24. Zwischenbilanzen

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"MAN!, Wo sind meine Unterlagen, die ich hier hingelegt habe?" Aufgebracht durchwühlte Draco sein Zimmer, auf der Suche nach seinen Notizen, die er sich zu den Fächern gemacht hatte. Dort standen alle Themen drin, in denen er noch seine Probleme hatte und die er noch mal in der Bibliothek nachlesen wollte.

Neugierig kam Hermine aus dem Bad und schaute dem Treiben eine Weile lang zu, ließ den Blick durch sein Zimmer schweifen. Dann grinste sie, hob mit dem nackten Zeh eines seiner Kleidungsstücke hoch, die am Abend zuvor unter einem kleinen Hurrikan zum Opfer gefallen waren und meinte unschuldig: „Nimm die hier so lange!" Als er sich bückte, um die Papiere aufzuheben, gab sie ihm einen Schubs, das er den langen Weg ins Bett fiel, und setzte sich rittlings auf ihn, seine Arme nach oben auf das Bett gepresst.

„Biest!" lachte er, als sie ihn nach einem langen Kuss wieder freigab. „Du bist viel zu verbissen geworden." erklärte Hermine ihre Tat, was Draco in schallendes Gelächter ausbrechen ließ. „Das sagst DU mir?" Hermine fiel neben ihm auf das Bett und musste mitlachen. Das war tatsächlich eine mehr als merkwürdige Aussage einer Hermine Granger gewesen. Beide lagen auf der Seite, jeder auf einen Arm gestützt. Zärtlich fuhr Draco die Konturen ihres Gesichts nach, als sie sich wieder beruhigt hatten. Sie waren darüber übereingekommen, dass sie alles, was gesagt werden musste zum Thema Hochzeit mit Pansy, gesagt war.

Nun lagen oder saßen sie oft neben einander, sahen sich nur an und versuchten, den Augenblick fest zuhalten, sich jedes Detail des anderen einzuprägen. Die Prüfungen waren in vollem Gange, ihre Tage waren gezählt, und sie wussten immer noch nicht, was danach kommen würde. Sie kapselten sich immer mehr ab, um alleine zu sein.

Ginny hatte ihre liebe Mühe gehabt, Hermine von Draco loszueisen, um mit ihr ein Kleid für den Ball kaufen zu gehen. „Du kannst ja schlecht wieder als Madame Shira gehen!, oder? Willst du dich nicht für ihn hübsch machen?" hatte sie resolut gefragt. Dem hatte die Schulsprecherin nichts entgegenzusetzen.

Natürlich wollte sie schön sein, für ihn. Einmal, nur ein einziges Mal...
Sie versprachen sich nichts, redeten nicht über danach,wollten es auf sich zukommen lassen, jeder mit einem kleinen Fünkchen Hoffnung, das alles doch noch gut wird, ohne selbige bei dem anderen schüren zu wollen. Es war ihnen inzwischen auch herzlich egal, ob man sie zusammen sah oder nicht; im Gegenteil, sie wollten jede Sekunde nutzen, die ihnen noch blieb, und sie nicht mit einem albernen Versteckspiel vergeuden.

„Das werd ich vermissen..." sagte Draco mit belegter Stimme und rückte näher an sie heran. Hermine kuschelte sich in seine Armbeuge; die Traurigkeit schnürte ihr wieder die Kehle zu, legte sich wie ein Eisenring um ihr Herz. „Bereust du das Jahr?" fragte er leise, und sie schüttelte heftig den Kopf. „Nicht einen Moment, Draco!" flüsterte sie. „Selbst, wenn ich das alles vorher gewusst hätte, würde ich es nicht missen wollen." Ihr versagte die Stimme. Zärtlich drückte er sie an sich. „Nein, ich auch nicht..." Heiße Tränen stiegen in Hermines Augen auf, und sie blinzelte ein paar Mal. Als es Zeit zum Abendessen war, lösten sie sich mit Bedauern aus ihrer Umarmung.

Zu Dracos Verärgerung stattete sein Vater der Schule einen Blitzbesuch ab. „Um zu schauen, wie er mit den Prüfungen vorankommt." Malfoy Junior schnaubte, als er das hörte; Lucius hatte sich all die Jahre einen Dreck darum geschert, wie es ihm in Hogwarts erging, solange Draco gute Noten mit nach Hause brachte. Das sein Vater wie Graf Dracula persönlich durch das Schloss wandelte, stieß ihm genauso sauer auf wie das Einschmeischeln , dass die McGonagall ihm gegenüber an den Tag legte.

