Kapitel 4/3

2 0 0
                                    

„Was ist denn los?", frage ich behutsam.

„Was sollte das mit Veland? Was habt ihr gemacht?", fragt er gepresst, als ob er seinen Zorn mühsam unterdrücken müsste. Er schaut mir dabei nicht einmal in die Augen. Entgeistert gucke ich ihn an. Als ich nicht sofort antworte, schaut er mich an, einen eindringlichen Ausdruck in den Augen.

„Nichts."

Er schnaubt ironisch.

„Natürlich. Ich weiß, dass ihr im Wald ward, hat er dich irgendwie dazu gebracht, dass du mit ihm dorthin gehst?"

„Was? Nein, überhaupt nicht!", sage ich verwirrt. Was meint Aelfric damit, würde das denn Velands Plänen entsprechen? Aelfric sieht mich jetzt verzweifelt an und tritt näher an mich heran. Dann spricht er kontrollierter weiter.

„Scarlett, du musst mir sagen, was passiert ist."

„Warum?", frage ich trotzig. Ich würde ihm ja alles sagen, wenn er nicht so seltsam reagieren würde. Ok, ein paar Details würde ich weglassen.

„Ich muss es wissen! Ich... es ist sehr wichtig", schließt er. Diese ganzen dummen Andeutungen machen mich verrückt. Erst Kate, dann Raedwulf, jetzt Aelfric. Will mir denn niemand sagen, was Sache ist? Langsam werde ich wirklich wütend. Aelfric schaut mich jetzt aber so flehend an, er scheint richtig verzweifelt. So gerne ich ihn gerade im Regen stehen lassen würde, tut er mir leid.

„Ich habe mich im Wald verlaufen, Veland hat mich gefunden und nach Hause gebracht. Fertig. Aber wenn ihr mir nicht langsam mal sagt, was die ganze Aufregung soll, raste ich noch aus!", sage ich und will an Aelfric vorbei, der mir aber den Weg versperrt, indem er sich vor mir aufbaut. Er ist wirklich groß und breit. Sofort bin ich eingeschüchtert, will es mir aber nicht anmerken lassen. Ich bleibe also stehen, funkle ihn aber böse an.

„Meine Vorlesung fängt gleich an."

Aelfric seufzt und die Wut fällt von ihm an. Er scheint sein Verhalten zu bereuen.

„Tut mir leid. Ich sollte nicht so mit dir umgehen, bitte verzeihe mir. Ich mache mir nur Sorgen, dass Veland dir nach seinen Aktionen etwas antuen würde. Ich habe dir doch versprochen, dich zu beschützen."

Als er so beschämt dasteht, verpufft auch mein Zorn. Ich schaue zu Boden.

„Schon gut. Ich finde es ja lieb, dass du aufpassen willst, aber ich bestimme trotzdem über mich selbst, ok? Und letzte Nacht bin ich einfach nur so dumm gewesen und allein in den Wald gelaufen. Veland hat nichts damit zu tun."

Aelfric schaut mich jetzt zart an, fast schon liebevoll. Erneut ist es mir unangenehm, von so einer Intensität durchbohrt zu werden.

„Natürlich. Verzeihe mit. Aber gehe besser nicht mehr allein in den Wald."

Wir lächeln uns an und schweigen einen Moment, ohne dass Aelfric sich bewegt.

„Kann ich dann...", frage ich und nicke Richtung Eingang.

„Oh, natürlich", sagt Aelfric und schüttelt den Kopf über sich selbst. Dann gibt er mir den Weg frei.

Ich lasse ihn in der Bibliothek zurück und eile zu Mystik und Sagen. Noch bin ich nicht zu spät, ich muss mich aber beeilen. Als ich den Kursraum betrete, winkt mir Amber zu. Ich setze mich schnell zu ihr und packe meine Sachen aus.

„Hey, geht's dir besser? Gestern war's ja ganz schön chaotisch", fragt sie mich freundlich.

„Ja, geht schon wieder. Ich habe etwas Klarheit in mir geschaffen."

„Etwa mit einer stürmischen Nacht? Du siehst echt fertig und zerzaust aus", fragt sie kichernd.

Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Auch wenn Amber mir oberflächlich erscheint, ist sie sehr nett.

„Wenn du es so sagen willst", antworte ich und zwinkere ihr verschwörerisch zu. Wir müssen lachen. Es tut gut, sich mit jemanden über einfache, dumme Sachen zu unterhalten. Bevor wir aber weiterreden können, tritt der Professor ein und beginnt seine Vorlesung.

Er wiederholt in ein paar knappen Sätzen, was wir letzte Vorlesung besprochen haben, nämlich eine Definition des Begriffes „Mythos". Mir kommt das sehr gelegen, da ich ja nichts davon mitbekommen habe.

„Nun werden wir uns weiter mit dem Thema Fabelwesen in menschlicher Gestalt beschäftigen. Darunter zählen die bekannten Feen, Dämonen, Werwölfe, Hexen, Vampire und Meerjungfrauen, aber auch unbekanntere Wesen wie Ghule, Zentauren, Gnome und Incubi."

Alles klar, das ist also ein Kurs, der uns erzählt, dass Wesen, die nicht existieren, existieren. Zwar finde ich es spannend, etwas über die ganzen Sagen, die um diese umherkreisen, zu lernen, doch spricht der Prof so überzeugt von ihnen, als ob es sie wirklich geben würde. Ich bin mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Dennoch höre ich interessiert zu.

„Beginnen wir mit den Ihnen bekannten Wesen. Kann mir jemand etwas über die genannten Fabelwesen sagen?"

Einige Studenten heben die Hand. Das hier ist also eine Vorlesung, in der man aufpassen muss, damit man nicht aufgerufen wird, wenn man gerade nicht hingehört hat. Wie in der Schule, stelle ich etwas mürrisch fest. Der Prof ruft einen Kommilitonen auf.

„Werwölfe sind Menschen, die sich bei Vollmond in einen Wolf verwandeln."

„Genau. In diesem Zustand sind sie extrem aggressiv und fallen überjedes Opfer in Reichweite her", antwortet der Professor und redet weiterüber den Mondzyklus, die Verwandlung eines Werwolfs, der Impulsivität derer unddie Möglichkeit, diese zu töten. Nämlich mit Silberkugeln.


SalvationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt