2. Partner wider Willen, die Zweite

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Verdrossen schleppte Draco seinen Koffer über das Pflaster. Das erste Mal, dass er allein den Bahnhof Kings Cross betrat. Von seiner Mutter hatte er sich bereits verabschiedet und nun steuerte er das Abteil der Schulsprecher an. Natürlich hätte er sich den anderen Slytherins anschließen können, zumindest, bis der Zug abfuhr. Doch er konnte gut auf deren mitleidiges Getue verzichten.Draco  wollte den Abschluss unbedingt nachholen, um gute Noten  vorweisen zu können. Er wollte nicht seines Namens wegen angenommen werden, wenn er sich im Ministerium bewarb. Nicht, dass dieser noch wirklich Bedeutung hätte in der magischen Welt, aber der junge Mann wollte wenigstens für sich wissen, dass er sich nicht darauf verlassen hatte, wenn er denn einen guten Job bekommen würde.

Natürlich hatte sein Vater immer noch gute Beziehungen, und auch sein Patenonkel würde ihm sicherlich gerne helfen, wenn es darauf ankäme. Aber Draco wollte es alleine schaffen.
Nach dem Sturz des dunklen Lords hatte für die altehrwürdige Familie Malfoy eine bittere Zeit begonnen, in der sie beweisen musste, dass sie nicht wissentlich und freiwillig alles mitgemacht hatte, was sie getan hatte.  Narcissa als auch  ihr Sohn hatten alle erdenklichen Prozeduren mitmachen müssen, die nachweisen konnten, dass sie mehr Opfer als denn Täter gewesen waren.

Erniedrigende Prozeduren, die auch Veritaserum und Legilimens nicht ausschlossen. Schließlich konnten sie das Ministerium davon überzeugen, dass ihre Mitwirkung als Todesser nicht ihre freie Entscheidung gewesen war. Einzig Lucius wurden strenge Auflagen gemacht, um Askaban zu entgehen. Bei ihm waren sich die Zauberer nicht vollends sicher, doch in Ermangelung an Beweisen sprachen sie ihn weitgehenst frei.
Doch der Ruf der Familie hatte merklich Schaden genommen. Der Name Malfoy hatte seinen Schrecken verloren. Keine ehrfürchtigen Blicke mehr, keiner mehr, der vor ihnen im Staub kroch. Stattdessen hatten sie mit Misstrauen zu kämpfen. Man ging ihnen aus dem Weg, wo es nur ging.
Für Draco war dieses Jahr wichtig. Erstens war er aus der Schusslinie, bis vielleicht ein wenig Gras über die Sache gewachsen war. Zweitens konnte er auf die Weise sein anderes Ziel besser angehen, nämlich, den anderen beweisen, dass er durchaus anders konnte. Dass er nicht wie sein Vater war, zumindest nicht wirklich. Jetzt, da der Druck weg war, dem Namen der Familie gerecht werden zu müssen, könnte er eventuell wenigstens noch ein Jahr so etwas wie Kind sein, auch wenn er bereits volljährig war.

Beim Gedanken an seinen Vater schnaubte er, während er ins Abteil trat.
Er war der dritte Grund, wieder nach Hogwarts zu gehen. Der junge Mann hatte absolut keine Lust verspürt zuzugucken, wie sein Malfoy Senior in Selbstmitleid versank. Vom einstigen Stolz dieses Mannes war in letzter Zeit nichts mehr zu sehen gewesen. Er saß den lieben langen Tag im Kaminzimmer von Malfoy Manor, leerte eine Flasche Feuerwhiskey nach dem anderen und jammerte.
Draco zog Umhang und Schuhe aus und legte sich den langen Weg auf eine der Sitzbänke. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt ließ er sein Zuhause auch gedanklich hinter sich, während der Hogwarts-Express sich langsam in Bewegung setzte und dafür sorgte, dass er auch die räumliche Distanz zu seinen Eltern bekam.

„Schulsprecher gemeinsam mit der Granger!“ grübelte er. „Das kann ja heiter werden.
Wie kommt die McGonagall darauf, ausgerechnet uns beide zusammenzutun?“ Diese Frage stellte er sich bereits zum hundertsten Mal, seit er wusste, dass und mit wem er den Schulsprecherposten machen sollte. Abgesehen davon, dass er überhaupt Schulsprecher sein sollte. Er konnte sich denken, dass davon nicht nur das kleine Schlammblut nicht begeistert werden sollte.
„Die kleine Hexe!“ maßregelte er sich leise selber. Er wusste: wenn die anderen ihm glauben sollten, dass er aus einem andren Holz geschnitzt war als das, was er immer vorgegeben hatte zu sein, dann musste er sich solche Äußerungen abgewöhnen. Mal abgesehen davon, dass er den ganzen Quatsch eh nie geglaubt hatte, den sein Vater ihm immer eingeredet hatte.

Von wegen Muggel,Muggelstämmige Zauberer und Halbblüter wären weniger wert als Reinblüter.
Draco seufzte leise. Aber wenn man als Malfoy aufwuchs, tat man besser daran, die Familientraditionen und –ansichten zu verinnerlichen und zu leben. Alles andere war bis vor kurzem noch einem Selbstmordversuch gleichgekommen. Der Blonde schluckte bei dem Gedanken, was da noch auf ihn zukommen mochte.

Er war ein Ausgestoßener  und da konnte der Posten noch so hoch sein, den er jetzt inne hatte.
Ein leises Geräusch ließ Draco aufsehen. „Welche Schande!“entfuhr ihm, als er sah, wer gerade das Abteil betreten hatte, und verfluchte sich direkt. Konnte er sein blödes Maul denn nicht mal beim ersten Satz im Zaum halten? Macht der Gewohnheit waren ihm diese Worte entschlüpft. Er setzte sich gerade hin und versuchte, das eben Gesagte zu entschärfen.

„Jetzt muss ich mich ja doch benehmen – in Gegenwart einer Lady.“  Er hoffte, diesmal den richtigen Ton getroffen zu haben. Ihm war nicht entgangen, dass die Gryffindor sich versteift hatte, als er sie begrüßte. Der junge Mann erinnerte sich an das Versprechen, dass er seiner Mutter gegeben hatte: Sich Granger gegenüber höflich, respektvoll und nett zu verhalten.

Zähneknirschend hatte er zugesagt.
Als Antwort musste er sich mit einem Kopfnicken seiner Mitschülerin und einem „Malfoy!“ in seine Richtung begnügen.
Besagte Granger mühte sich gerade mit ihrem Koffer ab, und Draco kam nicht umhin zu bemerken, dass sogar aus der kleinen Miss-Know-Everything mittlerweile eine junge Frau geworden war. Interessiert ließ er seine Augen an deren Rückansicht herab gleiten und kam zu dem Schluss, dass das, was sich ihm bot, durchaus ansehnlich war.

Wenn der Rest dem auch entspricht, haben zumindest meine Augen nicht zu leiden die nächste Zeit.
Genau in diesem Augenblick hatte Hermine den Kampf mit dem Gepäck gewonnen, schnappte sich ein Buch, setzte sich und begann zu lesen. Er wand schnell den Blick ab.

Draco besah sich den Titel. „Die Nachtigall"
Er kannte das Buch und öffnete den Mund, um Hermine darauf anzusprechen, schloss ihn aber schnell wieder. Er hatte bereits erlebt, wie seine Mitschülerin reagieren konnte, wenn sie beim lesen gestört wurde. Und es waren niemand geringeres als ihre besten Freunde gewesen, die sich das getraut hatten. In Erinnerung auf die Art, wie Potter und das Wiesel von ihr beschimpft worden waren, beschloss Draco, dass er lieber nicht herausfinden wollte, was ihm dann blühen würde. Sie würden sich über kurz oder lang eh in die Haare kriegen, doch er verspürte gerade keine Lust, jetzt schon damit anzufangen.

Also kramte er ebenfalls ein Buch heraus, machte es sich bequem und versuchte, sich auf die Seiten zu konzentrieren, wobei sein Blick allerdings immer wieder über die Kante des Schmökers wanderte. Doch sein Gegenüber hatte scheinbar beschlossen, ihn mit Ignoranz zu strafen.
Irgendwann zuckte der junge Mann mit den Schultern und vertiefte sich doch in den Inhalt des Buches.

 Love againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt