Kapitel 23

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Viviens/Gaias POV

"Natalia ist ein Wrack." Ich ließ fuhr mir übers Gesicht. Die Uhr zeigte kurz nach vier. Nachdem meine Schwester eingeschlafen war, hatte ich noch lange wach gelegen und mich schließlich entschlossen aufzustehen; sie schlief seelenruhig im meinem Bett. In der Kantine traf ich auf Doktor Banner, der anbot, dass ich mit in sein Labor kommen könne.

"Ich weiß", entgegnete der Wissenschaftler geknickt und nippte an seinem Getränk. "Und mir macht das genauso zu schaffen, wie dir, Gaia, aber wir können leider nichts dagegen tun."

"Zeitmaschinen gibt es schließlich nicht", sagte ich bitter und erntete einen verwirrten Blick von Bruce. "Wie meinst du das?"

"Ich würde gern die Zeit zurückdrehen und dafür sorgen, dass ich nie geboren werde." Meine Augen fixierten einen Punkt an der Glastür, der ich gegenübersaß. Er erhob sich von seinem Stuhl und kam zu der Behandlungsliege, auf der ich saß und meinen Kaffee trank. Er blickte mich zweifelnd an. "Was glaubst du, würde das ändern?"

"Natalia wäre unter normalen Verhältnissen aufgewachsen und jetzt wahrscheinlich ein Mitglied des russischen Balletts."

"Glaubst du an das Schicksal?" fragte Bruce interessiert und setzte sich neben mir auf die Liege. Ich schaute zu ihm auf. "Schon, ein wenig."

"Manchmal wird uns vom Schicksal vorbestimmt, wer wir sind und sein sollen. Vielleicht ist es Natashas Schicksal, diese Vergangenheit zu haben", meinte der Wissenschaftler überzeugt und starrte gedankenverloren zur Tür.

"Ja, vielleicht", sagte ich etwas traurig und plötzlich durchzuckten mich unsagbare Kopfschmerzen. "Verdammt!"

"Alles gut?" erkundigte sich der Physiker und nahm mir die Kaffeetasse ab. "Gaia, was ist los?"

"Kopfschmerzen", brachte ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor und rutschte von der Liege. Banner stellte die Tassen auf einem Tisch ab und verließ das Labor mit den Worten "Ich gehe Aspirin besorgen.". Indes versuchte ich mich unter dauerhaftem Hin- und Hergelaufe zu beruhigen. Als ob man von zehntausend Messern attackiert wird. Mittlerweile atmete ich laut ein und aus und klammerte mich an die Liege, mit dem Rücken zur Tür, die sich plötzlich öffnete. "Guten Morgen!" Es war Stark, der die Liege umlief und mich betrachtete. Da ich meinen Kopf gen Liege gerichtet hatte, sah ich ihn nicht, hörte aber, wie er seinen Kaffee schlürfte, als wäre nichts. Ich sah zu ihm auf. "Ihr Ernst, Stark?"

"Sind die Kopfschmerzen endlich da?" meinte er relaxt und übergab mir nach einem kurzen Nicken eine Tablette. "Die wird helfen." Ich schluckte die Tablette und atmete weiterhin tief durch. Stark ließ sich an seinem Tisch nieder und seufzte: "Auf einer Skala von eins bis zehn, wie schlimm waren die Schmerzen?"

"Neun", entgegnete ich, als das Hämmern abebbte. "Ich hatte zwar schon schlimmere, aber Kopfschmerzen sind und bleiben die beschissensten. Wieso haben sie mir nicht gesagt, dass es so unangenehm wird?"

"Dann hätte ich den Spaß verpasst", erwiderte er grinsend und gab die Daten in seinen Computer ein. Ich verließ das Labor mit meiner Tasse und sagte genervt: "Sie haben Glück, dass die Schmerzen vorbei sind, sonst hätte ich Sie jetzt wahrscheinlich umgebracht, Stark."

Ich griff nach einer Jacke und begab mich nach draußen, was nur möglich war, weil der Helicarrier sich derzeit in einer Ruhephase befand; Rogers, Wilson und Wanda waren auf einer Erkundungsmission. Ich setzte mich an den Rand und trank vom Kaffee. Jedem normalen Menschen wäre Angst und Bange gewesen so mit dem eigenen Leben zu spielen, mir nicht. Der Wind hier oben war stark, aber wehte seitwärts. Ich ließ den Blick über die üppigen grünen Wälder schweifen.

"Warum so allein?" Clint setzte sich neben mich und ließ seine Beine baumeln. Ich stellte die Tasse ab und lächelte: "Wäre ich länger bei Stark geblieben, hätte ich ihn umgebracht."

"Geht mir oft so", meinte er schmunzelnd, wurde dann aber ernst: "Wie geht es Natasha?"

"Sie schläft", entgegnete ich zufrieden und nippte am Getränk. Der Bogenschütze seufzte: "Deine Schwester hatte lange Zeit ziemliche große Probleme mit dem Schlafen. Sie lag nachts wach; manchmal war es so extrem, dass sie während der Mission in einen Sekundenschlaf fiel." Clint machte eine künstlerische Pause, um die Sache zu dramatisieren. Als er fortfuhr, schaute er zu mir: "Deine bloße Anwesenheit entspannt sie, Gaia. Seit du da bist sehe ich sie zum ersten Mal wirklich glücklich. Und dafür bin ich dir sehr dankbar." Ich zog die Beine an und entfernte mich von der Kante. "Ich wusste lange nicht, dass ich adoptiert bin. Ich habe mich immer gefragt, warum ich anders bin, als meine Familie. Als ich dann erfuhr, dass die Menschen nicht meine leibliche Familie waren, habe ich mich verarscht gefühlt. Gleichzeitig kam heraus, dass ich eine Romanova bin und ich spekulierte, ob ich noch Verwandtschaft habe. Hydra sagte mir, dass ich eine Schwester hätte, worüber ich im ersten Moment froh war, aber . . . Ich bekam Akten zu Natalia Romanova, die ich sofort durchlas."

"Was stand dort?" Clint beäugte mich gespannt. Ich begann aufzuzählen: "Eine KGB-Assassine, die für etliche Attentate verantwortlich sei, viele Menschenleben auf dem Gewissen habe und ihre eigenen Eltern ermordete. Dann ging sie zu SHIELD und wurde unter dem Pseudonym Black Widow bekannt, sie arbeite wieder als Assassine. Außer den Morden an Staatsmännern und führenden Wissenschaftlern versuchte sie ihre Schwester beim Brand des Eigenheimes umzubringen, scheiterte aber."

"Ich kann verstehen, dass du nichts mit ihr zu tun haben wolltest", sagte er und nickte. "Hätte ich das über meinen Bruder gelesen, hätte ich mich seiner Organisation auch nicht angeschlossen."

"Das Problem dabei ist: Ich hätte wissen müssen, dass sie mich belügen, um mich als Waffe gegen SHIELD zu benutzen", erwiderte ich und legte mich auf den Rücken. Wie blöd bin ich eigentlich?

"Gaia, mach' dir keine Vorwürfe. Es ist Hydras Schuld, nicht deine."

"Apropos Hydra . . . Wie kam es, dass Natalia und Leon zusammenarbeiteten?" Ich setzte mich wieder auf, als Clint zu erzählen anfing: "Als du nach New York kamst, hat Natasha dir einen Peilsender untergejubelt, um dich zu finden – den hast du dann leider gefunden und entfernt. Also mussten neue Mittel her. Sie telefonierte mit Meier Junior und besprach, wie sie dich dort heraus bekommen würde, ohne, dass es Problem gäbe. Leon kam auf die Idee deinen Tod vorzutäuschen, dafür verlangte er aber eine Gegenleistung: Er wollte der Director werden, um der Organisation zu neuem Glanz zu verhelfen."

"Und was sollte dann die Sache mit der falschen Rettungsmission und dem Flug nach Russland? Ihr hättet Meier einfach umbringen können und euch den Aufwand sparen können . . . "

". . . Ohne, dass sie nicht nach dir suchen? Wohl kaum. Die Organisation hätte dich wahrscheinlich verfolgt. Jetzt, da du 'tot' bist, sucht keiner mehr nach dir. Probleme gelöst", erklärte er und erhob sich mit einem Blick auf die Uhr. "Das Erkundungsteam müsste gleich zurück sein. Kommst du?"

"Sicher", entgegnete ich grinsend und ergriff seine ausgestreckte Hand.

The Real WidowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt