Kapitel 3/8

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Ich gehe langsam in die Richtung, aus der ich gekommen bin, bin aber davon überzeugt, dass ich jetzt schon nicht mehr auf dem Weg laufe, auf dem ich hergekommen bin. Wenn ich es schaffe, irgendwie aus dem Wald zu kommen, dann werde ich es bestimmt auch wieder zum Anwesen schaffen, aber wo endet er? Ich stolpere über eine Wurzel und halte mich an einem Baum fest, um nicht zu stürzen. Es ist jetzt so viel mühsamer, sich durch die Farne zu schlängeln.

Ich laufe weiter. Immer mehr Panik steigt in mir auf. Wie zur Hölle bin ich nur auf so einen dummen Einfall gekommen! Ich verfluche mich innerlich, doch hilft mir das jetzt auch nichts. Ich stolpere erneut und schürfe mir beim Auffangen meine Hände auf. Sie fangen an zu brennen, doch nimmt mir das Adrenalin den Schmerz. Ich überlege mir, während ich aufstehe, ob ich nicht einfach hier warten solle, bis der Tag anbricht. Doch ist der Wind jetzt so eisig, dass ich mich lieber weiterbewege.

Es fällt mir immer schwerer, mich durch den Wald zu kämpfen. Ja, bis vorhin war er schön, jetzt kommt er mir aber eher wie ein düsteres Loch vor, das mich von allen Seiten bedrängt und gefangen hält, zischend und wispernd. Meine Angst steigt. Aus meinen Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung wahr. Ich gebe einen erschrockenen Laut von mir und drehe mich in die Richtung, aus der sie kam, doch ist da nichts. Ich starre weitere Sekunden in die Dunkelheit und bewege mich nicht. Ich höre sogar auf zu atmen. Doch ist immer noch nichts zu erkennen, also laufe ich vorsichtig weiter.

Mein Puls rast. Ich höre mein Blut so schnell durch meinen Körper pumpen, dass ich mich fürchte, warnende Geräusche nicht mehr wahrnehmen zu können.

Das bilde ich mir alles nur ein, rede ich mir ein. Was sollte in einem stinknormalen Wald schon passieren. Hier gibt es nichts, was mich beunruhigen könnte. Es gibt nichts, was mir etwas antun könnte. Nichts. Im Wald leben liebe, normale Tiere, dass sie sich bewegen und Geräusche machen, ist doch klar.

Aus weiter Entfernung höre ich ein Heulen. Es läuft mir eiskalt den Rücken hinunter, ich erstarre sofort. Jetzt habe ich nicht mehr nur Angst, ich habe Panik. Das Pochen meines Herzes lässt mein Trommelfell bersten. Ich bin mir sicher, dass man meinen Herzschlag kilometerweit hören kann. Ein Wimmern ertöt. Ich zucke zusammen, bis mir auffällt, dass ich diesen Laut ausgestoßen habe.

Dummes Mädchen!

Tränen steigen mir in die Augen. Ich habe die Wölfe ganz vergessen. Zitternd versuche ich noch ein paar Schritte zu machen, habe aber so eine Angst, dass ich mich an einen Baum kauere und versuche, mich nicht zu bewegen. Ich schlinge meine Arme um meine Knie und kneife meine Augen zu, so wie ich es gemacht habe, als ich klein war. In diesem Moment scheint es mir aber nicht so lächerlich zu sein.

Noch ein Heulen. Wie an meinem ersten Tag hier, ist es jetzt näher. Bitte, lass mich das nur eingebildet haben! Plötzlich streift mich etwas am Hals. Ich kreische, springe auf und schaue hinter mich. Panisch schaue ich mich um, doch da ist nichts. Als ich genauer hinschaue, erkenne ich einen Farn. Es war nur eine Pflanze. Aber jetzt haben mich vielleicht die Wölfe gehört.

Ich umschlinge meine Brust und kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Mein ganzer Körper ist so dermaßen angespannt, dass ich mich kaum mehr bewegen kann. Trotzdem versuche ich, weiter zu kommen. Egal wohin, Hauptsache weg von dem Heulen. Es fällt mir sehr schwer zu laufen, jetzt sehe ich das Bisschen, was ich davor gesehen habe, nur noch durch einen Tränenschleier.

Hinter mir ertönt ein Knacken. Zum dritten Mal, diesmal bin ich mir aber ganz sicher, hinter mir ist etwas. Ich bin mir absolut sicher. Ich traue mich nicht, mich umzudrehen. Wie erstarrt stehe ich da, gefasst auf das, was ich jetzt gleich sehen werde. Langsam, ganz langsam, drehe ich mich um, zitternd und verkrampft. Und tatsächlich. Diesmal hatte ich Recht. Da ist jemand.


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