Levi hatte noch nie wirklich seine Gefühle gezeigt. Alle Emotionen, die Menschen verspürten, hielt er in sich. Sein Blick war immer wachsam, stets eiskalt. Sein Mund verzog sich nie zu einem Lächeln. Er blieb immer ruhig, konnte die Situation gut abschätzen. Denn das machte bekanntlich Stärke aus. Der Hauptgefreite galt als stärkster Soldat der Menschheit.
Warum eigentlich?
"Hauptgefreiter Levi kann eine Horde Abnormer besiegen, ohne sich auch nur einen Kratzer zuzuziehen. Er allein zählt so viel, wie eine ganze Brigade von Soldaten."
So würde ihn das Volk beschreiben. Das war für Außenstehenden Stärke.
"Captain Levi ist soooo cool! Er hat so viele Titanen besiegt! Er kann alle retten!"
So erzählten die Kinder, die in ihrer eigenen erträumten Welten leben. Für sie war der Hauptgefreite ein Held. Und weil er eben so ein Held ist, ist er stark.
"Warum Levi stark ist? Für mich ist er unglaublich stark. Ich denke, das hat mit der Definition Stärke zu tun. Da es jeder Stärke anders sieht, gibt es mehrere Möglichkeiten diese Frage zu beantworten. Doch im Endeffekt ist es doch egal. Es ist ein Fakt, dass unser Levi stark ist und das kann nicht geändert werden."
So antwortete Hanji Zoe, eine Abteilungsführerin im Aufklärungstrupp und gleichzeitig einer der Menschen, der Levi sehr nahe steht.
. . .
"Und wie ich es selber sehe? Lass es mich erklären, Eren."
Levi kämmte dem schlafenden Jungen vorsichtig durchs braune Haar, während er leise sprach.
Er hatte nicht kommen sehen, dass Eren in seinem Zimmer einschlafen würde, doch es war geschehen. Er hätte ihn wecken sollen und in seinen Schlafsaal schicken sollen. Doch genau das tat er nicht. Es lag ihm etwas an ihm, an Eren, der sogenannten letzten Hoffnung der Menschheit. Und so ließ er den Jungen Teil haben an seinen Gefühlen. Die Gefühle, die er sonst in sich schlummern ließ. Er merkte selbst, wie er sich öffnete.
"Ich habe schon seit einiger Zeit akzeptiert, dass mich die Menschen als stark bezeichnen. Und daran ist auch gar nichts falsch. Jeder verdammte Mensch darf das glauben, was er für richtig hält. Sie sehen meine Erfolge in Kämpfen und bilden daraus ihr Urteil. Ich bin nur jemand starkes für sie, da ich gute Ergebnisse bringe. Würde ich einmal versagen, wäre es aber auch aus mit dieser Stellung. Ich bin für die Öffentlichkeit nur so lange gut, wie ich auch gut kämpfe. Ein Fehler und ich bin allen wieder vollkommen egal.
Aber weißt du was?
Wie die Menge mich sieht, ist egal. Sie zählt rein gar nichts. Was deutlich bedeutender ist, ist wie mich meine Kameraden sehen. Leute wie Erwin oder Hanji. Auch sie sehen mich als stark an. Mit ihren völlig alleinigen Begründungen. Ihre Gründe mich als stark anzusehen hat durchaus mehr Tiefe, als irgendwelche Spasten auf der Straße. Und ihre Argumente schätze ich sehr. Ich weiß, ich zeige es nie wirklich, aber was ich weiß ist, dass sie mich völlig verstehen. Die Beiden sind mir sehr wichtig. Ich sage das nun zum ersten Mal laut aus. Gott, es fühlt sich so komisch an. Doch letztendlich ist es auch gleichgültig, wie mich die Leute sehen, denen ich nahe stehe.
Ich glaube, du weißt, wohin ich hinaus will.
Genau.
Man muss selber sein Potenzial sehen. Ich muss selber erkennen, dass ich stark bin. Und das tue ich auch. Es gibt Momente, die lassen einen schwach zurück. Man selbst sollte dafür sorgen, dass man wieder aufsteht. Natürlich ist es einfacher, wenn es welche gibt, die einem dabei helfen. Doch dein eigener Wille ist das Wichtigste dabei. Ohne einen Willen können wir nach einer Niederlage nicht aufstehen.
Und jetzt komme ich zu dir, Eren.
Eren, obwohl du noch so jung bist, hast du diesen eigenen Willen. Und das ist die Sache, die ich an dir bewundere. Du stehst immer wieder auf, egal wie oft du auch gefallen bist. Egal wie verletzt du bist, selbst kurz vor dem Tod, du machst weiter. Zugegeben, du handelst etwas sehr unüberlegt, aber du ziehst deine Sache durch. Auch wenn du dich wegen deiner Gabe an Anweisungen halten, Eren. So leid es mir auch tut. Aber vielleicht ist es auch besser so.
Ich will dir nicht damit sagen, dass du deswegen perfekt bist.
Du weißt selber, dass du alles andere als perfekt bist.
Ich will dir damit sagen, dass ich dich für deine Entschlossenheit mag. Mehr als mir recht ist.
Irgendwann, wenn der richtige Zeitpunkt bekommen ist, werde ich es dir ins Gesicht sagen. Fürs Erste muss dir dieses Geständnis im Schlaf ausreichen."
Da Levi Eren nicht aufwecken wollte, legte er ihn vorsichtig auf seinem Bett ab. Der Schlafende krümmte sich kurz zusammen, schlief allerdings friedlich weiter.
Als der stärkste Soldat der Menschheit den Jungen so ruhig sah, was sonst nie auf ihn zutreffen würde, konnte er nicht anders. Levi Ackermann zeigte eine weitere Gefühlsregung.
Er lächelte Eren, so sanft wie es nur möglich für ihn war, an.
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AoT Oneshots
FanfictionHier findet ihr verschiedene Szenarien, die sich rund um Attack On Titan drehen. Mal ein wenig ernstere Themen, aber auch oft genug weniger Ernst in den Oneshots. Da jedes Kapitel eine andere Geschichte erzählt, kann ich mehr auch nicht sagen. Vie...