22 |Hinter Gitter

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Emma

Müde vom Flug räumte ich die restlichen Sachen aus dem Koffer in den Schrank und starrte dabei Minuten auf jedes einzelner Teil. Diese Sachen gehörten nicht einmal mir. Sie gehörten Jenny und gerade das machte es irgendwie so unpersönlich. Hier zu sein. Es fühlte sich gut und doch bedrückend an. Ich legte das letzte Teil auf den Stapel und ließ mich dann erschöpft auf der Couch nieder. Der Flug war anstrengend gewesen. Nicht nur, weil meine Gedanken die ganze Zeit bei Kenneth gewesen waren, sondern auch weil ich ein kleines, herumschreiendes Kind hinter mir hatte.

Vor mir war dann noch so ein toller Kerl, der meint seinen Sitz viel zu weit zurück zu stellen und dabei nicht auf andere zu achten, aber da ich die ganze Zeit bei Kenneth war, hatte mich das am wenigsten gestört. Ob er mich finden würde? Ich hatte kein Handy, kein Laptop und auch sonst nichts dabei, womit er mich finden könnte und trotzdem war meine Angst berechtigt. Er war schlau. Sich zu verstecken war wohl einer seiner besten Taktiken, also würde er auch andere finden, die sich versteckten. Er hatte sich sein Leben lang versteckt.

Ich war wirklich froh, dass Jenny und ich damals Griechisch gelernt hatten. Wir waren schon immer einwenig eigen gewesen. Vermutlich hatte ich auch deshalb Griechenland gewählt. In der Schule war alles einfacher gewesen, damals. Vor allem vor Kenneth war es einfacher gewesen. Unkompliziert und nicht so gefährlich. Ich erhob mich von der Couch und entschied mich dazu etwas einkaufen zu gehen, um mir heute Abend noch etwas zu essen zu machen.

Während ich also aus dem Haus ging und in den Himmel schaute, versank ich tief in meinen Gedanken. Der Genuss der Freiheit zerging langsam auf meiner Zunge und entlockte mir ein sanftes Lächeln. Kenneth hatte mich lang genug eingesperrt. Jetzt war ich befreit vom Psychopathen, auch wenn es hier in Griechenland war. Erleichterung machte sich in meinem Körper breit, bevor ich entspannt in den kleinen Laden lief und die Menschen im inneren begrüßte.

Meine Hand griff nach den ersten Lebensmitteln und mein Blick fuhr seelenruhig über die Regale. Ich war wirklich stolz auf mich, denn obwohl ich mir zugeredet hatte, dass ich es schaffen würde, hatte ich nicht wirklich daran geglaubt. Ich wollte mir nur selbst Mut geben, weil es niemand sonst getan hatte. Und trotzdem habe ich es durchgezogen. Jetzt musste ich nur noch darauf warten das Kenneth gefunden und eingesperrt wurde.

Er war krank und hatte kein freies Leben verdient. Er musste hinter Gitter sein, da wo er niemanden schaden konnte. Wo er keine Paare ermorden und mich entführen konnte. Was hatten ihm die Paare denn bitte getan? Irgendwas musste irgendwann mal bei ihm passiert sein, denn sonst wäre er nicht so.

Aber wieso dachte ich eigentlich schon wieder über ihn nach? Und wieso suchte ich nach einer Rechtfertigung für das was er tat? Es war falsch und das war das wirklich wichtige.

Er hatte vergessen wie viel ein Menschenleben wert war.

Psycho 〉Ich bin seinsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt