Kapitel 2/7

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Ich trenne den Blickkontakt und merke, dass die anderen am Tisch Raedwulf und mich beobachten, David, Cole und Amber grinsend, Aelfric und James wirken unbefriedigt. Tatsächlich pulsiert sogar die Hauptschlagader an James' Hals, seine Hände sind geballt. Ich bin froh, dass Amber mir einen Hieb gegeben hat, jedoch war dieser Moment so elektrisierend, dass ich ihn noch gerne länger gehalten hätte. Ich verbanne diesen Gedanken aus meinem Kopf und werde rot. Raedwulf blickt wieder auf den Tisch, jetzt leicht beschämt. Dies wiederum scheint Aelfric zu beruhigen.

„Also, wie lange kennt ihr euch schon alle?", fragt Amber, um die peinliche Stille, die sich auf unserem Tisch verbreitet hat, aufzulösen. Ich bin ihr sehr dankbar dafür.

„Lange", antwortet Cole knapp und grinst sie an, „außer Scarlett natürlich, die kennen wir auch erst seit heute."

Die beiden beginnen, sich zu unterhalten. Ich habe den Eindruck, dass sie flirten, was die Aufmerksamkeit von mir lenkt und mir somit sehr zugute kommt.

„Was ist mit Hrodwyn und Lebuin, haben die nicht bald Schulschluss?", frage ich an die Grayheads gewandt.

„Ja, wenn wir mit dem Essen fertig sind, holen wir sie ab. Sie haben dann schon was gegessen, du musst also nichts für sie machen", antwortet Aelfric.

„Und ihr? Wollt ihr nichts essen?"

„Wir haben keinen Hunger", meint Aelfric lässig. Raedwulf mischt sich nicht mehr in das Gespräch ein. Mir kommt es so vor, als ob Aelfric ihn irgendwie dazu auffordern würde, auch wenn das natürlich Schwachsinn ist.

„Ihr habt heute Morgen schon nichts gegessen, wie könnt ihr da keinen Hunger haben?"

Aelfric zuckt mit den Schultern und lächelt mich so einvernehmlich an, dass mir nichts mehr zu dem Thema einfällt. Langsam frage ich mich, ob er das absichtlich macht.

„Schmeckt dir denn das Essen?", fragt er höflich.

„Mhm", mache ich verwirrt und senke meinen Blick. Die Gedanken strömen zurück und ich kann wieder denken.

„Wenn wir schon bei den Zwillingen sind, was ist eigentlich meine Aufgabe? Für was bin ich zuständig?", frage ich, während ich konzentriert auf einer Tomate rumstochere. Aelfric überlegt einen Moment.

„Eigentlich sollst du sie einfach beschäftigen. Ihnen fehlt eine weibliche Bezugsperson, deshalb bist du da. Sie sind ansonsten aber selbstständig genug, du musst sie also nicht bekochen oder erzieherische Tätigkeiten übernehmen. Im Notfall sind ja immer wir drei da."

Ich nicke meinem Teller zu. Diese Spannung, die immer noch zwischen mir und dem passiven Raedwulf liegt und durch Aelfric noch verstärkt wird, kann ich nicht mehr aushalten. Ich stehe auf und meine, ich würde auf die Toilette gehen. Ohne weitere Anmerkungen der Anderen zu beachten verlasse ich den Raum, stürze ins nächstgelegene WC und stütze mich mit den Händen auf ein Waschbecken. Verzweifelt schließe ich die Augen und versuche zu denken.

„Alles ok mit dir?"

Ich zucke herum und stehe Kate gegenüber, die mich schüchtern anlächelt.

„Du bist so schnell auf die Toilette gerannt, stimmt etwas nicht?"

Erschöpft seufze ich. Ich kann es gerade nicht gebrauchen, von ihr wegen irgendwelcher mysteriösen Sachen bezüglich der Grayheads gewarnt zu werden, die sie nicht weiter erläutern will.

„Es ist alles gut."

„Sicher? Hör mal, ich weiß, es muss schrecklich sein, solche Sachen über deine Gastfamilie zu hören, ohne weitere Erklärungen. Ich will es ja erklären, aber ich... ich kann einfach nicht! Noch nicht. Vielleicht geht es irgendwann, aber eben jetzt noch nicht. Du musst mir einfach vertrauen, die Grayheads sind böse! Sie sind gefährlich! Glaube ihnen kein W-"

„Weißt du was, warum sollte ich dir glauben? Die Grayheads sind sehr nett zu mir, sie sind freundlich und geben mir ein gutes Zuhause. Ich kenne dich nicht, Kate. Ich weiß es zu schätzen, dass du mich warnen willst, wovor auch immer, denn du scheinst es ja wirklich zu glauben. Aber ich glaube du täuschst dich in ihnen."

„Nein, wirklich, hör mir doch zu!", wimmert Kate völlig aufgebracht, Panik steht in ihren Augen. Hinter ihr schlägt die Tür auf und Amber betritt den Raum.

„Hey Scarlett, ist bei dir alles gut?", fragt sie mich, verwirrt auf die aufgelöste Kate blickend. Kate schaut mich ein letztes Mal flehend an, dann geht sie aus dem Raum. Amber verfolgt sie mit ihrem Blick und geht langsam auf mich zu.



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