Was ihn vor wenigen Monaten noch mit Stolz erfüllt hatte, widerte ihn heute an. Als sein Vater Pansy beiseite zog, warf er dieser über Lucius's Kopf hinweg einen warnenden Blick zu, doch sie verzog nur spöttisch die Schnute, hakte sich bei dem älteren Mann ein und unterhielt sich vertraulich mit ihm. Einzig Snape ließ sich von Malfoys Wohltätertaten nicht beeindrucken; als er mit Lucius aufeinander traf, hatten die zwei mal wieder einer ihrer üblichen bissigen Gespräche. Draco konnte zwar nicht hören, worum es ging, doch die Gesichter der beiden Männer sprachen Bände. Der junge Slytherin atmete erleichtert auf, als sein Vater endlich nach dem Mittagessen wieder abreiste, ohne einen Ton über ihn und Hermine verloren zu haben.

„Ich kann nicht länger zuschauen! Jetzt kommt Lucius schon kontrollieren, ob sein Sohn seine Forderungen einhält!" Unruhig drehte Minerva McGonagall im Schulleiterbüro ihre Runden. „Und was willst du machen? In wenigen Tagen sind sie aus der Schule." Böse funkelte Minerva Dumbledore an. „Das weiß ich, und hättest du mich nicht ausgebremst, wäre das Problem schon aus der Welt!" Schweigend beobachtete der alte Mann seine Kollegin eine Weile. „Am besten, ich löse es, ehe die zwei abgehen. Danach habe ich ja schließlich keinen Zugriff mehr auf sie." überlegte die Professorin und zuckte eine Sekunde später wie vom Blitz getroffen zusammen. „NEIN!" donnerte Albus aus seinem Rahmen heraus.

Die Direktorin sah ihn verwundert an. Sie hatte ihn bisher so gut wie noch nie laut werden hören, nicht einmal im größten Stress; die wenigsten Menschen wussten überhaupt, dass dieser sanfte Bariton einen anderen Ton anschlagen konnte außer leise und beherrscht. „Soweit ich mich erinnere, bin ICH jetzt für die Schule verantwortlich." wies sie ihn zurecht und stellte sich selbstbewusst hin. Dumbledore nickte grimmig. „Ja, das bist du wohl. Aber wenn du dich hierbei durchsetzt, werde ich mich woanders hinhängen lassen."

Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, verschwand er aus dem Bild. Die normalerweise recht ausgeglichene Direktorin hieb vor Zorn auf ihren Schreibtisch ein und stellte sich grübelnd ans Fenster.

In der Zwischenzeit wandelte Albus, ebenfalls nachdenklich, durch die Bilder des Schlosses. Seine Kollegin hatte ja Recht, das wusste er nur zu gut. Doch Dumbledore weigerte sich, auch nur ansatzweise die Hoffnung fahren zu lassen. Bis Jahresende hatten sie noch Zeit, und diese Zeit würden sie auch nutzen, ehe sie etwas taten, dass nur schlecht wieder rückgängig gemacht werden konnte.

Draco Malfoy war zwar zu seinen Lebzeiten nicht unbedingt sein Lieblingsschüler gewesen, doch Albus hatte bereits damals erkannt, dass der Junge nur unter Druck seines Vaters handelte. Seine Erziehung tat ihr Übriges, um aus einem eigentlich von der Veranlagung her nettem Jungen einen eingebildeten Schnösel zu machen. Dracos Bereitschaft, nun seine Überzeugungen zu leben und sich gegen seinen Vater zu stellen, bestätigte diese Vermutung nun.

Hermine war sowieso schon immer Albus' erklärter Liebling gewesen. Ihr glasklarer Verstand, ihr Ehrgeiz und ihr herzerfrischendes Gemüt hatten das goldene Trio öfter als einmal über so manche Klippe hinweg gebracht im Kampf gegen Voldemort. Der alte Mann hatte sich diebisch gefreut, als er sah, dass die beiden zusammen gefunden hatten. Sie förderten und forderten sich gegenseitig; jeder Blinde konnte erkennen, dass sie sich gut taten, in jeglicher Hinsicht.

Albus seufzte. Als Narcissa Malfoy auf ihn und Severus zutrat und um Hilfe bat, konnte keiner absehen, dass sich das als vergebliche Arbeit herausstellen würde. Jedes Mal, wenn Snape dachte, endlich gefunden zu haben, wonach er suchte, musste er feststellen, dass er mal wieder in die falsche Richtung gelaufen war. Mehr als einmal hatten die potenziellen Besitzer sich ihm zur Wehr gesetzt; Dumbledore wollte nicht wissen, mit welch rüden Methoden sein Tränkemeister sich die nötigen Informationen beschafft hatte. Er selber hatte zumindest auch einiges einstecken müssen, und Poppy hielt sich mittlerweile schon in Bereitschaft, um ihn mal wieder bei seiner Rückkehr zusammenzuflicken.

Es war zum Mäusemelken: so viele Personen hatten diesen Brief erhalten, und keiner wollte ihn gesehen haben, geschweige denn aufgehoben. Dumbledore konnte nur hoffen, dass einer der restlichen Todesser einen Fehler begangen hatte...

 Love againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt