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Viviens POV
Die Sonne ging auf, als ich die nächstgelegene Stadt erreichte. Mit viel Glück und Geduld würde ich heute noch die Ausreise schaffen und mich in ein paar Stunden auf Heimatboden befinden.
Ich hatte mit dem starken Wind zu kämpfen, der mir unaufhörlich die hellen Haare ins Gesicht wehte, die ich verzweifelt versuchte in einen Zopf zu zwingen - ohne Erfolg. Meine Augen scannten die Umgebung ab, als ich den Flughafen betrat. Mit einem Rucksack als Gepäck ging ich zum Check-In und legte den Reisepass auf die Platte. Sie Frau griff nach dem Büchlein, öffnete es, schaute zu mir auf und tippte etwas in den Computer ein, bevor sie mir den Pass und das Flugticket zurückschob. "Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Flug, Miss Gaffona." Ich nickte lächelnd und steckte das Büchlein weg. Ich schlenderte zum Terminal und setzte mich auf eine Bank. Erschöpft fuhr ich mir über das Gesicht und schloss kurz die Augen.
Nachdem ich gestern spät abends den Wald verlassen hatte, hatte ich mich sofort auf den Weg zu einem alten Bekannten gemacht, der mir als einziger hatte helfen können. Er hatte zwar erst skeptisch gewirkt, doch als er hörte, warum ich erschienen war, hatte er sich sofort ans Werk gemacht. Ich saß die halbe Nacht auf dem Stuhl und wartete auf das Ergebnis einer widerwilligen Veränderung, die als Sicherheitsmaßnahme getroffen wurde.
Fury hielt wahrscheinlich in seinen Kameraaufnahmen nach einer Brünetten Ausschau - und nicht nach einer Blondine. Diese Farbe stand mir nur leider überhaupt nicht, was im Augenblick allerdings das kleinste Problem war. Im Gegensatz zu den anderen Menschen in diesem Terminal, litt ich unter Schlafmangel.
Jurij hatte zwar ein wahres Wunder vollbracht, da ich mich selbst kaum wiedererkannte, nur hatte das - für meinen Geschmack - zu lang gedauert. Als ich fertig war, hatte ich mir ein Zimmer im Hotel gemietet, konnte aber nur drei Stunden schlafen, bevor ich mich mit einem . . . geliehenen Wagen auf den Weg in die Stadt machte um pünktlich zwei Stunden vor dem Abflug anzukommen.
"Die amerikanische Regierung ist auf der Suche nach dieser jungen Frau. Sie ist Mitte zwanzig und etwa einen Meter und sechzig groß." Ich hob langsam den Kopf und blickte auf einen der Monitore. Darauf war ein Bild von mir mit braunen, langen Haaren. Ich griff nach meinem Rucksack, kramte nach dem Etui, dass ich heute Morgen eingepackt hatte, öffnete es und holte die Brille heraus. Ich wischte mit dem dazugehörigen Tuch über die Gläser, während ich unauffällig auf dem Gestell herumtippte. Ich gab die Tastenkombination ein und aktivierte den Tarnmodus. Ich setzte die Brille auf und legte das Tuch ins Etui, das ich im Rucksack verschwinden ließ. Für die Menschen um mich herum hatte ich nun ein anderes aussehen. Eigentlich war es ja überflüssig, aber ich hatte keine Lust, mich vor dem Flug oder während des Fluges zu prügeln.
"Sehr geehrte Damen und Herren! Das Flugzeug nach Berlin ist nun bereit zum Einsteigen. Bitte begeben Sie sich zum Gate vier." Die Menschen um mich herum setzten sich hektisch in Bewegung, während ich sitzen blieb. Dieses Gedränge um nichts und wieder nichts wollte ich mir ersparen, also wartete ich bis nur noch fünf Leute anstanden und ihre Bordkarten kontrollieren ließen, bevor ich aufstand. Ich holte das Flugticket hervor und überreichte es der rothaarigen Frau, die mich nett anlächelte.
Der Sitz lag im hinteren Bereich der Maschine, was mich unfassbar glücklich machte. Ich ließ mich am Fenster nieder und atmete erleichtert aus. Der Platz am Gang war frei, was ich grinsend hinnahm und mich zurücklehnte. Während die Stewardessen erklärten, wie man sich zu verhalten hatte, wanderte mein Blick aus dem Fenster. Ich ignorierte alles um mich herum und sank in einen tiefen Schlaf.
Ein unsanftes Piksen am Oberarm weckte mich. Die rothaarige Stewardess schaute mich strahlend an. "Wir landen in zehn Minuten."
"Danke", entgegnete ich ebenfalls lächelnd und setzte mich aufrecht. Der kurze Schlaf hatte seine Wirkung erzielt. Ich rieb mir noch kurz über die Augen und schaute dann aus dem Fenster. Mir entfuhr ein herzhaftes Gähnen, als ich der untergehenden Sonne entgegen blinzelte und mich streckte. Der Flug war - zu meiner Überraschung - ziemlich angenehm gewesen und die Stunden der Ruhe hatten meinen Lebensgeistern Energie gespendet.
"Bitte schnallen Sie sich an und schalten Sie ihre Geräte aus. Das Flugzeug wird in Kürze landen. Vielen Dank, dass Sie mit uns geflogen sind."
Kaum, dass wir aufgesetzt hatten, begannen die Leute zu klatschen, was ich mit einem genervten Augenrollen quittierte. Mein Blick schweifte durch die Anwesenden. Die Stewardessen lösten den Gurt und erhoben sich, um die Tür zu öffnen. Wieder quetschten sich die Anwesenden aus dem Flieger - ich als Letzte.
Außerhalb des Flughafens seufzte ich wohlig auf. Es tat gut, wieder Zuhause zu sein. Zumindest dem Zuhause näher. Mit dem Mietwagen fuhr ich in Richtung Heimat. Ich drehte am Radio herum und drückte auf Knöpfe, bis endlich Musik zu hören war.
Für diese Tageszeit war es verdächtig ruhig auf der Autobahn. Der Vorteil dabei war, dass der Sportwagen sich ausleben dufte. Mit zweihundert Kilometern pro Stunde jagte ich über die leere Schnellstraße, wobei ich bei jeder kleinen Kurve die Geschwindigkeit ein wenig drosselte, um möglichen Unfällen vorzubeugen. Meinen ersten Tag in der Heimat wollte ich unter gar keinen Umständen auf der Polizeiwache verbringen - oder im Krankenhaus. Meine Hände umgriffen das Lenkrad fester. Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte ich und stutzte, als ich aus dem Augenwinkel ein Motorrad hinter mir entdeckte. Mein Blick huschte während der Fahrt immer wieder mal zum Rückspiegel. Das Motorrad verschwand nicht. Als ich nach einer vierstündigen Autobahnfahrt endlich die Ausfahrt erreichte, folgte es mir schleichend. Mich weiter damit zu beschäftigen, brachte nichts, weshalb ich es geflissentlich ignorierte. Ich fuhr ganz normal zu meinem Elternhaus, das am Arsch der Welt lag. Mein Kaff von Dorf hatte nicht einmal Empfang.
Als ich das Ortsschild erkannte, grinste ich über beide Ohren. Meine Eltern hatte ich seit zehn Jahren nicht gesehen. Sie würden sich wohl kaum verändert haben, aber mit mir rechneten sie sicher nicht mitten in der Woche.
Ich drehte den Schlüssel und zog ihn heraus. Bevor ich ausstieg atmete ich noch einmal tief durch.
Sie werden dir schon nicht den Kopf abreißen, dachte ich nervös. Oder vielleicht doch . . .
Mit schnellen Schritten lief ich auf das Haus zu. Zögernd blieb ich vor der Tür stehen und überlegte, ob ich wirklich klingeln sollte. Meine Hände fuhren über die helle Jeans. Soll ich, oder lieber nicht? Ich meine, ich verschwinde und komme zehn Jahre später wieder angekrochen? Irgendwie erbärmlich . . .
Die Entscheidung mit dem Klingeln wurde mir abgenommen, als die Tür aufgerissen wurde, wodurch ich kurz zurück schritt. Meine Mutter stand mit einem Müllbeutel in der Hand an der Schwelle und schaute mich perplex an. "Vivien?"
"Hallo, Mama", entgegnete ich schief grinsend und stand unschlüssig da. Sollte ich sie jetzt umarmen, oder nicht? Meine Mutter ließ den Beutel fallen und stürzte auf mich zu. Sie drückte mich so fest an sich, dass ich dachte, ich könne nicht mehr atmen und würde jeden Moment blau anlaufen. Glücklicherweise kam es nicht dazu. Sie hielt mich eine Armeslänge von sich und musterte die Erscheinung, die sich ihr bot. Eine siebenundzwanzigjährige, kleine Frau, mit schulterlangen blonden Haaren, einer Jeans von Levi's, einer olivgrünen Lederjacke, einem dunklen Top drunter und schwarzen Sneakers.
"Warum bist du hier?" fragte sie lächelnd. Ich bückte mich und hob den Müllbeutel auf. "Das erzähle ich dir, wenn ich das hier entsorgt habe."
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The Real Widow
Fiksi PenggemarJede Geschichte hat ihren Anfang und ihr Ende . . . Es heißt, das Leben sei die Leinwand und das Schicksal das Gemälde. Mit unseren Entscheidungen ändern wir lediglich die Farbe, zu mehr sind wir nicht in der Lage. Das Schicksal gibt den Weg vor und...