Malec Briefe

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Er stand an Alecs Grab und weinte. Ja, der oberste Hexenmeister von Brooklyn weinte. Er war auf dem Zentralfriedhof in New York, wo man ein Grab für Alec errichtet hatte, das Magnus besuchen konnte, da er nicht in die Stadt der Stille vordringen konnte und ehrlich gesagt auch nicht wollte, denn da unten war es ganz schön gruslig. Aber das machte im Moment auch keinen großen Unterschied, denn Alecs Beerdigung war vor etwa zwei Stunden zuende gegangen und Magnus war gerade so traurig, dass er das Gefühl hatte, dass er, wenn er sich bewegen würde, zusammenbrechen würde. So stand er also da, in seinem schwarzen Beerdigungs-Anzug, die Sonne ging gerade unter, doch es hätte ihn nicht weniger kümmern können. Er stand einfach nur da und fühlte gar nichts. Und schließlich passierte es doch: Er brach einfach zusammen und saß auf dem Kiesweg vor dem Grab und schluchzte einfach nur herzzereißend, ließ alles heraus. Er hatte ihn verloren, seinen geliebten Schattenjäger, den einzigen Menschen, den er neben Camille richtig geliebt hatte. Und eines wusste er: Er würde nie wieder jemanden auch nur halb so sehr lieben können wie Alec. Alec war sein Fels in der Brandung gewesen, sein Ehemann und der Vater seiner Kinder.

Irgendwann, es musste mitten in der Nacht sein, machte er schließlich doch auf den Weg nach Hause, obwohl das noch viel schlimmer war, denn dort lagen überall Alecs Sachen. Sein Bogen und Köcher, der bis zu seinem letzten Atemzug in Arbeit gewesen war, seine Klamotten, sein Geruch war überall, sogar seine Zahnbürste ließ in Magnus Erinnerungen aufkommen, bei denen er sogar lächeln musste. Trotzdem brach für ihn gerade eine Welt zusammen und es war, als würde er auch zusammenbrechen, sein Herz zog sich unangenehm zusammen, er fühlte sich eigentlich nicht in der Lage, irgendetwas zu tun, doch sein Überlebensinstinkt siegte, er brachte ihn nach Hause, wo er sich an den einzigen Ort verzog, den Alec nie in seinem ganzen Eheleben mit Magnus betreten hatte, das Dach, da er unglaubliche Höhenangst hatte, wie er ihm einmal gestanden hatte. Dort angekommen ließ er sich auf einen Stuhl sinken und ließ sich von Erinnerungen überfluten. Alecs und seine Hochzeit, die Adoption ihrer beiden Kinder, Sexmomente, Frühstück im Bett, Familiendinner, Alec in der Küche, in voller Kampfausrüstung, die Magnus ihm gerne, kaum dass er nach Hause gekommen war, vom Körper riss. Unter seinen Tränen, die er einfach fließen ließ, musste er lächeln, nein, sie hatten keine Sekunde verschwendet. Plötzlich bemerkte er etwas in dem Dachboden, das er dort noch nie gesehen hatte.

Es war eine Kiste, die Magnus noch nie in seinem langen Leben gesehen hatte und das machte ihn misstrauisch, denn von Alec konnte sie ja nicht sein. Er stieg also zitternd von seinem Stuhl hinunter und machte sich auf den Weg zu der Kiste, die in einem schönen Dunkelrot gestrichen war. Als er nah genug herangekommen war, bemerkte er, dass auf der Kiste etwas stand. Für Magnus. Aber das konnte doch gar nicht sein. Langsam nahm er die Kiste an sich und öffnete sie. Da er aber in dem dämmrigen Licht des Dachbodens fast nichts erkennen konnte, nahm er sie mit neuer Kraft mit nach unten in seine Wohnung. Dort setzte er sich in die Küche auf einen Stuhl und öffnete sie vorsichtig. Es lagen eine Unmenge an Briefen darin. Er griff einen raus. Dort stand auf dem Umschlag: „Öffne diesen Brief, wenn du wieder anfängst Klienten zu sehen." Auf dem nächsten stand: „Wenn du dich neu verliebst". Was? Das konnte er doch nicht ernst meinen, er könnte sich nie wieder so in jemanden verlieben wie in Alec, nie wieder. Und plötzlich fiel es ihm auf. Alec musste auf dem Dach gewesen sein, um die Briefe dort zu verstecken, denn der Dachboden lag hinter der Terrasse.

Er musste wieder anfangen zu weinen und vermisste Alec an dieser Stelle noch mehr. Er hatte seine Angst überwunden, um ihn glücklich zu machen, um ihm etwas zu hinterlassen. Plötzlich sah er einen Brief, der ziemlich genau auf seinen Gemütszustand passte. „Öffne diesen Brief, wenn du so traurig bist, dass du nicht mehr funktionierst". Er zog ihn hervor und sah dahinter noch einen, der passte. „Öffne diesen Brief, wenn du mich so sehr vermisst, dass du das Gefühl hast, du kannst nicht mehr atmen." Er beschloss zuerst den ersten zu öffnen. Er machte ihn auf und fand ein wunderschönes Briefpapier vor.

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