Umsonst (AU)

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"Eren, komm doch bitte nach vorne und trage dein Gedicht vor, dass du ausgewählt hast."

Ein kurzer Schreckmoment durchzuckte Eren Jäger, als er seinen Namen hörte aus dem Mund seines Deutschlehrers Herrn Smith. Er war in Gedanken vertieft gewesen, weshalb der Junge nicht genau wusste, was er zu tun hatte.

"Ähhh...also..."

Gekicher war aus den anderen Reihen zu hören. Vor allem das leise Geflüster von Jean, seinen Erzfeind hob sich klar von den anderen ab

»Oh man, was hat Herr Smith gesagt?«

Eren war noch nie wirklich gut in der Schule gewesen, da es ihn einfach alles nie so richtig begeistern konnte, weswegen er auch öfter mal nicht zu hörte. In der letzten Stunde am Freitag erst recht nicht.
Glücklicherweise war sein Lehrer recht freundlich und hatte Geduld für ihn übrig. Im Gegensatz zu Herr Ackermann, der Mathelehrer der Klasse.

"Ich möchte, dass du dein Gedicht vorträgst. Würdest du nach vorne kommen?"

"Ah, achso ja klar, warten Sie kurz."

Eren hatte seine Hausaufgabe gemacht. Leider befand sich sein Zettel in seiner Schultasche, weshalb er erstmal darin herumkramen musste. 
Wo war denn bloß dieses bescheuerte Blatt?

"Nimm meins", sagte die Stimme links von ihm, während Eren von derselben Person angestupst wurde. Armin, sein bester Freund, schob dem Braunhaarigen ein sauberes Blatt zum Platz.
Wie man es von ihm gewohnt war, keine Knicke, keine Falten, ein glattes Blatt.
Armins Schrift war ordentlich und übersichtlich. 
Natürlich würde Eren durch die Hilfe des Klassenstrebers, der glücklicherweise zu seinen engsten Freunden zählte, eine gute Note einkassieren, doch es war ihm klar, dass er somit betrügen würde.
In Mathe tat es Eren oft genug, aber Mathe lag ihm nun mal auch überhaupt nicht. 
Diesmal hatte er zuverlässig seine Hausaufgabe erledigt und er hatte es ohne Probleme geschafft.
Er nickte Armin kurz zu und schob das Blatt wieder auf den rechtsmäßigen Platz.

"Herr Smith? Ich kann meine Hausaufgabe nicht finden, aber ich kann es auswendig."

Er konnte mit eigener Kraft eine gute Note erzielen. Die Kraft steckte in ihm, dass hatte sie schon immer. 

"Wenn das so ist, dann freue mich um deine Mühe."

Ein kleines Lächeln schlich sich in das Gesicht seines Lehrers, offenbar wirklich erfreut.
Als Eren gelassen zur Tafel schritt, die Hände in der Hosentasche verstaut, war er gefasst. An sich freute er sich sogar darauf allen sein neu entdecktes Talent zur Schau darzustellen.
Er ging an Jean vorbei, der wie immer eine Bemerkung abgeben musste.

"Na los, Jäger. Zeig dein verstecktes Goethe Talent."

Konnte der Typ Gedanken lesen? 
Den triefenden Sarkasmus bemerkte Eren nicht einmal.
Vorne angekommen stellte er sich aufrecht hin und schaute seinen Klassenkameraden direkt in die Augen. Seine grün-blauen Augen funkelten vor Selbstbewusstsein. Ein schneller Blick zu Herr Smith erlaubte ihm zu starten.

"Mein Gedicht heißt 'Umsonst gestorben' und ist von...äh...mir."

Ihm kam der Satz ein wenig komisch vor, doch das war nun auch egal.
Nach einem kurzen Räuspern war er soweit und trug es mit Stolz vor.

"Blut klebt an seinen Händen,
  seine Augen starren zwei Flecken an.
  Tot, einfach tot!
  Die einst lebenden Legenden.
  Das kleine Mädchen und der blonde Junge nebenan.

  Ungläubig blickt er hin,
  zwei Freunde für das Leben.
  Tot, einfach tot!
  Doch nun, leise Tränen laufend, über sein Kinn,
  hatte er sie dem einsamen Tod übergeben.

  Ein letztes Mal in die Seele schauen,
  Ein letztes Mal einen Schwur aussprechen.
  Sie sind tot, wirklich tot.
  Endgültig war es hinfort, sein gesamtes Vertrauen.
  Der tapfere Soldat war am Zerbrechen.

  Er wurde mit der laufenden Zeit stärker, immer stärker.
  Seine grau-blauen Augen wirkten mit der Zeit kälter, immer kälter.
  Mit einem Ziel, an das er stets glaubte:
  Sie seien nicht umsonst gestorben."

Wie auf ein Stichwort klingelte es zum Ende der Stunde, was die anderen nicht davon aufhielt begeistert zu applaudieren. Selbst diese elende Pferdefresse Jean klatschte abfällig mit.
Anschließend packten die meisten zusammen, besser gesagt jeder, außer Eren selbst.

"Ähm, Herr Smith?"

Der blonde Lehrer packte ebenfalls seine Utensilien zusammen. Als Eren ihn ansprach hielt er inne und schenkte dem Jungen ein kurzes Lächeln.

"Also...wegen dem Gedicht...haben sie schon so eine Richtung, was für eine Note es werden wird?"

Hoffnungsvoll blickte Eren in die blauen Augen seines Lehres.

"Leider ja, Eren."

"Leider?" 

Erens Hals wurde mit einem Schlag staubtrocken.

"Die Aufgabenstellung lautete ein beliebiges Gedicht aus dem Internet zu wählen und vorzutragen. Von einem eigenen Gedicht war nie die Rede."

Darauf konnte der Teenager nicht antworten.

"Ich fand dein Gedicht wirklich beeindruckend, aber es ist leider eine Aufgabenverfehlung."

Aufgabenverfehlung.

Aufgabenverfehlung.

Umsonst die ganze Arbeit, ernsthaft?

Kleiner Bonus: (Eren tat mir zu sehr leid, er muss immer den Verlierer spielen :( )

An diesem Abend weinte Eren. Stundenlang. So viel Arbeit in gar nichts. Bis...

"I've failed over and over and over again in my life and that is why I succeed."

Die Stimme glich einem Wispern und verschwand sofort. Doch Eren fasste neuen Mut. 

Er würde es eines Tages schaffen. Eines Tages würde er zufrieden von der Schule nach Hause laufen können.

(Zitat von Michael Jordan)


AoT OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt