Kapitel 7

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Viviens POV

*Rückblende: Vor zehn Jahren*

Offene Augen, und doch sehe ich nichts. Es ist stockdunkel. Ich kann mich nicht bewegen. Ich fühle mich wie gelähmt – nein, es sind nur Fesseln, die mich auf einem hölzernen Stuhl halten. Als ich mich zu befreien versuche, schneiden die Seile in mein Fleisch, was ich nicht ignorieren kann und der Schmerzen wegen scharf die Luft einziehe. Also bleibe ich ruhig sitzen.

Gefühlte Stunden später öffnet sich eine Tür. Es ist immer noch dunkel. Ich höre schwere Schritte, wahrscheinlich ist es ein Mann. Mein Herz pocht schneller, aufgrund der Aufregung. Wer ist er? Wo bin ich und wie bin ich hierhergekommen?

"Keine Angst, Kleine. Ich werde dir nichts tun. Ich bin hier, um dich zu retten." Russisch. Seine Stimme kommt mir bekannt vor. Ich versuche angestrengt sein Gesicht zu erkennen. Nichts, nur ein sanftes Lächeln ist zu sehen. Er lässt seinen Worten Taten folgen und bindet mich los, danach greift er meine Hand und führt mich aus der Dunkelheit.

Ich kneife die Augen zusammen, als das helle Licht auf mich einbricht und die angenehme Wärme der Sonne mich umgibt.

"Wo bin ich?" frage ich unsicher und schaue zu dem Mann auf. Er hat seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und blickt geradeaus. Er bleibt stumm, woraufhin ich meine Frage wiederhole. Er stößt Luft aus und sieht runter. "Du bist noch in Russland. Ich bringe dich nach Deutschland, um dich zu verstecken."

"Vor wem?"

"Vor dem KGB. Deine Schwester bat mich um Hilfe. Sie will, dass es dir nicht so ergeht, wie ihr", antwortet er und hebt wieder seinen Blick. Er mustert die Umgebung und fischt sein Telefon aus der Jackentasche. Als er die Ziffern eintippt und das Mobiltelefon ans Ohr hält, lässt er die Menschen nicht aus den Augen. "Ich habe sie, Natalia. In ein paar Stunden ist sie in Sicherheit." Er schaut herunter und übergibt mir das Telefon. In der Leitung ist es still.

"Hallo?" beginne ich und hoffe auf Antwort. "Natalia?"

"Ja, Gaia. Ich bin es", entgegnet die weibliche Stimme. Man hört, dass sie mit den Tränen zu kämpfen hat. "Ich möchte, dass du bei dem Mann bleibst. Stell keine Fragen und befolge seine Befehle. Er wird dich beschützen."

"Wo bist du, Natalia?" Eine Träne rinnt meine Wange hinab. Die junge Frau am Telefon schluchzt leise. "Ich bin immer bei dir, Gaia. Auch, wenn ich jetzt nicht bei dir sein kann, werde ich dich wiederfinden. Bald sind wir wieder vereint. Ich habe dich lieb, vergiss das nie."

Schweißgebadet wachte ich auf und atmete tief durch. Meine langen blonden Haare klebten mir im Gesicht. Durch die Tränen, die immer noch meine Wangen hinabrannen, begann ich kurz zu schluchzen.

Wer ist Natalia? Wer ist Gaia? Was habe ich damit zu tun?

Ich schob meine Beine über die Bettkante und stand auf. Schwarze Punkte tanzten vor meinem Gesicht herum, was mich schwanken ließ. Ich stützte mich an der Wand ab, um mein Gleichgewicht wiederzufinden. Ich lief einige Schritte, um mich zu beruhigen. Es brachte nichts. Selbst, als ich mich ins Bett legte, konnte ich nicht mehr schlafen. Trotz der Müdigkeit und der Erschöpfung war ich nicht in der Lage auch nur ein Auge zu schließen. Ich fuhr mir mit der Hand über mein nasses Gesicht und Griff nach einem Haargummi auf dem Nachtschrank, womit ich die Haare zusammenband.

Ich schlenderte leise die Treppe herunter. Meine Familie schlief um vier Uhr morgens noch, trotzdem erblickte ich ein Licht in dem Büro meines Vaters. Ich dachte mir nichts dabei und lief vorbei. Mein Weg endete in der Küche, wo ich mir eine Tasse griff und Milch einschenkte. Ich stellte es in die Mikrowelle und drückte den Knopf.

The Real WidowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt