Kapitel 15

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Viviens POV

"Wie hast du mich denn gefunden?" Ich löste den Gurt und erhob mich. Als ich dem Agenten durch den Jet folgte und neben ihm die Rampe herunterlief, schaute er stur geradeaus, als wäre er wütend auf mich. "Habe ich etwas falsch gemacht?"

"Ist das dein scheiß Ernst, Vivien?" sagte er, blieb stehen und drehte sich zu mir. "Ich wusste ja, dass du durchgeknallt bist, aber, dass du dich ausliefern würdest, hätte ich nicht erwartet."

"Ich habe mich nicht ausgeliefert, Leon", verteidigte ich mich. "Ich hatte nur nicht erwartet, dass die mit Betäubungspfeilen arbeiten."

"Du bist Agentin! Du wirst auf alle Situationen vorbereitet. Du musst mit allem rechnen, wenn du unterwegs bist", echauffierte er sich. "Wie zum Fick, konntest du mit deiner naiven Einstellung so lange überleben?"

"Ich habe Glück", entgegnete ich lachend, klopfte ihm auf die Schulter und lief neben ihm her. "Um das von vorhin aufzugreifen: Wie hast du mich gefunden?"

"Das ist die Sache der Organisation. Die haben dich gefunden", stellte er klar und schaute zu mir runter. "Ich habe dich lediglich aus der Scheiße gezogen."

"Hat Simone mich verraten?" überlegte ich laut, während wir auf einen Wagen zuliefen, der auf einem Waldweg parkte. Ein Agent lehnte an ihm und musterte uns gleichgültig. Als ich wieder zu Leon sah, schüttelte er den Kopf. "Nicht direkt. Ich habe nach dir gesucht und da hat mich Daniel zu Simone geschickt. Sie war ziemlich aufgewühlt und hat wild auf ihrer Tastatur herumgeklimpert, als ich ins Büro kam. Und als ich sie nach dir fragte, presste sie die Lippen aufeinander und lief an mir vorbei. Dabei hat sie wiederholend ,Ich hab's ihr ja gesagt.' genuschelt. Ich bin zu ihrem PC gegangen. Dort stand alles, was ich wissen musste. Ich habe der Organisation Bescheid gegeben, die haben dich gefunden und ich habe mich bereit erklärt dich zu holen." Ich nickte und öffnete die hintere Autotür. Leon setzte sich neben mich, griff zu seinem Handy und versandte eine Nachricht mit dem Wort 'Entschuldige.' an eine unbekannte Nummer, die zuvor 'So war das nicht geplant.' geschrieben hatte. Ich lehnte mich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Der Fahrer startete den Wagen und fuhr los.

"Wieso hast du nicht -wie jeder andere auch- das Telefon einfach in einen Papierkorb geworfen", seufzte Leon erschöpft.

"Ich wollte ihre dummen Gesichter sehen, wenn sie erkennen, dass ich sich verarscht hab", gab ich zu und schmunzelte.

"Kleinkind", sagte Leon missbilligend. "Ich werde mit Meier sprechen. Du bist eine Gefährdung für Hydra."

"Was?!" erwiderte ich und öffnete meine Augen. "Du willst mich aus dem Außendienst nehmen? Was soll ich sonst machen?"

"Wie wäre es mit Urlaub?" fragte er und kicherte. "Seit du bei Hydra angefangen hast zu arbeiten, hattest du nie auch nur einen Tag frei. Und streng genommen bist du zurzeit beurlaubt."

"Es hieß: ein paar Tage, fing ich an und hob meinen Finger. "Ein paar Tage sind höchstens eine Woche und die ist morgen um."

"Dann beantrage ich eben mehr", sagte er schulterzuckend und schaute aus dem Fenster, sodass er meinem vorwurfsvollen Blick ausweichen konnte.

"Vergiss es", flüsterte ich bedrohlich und verschränkte meine Arme.

"Wenn du bei Hydra bleiben willst, ist das die einzige Möglichkeit", stellte er ernst klar, wandte jedoch seinen Blick nicht vom Fenster ab. "Seit Natasha Romanoff auf der Suche nach dir ist, hast du nicht mehr richtig geschlafen, geschweige denn eine Pause gemacht. Du wirst von Ort zu Ort gejagt und das seit etwa einer Woche. Nimm' dir eine Auszeit, verschwinde vom Radar und wenn sich die Lage beruhigt hat, kommst du wieder."

"Ich soll mich verstecken?" fragte ich fassungslos und fuhr mir übers Gesicht. Leon rollte mit den Augen und sah mich genervt an. "Vivien, es reicht. Entweder du gönnst dir eine Auszeit, oder-"

"Wie willst du mir denn so viel Urlaub verschaffen? Wirst du Meier einen bl-"

"Lehmann", unterbrach er mich schneidend und knirschte mit den Zähnen. Er atmete tief durch. "Es ist nur zu deinem besten."

"Lehmann", ertönte Meiers Stimme, kaum, dass wir das Auto verlassen hatten. "In mein Büro. Leon, Du auch." Wir folgten seiner Anweisung und liefen dem Mann hinterher. Leon legte mir seine Hand auf den Rücken und schob mich vorwärts. Er ließ erst von mir ab, als wir das Büro des Directors betraten und uns auf die Stühle vor dem Tisch setzten. Dieser sah angepisst aus. Er beugte sich leicht vor und faltete seine Hände auf dem Schreibtisch. "Ich hörte von ihrer törichten Unternehmung, Frau Lehmann."

"Ich kann mich erklären", versicherte ich, wurde aber von Meiers Hand unterbrochen, die laut auf dem Tisch aufkam, woraufhin ich leicht zusammenzuckte. Er beobachtete mich und fuhr sich mit der Hand über sein Gesicht. "Sie sind meine beste Agentin. Aber seit Shield auftauchte, sind Sie ziemlich zerstreut und unvorsichtig. Ihre einst tadellose Arbeit ist heute ein Haufen Scheiße, Vivien." Ich grinste, denn diese vulgäre Ausdrucksweise hätte ich ihm nicht zugetraut. Er sprach weiter: "Ich kann verstehen, dass es einen aus der Bahn wirft, wenn plötzlich die Schwester auftaucht, von der man nicht wusste, dass sie existiert, aber Ihre Unkonzentriertheit ist auch für Hydra Gift und das kann ich nicht dulden." Leon stand auf. "Ich hätte einen Vorschlag."

"Der da wäre?" fragte Meier und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

"Vivien braucht lediglich Urlaub", versicherte Leon und verschränkte seine Arme. "Sie ist eine hervorragende Agentin – wie du bereits sagtest. Und sie hatte seither nie eine Auszeit."

"Du schiebst es also auf Stress? . . . Vielleicht hast du Recht, Leon." Der Mann zog seine Brauen nach oben und musterte mich seufzend. "Sie bekommen Urlaub auf unbestimmte Zeit, Vivien. Kurieren Sie sich aus, kommen Sie zur Ruhe und entspannen Sie sich etwas. Gönnen Sie sich ein Pause und wenn sich die Lage beruhigt hat, kommen sie einfach zurück."

"Ist das Ihr Ernst?" fragte ich fassungslos und stützte meine Ellenbogen auf den Oberschenkeln ab, um mein Gesicht in den rauen Handflächen zu vergraben.

"Mein voller Ernst", bestätigte Meier. "Ich möchte nicht, dass Sie sich selbst weiter schaden. Nehmen Sie sich eine Auszeit, das wird Ihnen gut tun. Es ist die einzige Forderung, die ich Ihnen stelle und Ihre einzige Chance, ein renommiertes Mitglied von Hydra zu bleiben."

"Schön", begann ich und wischte mir kurz über mein Gesicht, als ich dem Kopf hob. "Ich mache Urlaub. Darf ich wenigstens verreisen?"

"Ich begleite sie", meinte Leon und schaute zu seinem Vorgesetzten, der sich nachdenklich übers Kinn strich. Ich schüttelte energisch meinen Kopf. "Ich bin doch kein Kleinkind mehr! Und außerdem: Wer sollte dich hier ersetzen?"

"Agent Schneider wird das sicher regeln", mischte sich Meier ein und lächelte. Ich stöhnte entnervt auf und steuerte auf die Tür zu.

"Lehmann?" sagte der Director, bevor ich die Tür erreichen konnte. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Er saß auf dem großen braunen Lederdrehstuhl und hatte seine Hände auf den Armlehnen platziert. "Ich wünsche Ihnen eine angenehme Auszeit." Ich erwiderte das Lächeln halbherzig und bewegte mich dann aus dem Büro raus. Leon schlug hinter mir die Tür zu. "Wo willst du hin?" Ich grinste. "Russland."

The Real WidowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt