Viviens POV
"Das war eine dumme Idee", ertönte Simones Stimme. Ich schlürfte entspannt an meinem Smoothie. "Du solltest das Handy loswerden und dich nicht ausliefern, Vivien!"
"Vertrau mir", begann ich und ließ meinen Blick schweifen, "Ich weiß, was ich tue."
"Das will ich hoffen", meinte Simone entnervt. "Andernfalls gibts ein Problem. Weil keiner hiervon weiß, hast du im Falle einer Gefangennahme die Arschkarte. Du bist auf dich allein gestellt." Ich grinste und richtete die Sonnenbrille. Seit etwa einer Stunde saß ich auf einer Parkbank und 'telefonierte' mit Simone. Durch das Kommunikationsgerät in meinem Ohr konnte ich mit ihr Kontakt halten. Das Mobiltelefon diente nur als Tarnung; ohne, hätte es ausgesehen, als würde ich Selbstgespräche führen.
"Wie kam es eigentlich zur Beziehung zwischen Daniel und dir", fragte ich dann. Kurz war ein Spucken zu hören und dann lautes Fluchen. Ich lachte in mich hinein, als ich mir vorstellte, wie die Hackerin aufgeregt über ihren Schreibtisch wischte, um Kaffeeflecken aus den Papieren zu bekommen – und aus ihrer Kleidung. Die siebenundzwanzigjährige war schon zu Ausbildungszeiten sehr schreckhaft gewesen und hatte sich stets über Kleinigkeiten aufgeregt, weswegen ich mich etwas wunderte, dass gerade die Perfektionistin und der größte Chaot, den ich je kennenlernen durfte, sich gefunden hatten. Im Hintergrund ihres Fluchens hörte man Papier und wildes Wischen über Holz – meine Vermutung hatte sich bestätigt. Simone ließ kurz von ihren Akten ab und seufzte. "Ich habe keine Ahnung. Es hat sich einfach ergeben."
"Einfach ergeben?" lachte ich und schaute in die Richtung der Bank, die hundert Meter entfernt stand. Dort hatte ich an einer Leiste unterhalb das Einwegtelefon angeklebt und wartete nun, dass jemand von SHIELD auftauchte.
"Ja", versicherte Simone, "als du deinen Auftrag bei der Armee begonnen hast, haben wir eine gemeinsame Mission bekommen und sind vollkommen-" Sie stoppte und tippte auf ihrer Tastatur herum.
"Ihr seid vollkommen Ja?" sagte ich erwartungsvoll und zog meine Brauen hoch. Sie hielt mit dem Tippen inne und wandte sich wieder an mich: "Zwei Personen nähern sich dem Telefon. Eine Person hat das Gerät, mit dem der Peilsender geortet wird. Zwei Uhr." Ich schob die Sonnenbrille etwas runter und sah zu einem der Kieswege. Ein dunkelhaariger Mann und eine Frau mit Basecap. Er trug einen grauen Anzug und eine Sonnenbrille, sie eine braue Lederjacke und Jeans.
"Kannst du das Kommunikationsgerät auf abhören stellen, Simone?" fragte ich und hörte einen Moment später den Dialog der beiden mit.
"Sie ist cleverer als ich dachte", fing der Mann an und untersuchte die Umgebung. Unter der Bank wurde er findig und streckte der Frau das Handy entgegen. "Und die Person, die den Chip übertragen hat, muss ebenfalls verdammt gerissen sein."
"Natürlich ist Gaia clever, sie ist eine Romanova, entgegnete die Frau. Sie flackte das Telefon auf den Boden und setzte das Cap ab, bevor sie sich durch ihre roten Haare fuhr. Natalia.
"Jarvis, such' die Umgebung ab", sagte der Mann dann und blickte sich um. Stark. Sein Blick verharrte an mir, ich ignorierte es und lehnte mich nach vorn, das Telefon an mein Ohr gedrückt. Er wandte sich wieder an meine Schwester. "Ich glaube, sie sitzt dort und beobachtet uns, Romanoff." Ich ließ mich nicht beirren, als Natalia herüberschaute, was ich trotz Sonnenbrille feststellte. Ihre Augen lagen auf mir, sie verzog keine Miene, als sie an ihr Ohr griff. "Jetzt."
Plötzlich spürte ich einen höllischen Schmerz in meinem Bein. Ich schrie auf und ließ das Telefon fallen. Als es auf dem Boden landete, erkannte ich einen kleinen Pfeil, der in meinem Oberschenkel steckte. Ich zog ihr raus, stand auf und rannte los. "Simone, kapp' deine Verbindung zu mir, keiner darf hiervon erfahren oder die Spur zurückverfolgen. Wenn jemand fragt, sagst du, ich sei verreist." Grob umschloss ich das Kommunikationsgerät und riss es aus meinem Ohr. Ich warf es in den nächstbesten Strauch. Von Müdigkeit und Erschöpfung übermannt, vergaß ich, mich zu konzentrieren. Ich lief gegen einen Körper, der auf einmal vor mir stand und fiel zu Boden. Als ich aufsah, verschwamm meine Sicht. Ich erkannte einen Mann, der mich grinsend musterte. "Ich verfehle nie mein Ziel."
Stimmen. Ich öffnete meine Augen nur einen Spalt breit und hatte das Bedürfnis, mir die Hand vor mein Gesicht zu halten. Das funktionierte aber nicht, weil beide Hände an einer Liege angekettet waren. Schmerzerfüllt stöhnte ich auf, als mein Kopf gegen den oberen Teil der metallenen Liege prallte, weil der Jet wackelte.
"Sieh mal einer an", sagte Stark und setzte sich neben mich. Ich schloss die Augen und massierte mir die Schläfen. "Was ist passiert?"
"Barton hat dich umgebracht und jetzt bist du in der Hölle", entgegnete er unberührt und verschränkte seine Arme. Ich grinste. "Warum wundert es mich nicht, dass Sie auch hier sind?"
"Natasha, deine Schwester ist wach", brüllte er plötzlich, weswegen meine Stirn zu pochen begann. Ich fühlte mich wie nach einer zu harten Partynacht; komplett benebelt, schwach und orientierungslos. Stark erhob sich und verschwand in Cockpit, nachdem meine Schwester heraustrat. Sie ließ sich auf dem Sitz nieder, auf dem Stark vorher saß und musterte mich mit eiserner Miene. "Wie gehts dir?"
"Als hätte ich eine Studentenparty miterlebt", sagte ich ehrlich und versuchte erneut meine Hand auf die Stirn zu legen, dabei vergaß ich, dass diese immer noch angekettet war. "Würdest du mich bitte losmachen?"
"Vergiss es", erwiderte Natalia und lachte bitter auf. "Ich war bereits in New York zu nachsichtig mit dir. Du kommst mit, ob es dir passt oder nicht."
"Ich habe schließlich keine andere Wahl. Ich bin festgekettet", entgegnete ich säuerlich und bewegte meine Arme. Natasha griff nach vorn und umschloss meine Handgelenke. "Nutz' bitte die Chance, die man dir gibt, und lass' deine Vergangenheit hinter dir. Es wird besser, vertrau' mir."
"Ich kenne dich kaum. Das einzige, was ich weiß, ist, dass du eine Killerin bist, die versucht menschlich zu sein und andern zu helfen . . . Du kannst deine Vergangenheit nicht ändern."
"Aber ich kann meine Zukunft bestimmen." Meine Schwester lockerte ihren Griff, stellte sich aufrecht und drehte sich um. "Und für dich ist es vielleicht besser, wenn du deine Vergangenheit hinter dir lässt. Andernfalls werden andere Seiten aufgezogen."
"Was", fragte ich lachend. "Willst du mir etwa Hausarrest geben?" Sie wandte mir ihren Kopf zu und lächelte schief. "Oh, nein. Es gibt bessere Methoden, Menschen gefügig zu machen." Mit einem letzten Blick ging sie zurück ins Cockpit und Stark setzte sich auf einen Sitz außerhalb und tippte auf seinem Glastelefon herum. Als er sah, dass ich meinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, steckte er sich Kopfhörer in die Ohren und streckte mir die Zunge raus.
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The Real Widow
FanfictionJede Geschichte hat ihren Anfang und ihr Ende . . . Es heißt, das Leben sei die Leinwand und das Schicksal das Gemälde. Mit unseren Entscheidungen ändern wir lediglich die Farbe, zu mehr sind wir nicht in der Lage. Das Schicksal gibt den Weg vor und...