee. Ich muss dir etwas sagen. Es ist wichtig und ich möchte, dass du mir wirklich zuhörst und mich nicht verurteilst... ich meine... nicht dass ich damit rechne, aber nur zur Absicherung."
Ich nicke langsam und Lory holt tief Luft.
„Ich stehe auf Mädchen. Ich bin lesbisch."

Lory blickt mich erwartungsvoll an und ich kann nicht anders als zu grinsen. „Und?"
„Was und?? Hast du nichts zu sagen?"
Ich schüttele den Kopf. „Mir ist es egal ob du auf Jungen oder Mädchen stehst. Mir ist nur wichtig, dass es dir gut geht. Egal welchen Glauben du hast oder auf wen du stehst- Hauptsache wir sind Freundinnen."

Lory sieht mich verblüfft an, als hätte sie mit einer stärkeren Reaktion gerechnet und zuckt dann mit spielerisch vorgeschobener Unterlippe mit den Schultern. „Okay. Dann wär' das ja geklärt."
„Weiß Eugene es schon? Er wird ausrasten.", lache ich und Lory schüttelt grinsend den Kopf. „Bis jetzt wissen es nur meine Mom und du. Ich werde es ihm als nächstes erzählen. Und dann Phoebe."
„Phoebe. Aha.", sage ich anerkennend und kassiere einen vorwurfsvollen, aber irgendwie verlegenen Seitenblick von meiner besten Freundin.

Wir gehen stumm grinsend nebeneinander weiter den Flur entlang, durch die Eingangshalle und dann über den Parkplatz zu Lewis' Auto. Auf dem Weg läuft uns plötzlich eine breit grinsende Giulia entgegen.
Sie umarmt mich stürmisch und redet sofort drauf los: „Vee, meine Familie und ich ziehen nach Los Angeles!", quiekt sie und hüpft hysterisch auf und ab.
Ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen soll.
Einerseits war es immer Giulias allergrößter Wunsch nach LA zu gehen und dort eine Karriere als professionelle Hip Hop Tänzerin anzufangen, aber andererseits ist Giulia meine beste Freundin- zwar streiten wir uns, aber sie jetzt gehen zu lassen zerreißt mich innerlich.

„Oh... mein Gott.", presse ich hervor und plötzlich hört Giulia auf zu springen.
„Ich weiß.", sagt sie wie aus dem Nichts und das Lächeln auf ihrem Gesicht ist wie weggepustet.
Ich sehe sie traurig an, muss dann aber wieder lächeln, wenn ich daran denke, wie sie irgendwann in YouTube Videos mit richtigen Tänzern an einer professionellen Tanzschule auftreten wird.

„Es tut mir so leid.", Giulia umarmt mich wieder, aber diesmal bebt ihr Körper. Als wir uns voneinander lösen atmet sie zitternd ein und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Nicht heulen, sonst verwischst du deinen Eyeliner. Der ist Heute mal wieder besonders perfekt.", merke ich schniefend, aber lächelnd an.
Giulia hat schon immer dicken, geschwungenen, schwarzen Eyeliner getragen. Es war genauso Giulia wie ihre drei Ohrlöcher an jeden Ohrläppchen, oder ihre Netzstrumpfhosen, die sie unter ihren Skinnyjeans mit den Löchern an den Knien getragen hat.

„Ich bin so glücklich und traurig gleichzeitig.", lacht und schluchzt sie gleichzeitig.
„Ich freue mich so sehr für dich. Wurdest du an dieser krassen Schule angenommen auf die du immer wolltest, oder wie kommt's dass du plötzlich den Staat verlässt?", frage ich.
Giulia grinst wieder breit. „Ich wurde an der Tanzschule aufgenommen."
Wir quietschen beide laut.

„Was gibt's zu feiern?", fragt eine vertraute Stimme hinter mir. „Giulia geht auf die School of Dance and Music of LA!", rufe ich und drehe mich zu Samuel um, der ein zufriedenes Grinsen aufgesetzt hat.
„Herzlichen Glückwunsch, Giulia.", dann sieht er bedrückt auf den Boden und erst dann realisiere ich, dass es Samuel genauso geht wie mir.
Emilio wird seine Schwester und seine Eltern natürlich begleiten und somit verliert Samuel einen seiner besten Freunde.

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