17. Lass mich in Ruhe!

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Kaum war das letzte Fünkchen verglüht, flog die Tür auf und Hermine riss Draco ungestüm um und sie fielen lachend hinterrücks auf sein Bett. „Was machst du denn schon hier?" fragte er, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. Hermine grinste. „Meine Eltern hatten ein Einsehen, dass ich unmöglich länger Zuhause sitzen kann, während du dich hier langweilst."
Lachend wälzten sie sich auf der Matratze und gingen kurz darauf ihrer Lieblingsbeschäftigung nach.

An diesem Abend huschte eine anmutige Gestalt durch die Eingangspforte der Schule und steuerte zielstrebig die privaten Gemächer des Zaubertranklehrers an. Kaum war das Klopfen verklungen, öffnete sich bereits die Tür. „Narcissa!" begrüßte Snape seinen Besuch mit einem Kopfnicken. „Du musst mir helfen." Mit besorgter Miene begann sie zu erzählen. Als sie zwei Stunden später die Schule verließ, war sie sich sicher, das Richtige getan zu haben.

Am zweiten Januarwochenende trudelten nach und nach sämtliche Schüler wieder ein und Hogwarts füllte sich mit Leben. Großes Thema war jetzt wieder die Quidditch-Hausmeisterschaft und Draco hatte als Kapitän der Slytherin - Mannschaft alle Hände voll zu tun. Obwohl Hermine sich bis vor kurzem so gut wie gar nicht für diesen Sport interessiert hatte, ließ sie sich von Dracos Begeisterung anstecken und begleitete ihn, so oft es ging, zum Training. Da außer Luna immer noch niemand aus ihrer alten Clique mit ihr sprach, war es auch eine willkommene Abwechslung zum ständigen Lesen.

An den Anblick der beiden hatte sich sonst mittlerweile alle gewöhnt; niemand nahm mehr Anstoß daran, wenn sie Händchen haltend durch die Schule liefen - bis auf wenige Ausnahmen: Harry, Ron und Ginny ignorierten sie erfolgreich, und Pansy erdolchte sie mit Blicken, wann immer sie ihr über den Weg liefen.

Ende Februar aber passte Ginny Hermine auf dem Weg zur Bibliothek ab. „Mine, wart mal. Ich muss dir dringend was erzählen." Flehend blickte sie ihre ehemalige Freundin an. Unsicher blieb die Schulsprecherin stehen. „Was denn?" fragte sie, blieb aber misstrauisch. Ginny fixierte verlegen einen imaginären Fleck auf der Wand hinter Hermine, ehe sie tief Luft holte und sprach. „Ich hab grad gehört, dass Draco heiraten wird im Sommer." Hermine erstarrte.

„Wenn du mich aufgehalten hast, um mir Lügenmärchen über ihn zu erzählen, muss ich dich leider enttäuschen. Ich glaub dir nämlich kein Wort." Mittlerweile waren auch Ron und Harry hinzugetreten und verfolgten das Gespräch. „Molly war am Wochenende bei Madam Malkins." versuchte Harry, seine Freundin zu unterstützen. „Ja, und?" Hermine war kurz davor, Gift und Galle zu spucken. „ Sie traf dabei Pansy, in Begleitung ihrer Mutter und Mrs. Malfoy." druckste er herum. „ Sie hatten Pansy bei der Auswahl ihres Hochzeitskleides beraten."

Tödliche Stille breitete sich zwischen den vieren aus. Hermines Augen wanderten Blitze schleudernd von einem zum andren, ihre Haut hatte einen unnatürlich bleichen Farbton angenommen. Wortlos schubste sie dann Ron grob beiseite und ging, mühsam um Fassung ringend, davon.

Pansy? Brautkleid? Narcissa berät sie?
Nur langsam begriff ihr Verstand, was ihr Herz längst realisiert hatte: Draco würde Pansy heiraten. Benommen stolperte sie durch die Gänge, rempelte Mitschüler an und hörte ununterbrochen Harrys Worte. „Mrs. Malfoy hat Pansy beraten."

Irgendwann mitten in der Nacht fand sie sich in ihrem Bett wieder. Wie sie in die Schulsprecherräume gekommen, wo sie vorher gewesen war, wusste sie nicht mehr. Umso klarer hatte sie Draco's verständnislosen Blick vor Augen, nachdem sie die Kette samt Anhänger vor ihm auf dem Boden geworfen hatte mit der Aufforderung, es einzuschmelzen und zwei Schlangen daraus machen zu lassen; es würde schließlich besser passen. Nun lag sie hier, beide Türen soweit magisch verriegelt, wie ihr benebelter Kopf es gerade noch schaffte. Um seine Rufe und Bitten, überhaupt seine Stimme nicht mehr hören zu müssen, hatte sie noch einen Schallschutz über den Raum gelegt. Eingehüllt in diesen Kokon aus absoluter Stille rief ihr Körper nun den Notstand aus und verfrachtete Hermine in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

Fluchend stand Draco vor Hermines Tür. Eine viertel Stunde lang hatte er gefleht und gebettelt, sie möge ihm doch bitte aufmachen, ohne Erfolg. Er wusste nicht, was in sie gefahren war, als sie wie ein Zombie zur Tür herein kam, auf ihr Zimmer zuhielt und von jetzt auf gleich zur Furie mutierte, als er sie ansprach. Traurig blickte er auf die zerrissene Kette in seiner Hand, an der kläglich der Anhänger baumelte. Er ging in sein Zimmer, legte das Schmuckstück auf seinen Nachttisch und zog Decke und Kissen von seinem Bett. Damit marschierte er zurück, schob die Couch vor Hermines Tür und legte sich darauf schlafen. Düstere Träume waren in dieser Nacht seine Begleiter...

Dröhnende Kopfschmerzen weckten Hermine am nächsten Morgen in der Dämmerung. Orientierungslos lag sie einen Moment da und fragte sich, warum sie nicht bei Draco schlief - bis die Erinnerung an den Grund dafür sie mit einem Hammerschlag traf. Aufschluchzend warf sie sich herum, zog das Kissen über den Kopf und schlief irgendwann erschöpft vom Weinen wieder ein.
Irgendwann gegen Mittag schlug sie das nächste Mal die Augen auf. Zu dem Presslufthammer und der Eisenzwinge in ihrer Brust hatte sich jetzt noch ein knurrender Magen gesellt. Lethargisch stand Hermine auf und zog sich an. Sie wollte schnell zu Poppy huschen, sich etwas gegen die Kopfschmerzen geben und krankschreiben lassen. Essen würde sie irgendwann, wenn sie sicher sein konnte, dass Draco nicht in der Nähe war. Dann würde sie sich etwas aus der Küche herauf zaubern lassen.
Doch sie kam nicht weit: kaum hatte sie die Tür geöffnet, schmiss sie sie auch wieder zu, weil sie genau in zwei schmerzerfüllte, übernächtigte stahlgraue Augen geblickt hatte.

„Hermine!" Draco warf sich gegen die sich wieder schließende Tür und versuchte, einen Fuß hinein zu bekommen, doch er war zu langsam. Frustriert trat er gegen das Holz und ließ sich zurück auf das Sofa sinken.
Die Nacht war hart gewesen; alle Nase lang war er aufgewacht, schweißgebadet von den Visionen, die er im Schlaf gehabt hatte. Allesamt endeten damit, dass er Hermine verlor. Er hatte seit den frühen Morgenstunden wartend vor der Tür gesessen, und als sie diese dann endlich öffnete, war er nicht in die Gänge gekommen, so erschrocken war er über die Ringe unter ihren Augen gewesen und dem Schmerz in ihrem Gesicht. Draco presste die Hände gegen seine Augen, um die Tränen zu unterdrücken, die aufsteigen wollten. Schließlich sah er ein, dass Hermine ihn wohl die nächste Zeit nicht würde sehen und ihm aus dem Weg gehen wollte. Er schob das Sofa zurück und ging lustlos zum Mittagessen. Im Laufe des Tages konnte er anhand der Gerüchte, die über ihn, Hermine und Pansy im Umlauf waren, eins und eins zusammenzählen.
Damit schwand für ihn jede Hoffnung, Hermine bald wieder in seine Arme schließen zu können.

In den folgenden Wochen ging Hermine Draco aus dem Weg, wo immer sie nur konnte. Sie aß auf ihrem Zimmer und verschanzte sich dort, wenn nicht gerade Unterricht war. Einmal am Tag stattete sie der Bibliothek einen Besuch ab, schnappte sich neue Bücher und ward nicht mehr gesehen. Irgendwann sprach Professor McGonnagal ein Machtwort. Sie besuchte Hermine in ihrem Zimmer - wobei sie mühelos jeden Sperrzauber durchbrach - und versuchte, mit ihr zu reden. Allerdings hatte sie keinen Erfolg, Hermine schwieg sich aus. Seufzend hatte die Direktorin sie unmissverständlich dazu aufgefordert, zu den Mahlzeiten wieder in der großen Halle zu erscheinen. Nur mit äußerstem Widerwillen kam Hermine diesem stillen Befehl nach, richtete es aber so ein, dass sie grundsätzlich entweder vor Draco aß - was morgens gut zu bewerkstelligen war - oder, nachdem er die Halle verlassen hatte. Und da sie so gut wie gar nichts zu sich nahm, war sie innerhalb kürzester Zeit wieder verschwunden.
Begegnete sie Draco, stellte sie die Ohren auf Durchzug und ließ ihn stehen. Briefe von ihm ließ sie ungeöffnet liegen, wo er sie deponiert hatte für sie.
Besorgt berieten sich Ron, Harry und Ginny; auch Luna, Neville und einige andere, vor allem Löwen, machten sich Sorgen um ihre Schulsprecherin .Hermine war mittlerweile nur noch ein Schatten ihrer selbst. Doch was sie tun sollten, wussten sie nicht.

Auch Blaise machte sich ernsthafte Gedanken über seinen besten Freund. Nachdem dessen Bemühungen, Hermine den Sachverhalt erklären zu wollen, jedes mal kläglich gescheitert waren, hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, abends nach Hogsmeade zu ziehen und dort kräftig dem Feuerwhiskey zuzusprechen.
Im Gegensatz zu Hermines Freunden packte er jedoch den Stier bei den Hörnern und wandte sich an den einzigen Mensch, von dem er glaubte, dass er Draco helfen könne.
Als der Slytherin Snapes Büro wieder verließ, war er zwar um einiges schlauer, aber der Lösung kein Stück näher gekommen. Einer inneren Eingebung folgend schlug Blaise den Weg zur Bibliothek ein und verbrachte dort, mit Unterbrechungen, einige Tage, bis er fand, wonach er gesucht hatte. Bestückt mit einem uralten Buch setzte er sich an einen der Tische und begann, den Wälzer zu studieren.

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