Natashas POV
Mitten in der Nacht wurde ich wach und setzte mich auf. Die Wanduhr zeigte zwei Uhr zehn. Stöhnend legte ich mich wieder hin und versuchte einzuschlafen. Doch egal, wie oft ich mich herumwälzte oder die Position wechselte, ich fand keinen Schlaf. Nach weiteren zehn Minuten gab ich es auf und stand auf, um erst einmal zu duschen. Das lauwarme Wasser prasselte auf meinen Kopf, es ließ mich nachdenken. Ich kann nicht mehr schlafen, aufs Trainieren habe ich keine Lust und ich kann auch nichts machen, was die Suche nach meiner Schwester beschleunigt . . .
Angezogen und mit hochgesteckten Haaren trat ich auf den Gang. Das Shield Quartier war bei Nacht etwas weniger hektisch. Nur wenige Agenten liefen durch die Flure, um nach dem Rechten zu sehen. Ich dachte an Gaia, an ihre Vergehen, ihre Entscheidung. Dass sie mir direkt ins Gesicht gesagte hatte, dass sie besser im Töten sei, als Leben zu retten, nahm ich ihr nicht übel. Ich hatte genauso gedacht – zumindest eine Zeit lang. Irgendwann wollte ich das nicht mehr, ich wusste dass es falsch war zu morden. Als Clint mir das Angebot machte, zu Shield zu kommen, nahm ich dankbar an. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen abzulehnen . . . Warum hat Gaia abgelehnt?
Ich war so vertieft in meine Gedanken, dass ich beinahe nicht merkte, dass Coulson das Zimmer verließ, in das er nachdem er mich hatte stehen lassen gegangen war. Er kam in meine Richtung. Aus Reflex verschwand ich in einem der naheliegenden Räume. Ich fand mich inmitten von Überwachungskameras wieder und suchte die Monitore nach der 103 ab. Meine Augen schweiften über die Bildschirme und verharrten auf dem gesuchten, doch man konnte aufgrund der Dunkelheit nichts erkennen. Da ich davon ausging, dass Coulson weg war, verließ ich das Zimmer und schritt zur 103. Ich zweifelte nicht einen Moment, als ich meinen Ausweis zum Öffnen der Tür benutzte.
Im Raum war es dunkel, weswegen ich zuerst den Lichtschalter betätigte, als sich die Tür hinter mir schloss. Ein dunkelhaariges Mädchen lag auf der Liege und verdeckte ihre Augen. "Ich dachte, die Befragung wäre beendet, Agent Coulson?"
"Ich bin nicht Coulson", entgegnete ich und zog einen Stuhl heran, um mich darauf zu platzieren. Die Brünette gewöhnte sich an das grelle Licht und schaute zu mir. Ihre Augen weiteten sich ein wenig, als sie erkannte, wen sie vor sich hatte. Sie schwieg.
"Wie heiß du?" fragte ich und beugte mich leicht vor.
"Nikki Lehmann." Sie setzte sich mit dem Rücken zur Wand und musterte mich. "Ich bin Viviens Schwester."
"Ich auch." Ich grinste und streckte ihr meine Hand entgegen. "Natalia Alianovna Romanova." Sie ergriff meine Hand und nickte etwas überfordert. "Alle nennen mich nur Natasha Romanoff." Nikkis Mundwinkel zuckten. Ich beobachtete, wie sie etwas nervös ihre Arme verschränkte, sie wieder löste und begann mit einer Haarsträhne zu spielen. Ihr Blick war auf den Boden gerichtet. "Warum sind Sie hier, Miss Romanoff?"
"Ich hoffe, du kannst mir etwas über meine Schwester sagen, das ich nicht weiß", begann ich schmunzelnd. "Ich habe immerhin zweiundzwanzig Jahre ihres Lebens verpasst."
"Viv-Gaia", berichtigte sie sich und seufzte. "Sie ist ein ziemlich temperamentvoller und gefühlskalter Mensch. Es hängt damit zusammen, dass sie als Kind nicht gut darin war, Freundschaften zu bilden; es hat nicht funktioniert, also hat sie es einfach gelassen und sich allein durchgeschlagen. Dann hat sie sich verliebt und ist nie drüber hinweg gekommen, sie hat ihn nie vergessen und sie wird es nie. Ihre Schwester ist eine fantastische Lügnerin und Schauspielerin, Miss Romanoff. Sie eine Überlebenskünstlerin, die ständig nach neuen Herausforderungen sucht und schreckt vor nichts zurück . . . Ihr Berufswunsch begann bei Sängerin und endete bei . . ." Nikki sah mir in die Augen. Ich sah ihr an, dass sie den Satz nicht zu Ende bringen wollte. Ich ignorierte ihr Unwohlsein. "Wo endete es, Nikki?"

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The Real Widow
FanfictionJede Geschichte hat ihren Anfang und ihr Ende . . . Es heißt, das Leben sei die Leinwand und das Schicksal das Gemälde. Mit unseren Entscheidungen ändern wir lediglich die Farbe, zu mehr sind wir nicht in der Lage. Das Schicksal gibt den Weg vor und...