Kapitel 16

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Nach dem Essen legen sich viele Männer zum Schlafen hin. Auch Eustachius' vertrautes Schnarchen tönt über den Strand. Ich jedoch kann nicht schlafen. Meine Gedanken kreisen um Narnia. Um all das hier. Was passiert, wenn Lucy und ich nicht mehr nach Narnia können und das unser letztes Mal hier ist? Was passiert, wenn Evangeline zu Hause ist und Lucy und Ich wieder zu unserer Familie reisen? 

Wir würden auseinander gehen. Möglicherweise sehen wir uns nie wieder. Ich lasse den Sand durch meine Finger rieseln und schaue auf das Meer hinaus. Erst nach wenigen Sekunden merke ich, dass sich jemand neben mich gesetzt hat. Ich muss mich gar nicht umdrehen, um zu wissen, dass es Evangeline ist. Sofort muss ich an Lucy und Kaspian denken und an das, was sie heute auf dem Schiff gesagt haben. 

,,Woran denkst du?", fragt sie schlicht. Ich warte lange mit meiner Antwort, da ich ihr nicht sagen will, dass ich an sie gedacht habe. 

,,An Narnia. An das war passiert, wenn wir Narnia verlassen. Ich habe Angst, dass sich alles verändert.", gestehe ich offen. Zum ersten Mal fühle ich mich, als könnte ich ihr alles erzählen. Verstehend legt sie eine Hand auf meine Schulter. Sofort fängt diese Stelle an zu kribbeln und eine angenehme Wärme breitet sich aus. 

,,Ich habe Angst, dass nach Narnia alles gleich bleibt.", gesteht sie. Verwirrt blicke ich sie an, aber sie weicht meinem Blick aus. Ich nehme ihre Hand sanft in meine, worauf sie aufschaut. In ihren Augen kann ich sowohl Hoffnung als auch Schmerz erkennen.

,,Was meinst du damit? Du kannst mir vertrauen.", erwidere ich besorgt. Kurz drückt sie meine Hand, bevor sie antwortet. 

,,Ich will, dass sich etwas ändert. Ich kann nicht länger in diesem Alltag leben.", antwortet sie mit brüchiger Stimme. 

,,Ich-Ich kann dich immer noch nicht verstehen."

,,Das musst du nicht. Sei einfach für mich da.", sagt sie mir, während eine Träne über ihre Wange rollt. Vollkommen geschockt von dieser Situation, weiß ich nicht was ich tun soll. Schlussendlich ertrage ich es nicht mehr sie so zu sehen und ziehe sie in eine feste Umarmung. Fast schon klammert sie sich an mich, während ich ihr beruhigend über die Haare streiche. 

,,Ich bin immer für dich da. Versprochen.", flüstere ich, bevor ich ihr einen sanften Kuss auf die Haare gebe. Instinktiv hoffe ich, dass sie mein rasendes Herz nicht hören kann und drücke sie fester an mich. Ich spüre ihre Tränen auf meinem Hemd und ihre Schluchzer bohren sich in meine Knochen. Innerlich schwor ich mir, dass ich alles tun würde, um ihr zu helfen und sie zu beschützen. Ich denke das ist der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich mich in sie verliebt habe.


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Evangeline

Müde öffne ich die Augen. Die Sonne ist gerade aufgegangen und scheint mir in die Augen. Verwirrt richte ich mich auf. Ich liege auf meinem provisorischen Schlafplatz. Edmund muss mich hierher getragen haben, da ich mich nicht erinnern kann, hier her gegangen zu sein. Als ich mich an gestern Abend erinnere, verändert sich meine Stimmung schlagartig. Ich bin zwar unglaublich froh, dass Edmund hinter mir steht, aber ich habe wirklich Angst davor, was passiert, wenn ich wieder meiner Mutter begegne. Ich bin mir auch nicht sicher, was geschieht, wenn wir meinen Vater wiederfinden. 

Müde sehe ich mich um und versuche alle negativen Gedanken aus meinem Gehirn zu löschen. Einige Meter entfernt schläft Edmund und sofort erröte ich, als ich daran denke, wie nah wir uns gestern waren. Nachdem ich auch Eustachius friedlich schlafend vorgefunden habe, suche ich nach Lucy, aber das braunhaarige Mädchen kann ich nirgends entdecken. Besorgt stehe ich auf, aber meine Freundin bleibt verschwunden. Alarmiert stürze ich zu Edmund und wecke ihn auf. Als er meine besorgtes Gesicht sieht, richtet er sich sofort auf. 

,,Was ist los?"

,,Es geht um Lucy. Sie ist verschwunden.", antworte ich schnell. Sofort ist Edmund hellwach und springt auf. Während er vergeblich nach seiner Schwester sucht, wecke ich Kaspian, der mit einem lauten Ruf auch die Männer alarmiert. Sofort rüsten sie sich mit Waffen aus und gemeinsam laufen wir durch den dichten Wald. Wir kommen an einem großen und gepflegten Garten an, welcher von Heckenfiguren geziert wird. Doch Lucy bleibt verschwunden. Wir gehen weiter in den Garten hinein. Plötzlich sehe ich etwas im Gras aufblitzen und stürme hin.

,,Ihr Dolch! Sie ist hier gewesen.", rufe ich den Jungs zu, da sie etwas weiter weg waren. Plötzlich höre ich viele Stimmen, die dunkel und gruselig sprechen. Instinktiv halte ich ihren Dolch fest in meiner Hand. 

,,Evangeline. Komm wieder hier her!", ruft Edmund besorgt. Gerade will ich mich umdrehen, doch eine unsichtbare Kraft zieht mich zurück. Mit einem Schrei werde ich nach oben gezogen. Lucys Dolch wird mir aus der Hand gezogen und ich spüre wie er an meinen Hals gehalten wird. Nicht fest, aber trotzdem gefährlich. 

,,Nein! Lass sie los!", brüllt Edmund wütend. 

,,Legt eure Schwerter weg und dann lasse ich sie los.", ertönt eine tiefe Stimme. Mit einem gequälten Blick auf mich lässt Edmund sein Schwert fallen. Nacheinander auch die restliche Besatzung der Morgenröte. Die Waffen werden von Unsichtbaren an sich genommen und gegen sie gehalten. Plötzlich lockert sich der Griff um mich und ich falle auf den harten Boden. Sofort stelle ich mich hinter Edmund, welcher seinen Arm nach mir ausstreckt. 

,,Was seid ihr?", fragt Kaspian gebieterisch. Die Wesen brummen sich einander Worte zu, aber vor Adrenalin pochen meine Ohren, dass ich nichts mehr höre. 

,,Wir haben den Körper eines Tigers."

,,Und den Kopf eines.....anderen Tigers!", fügt eine andere Stimme hinzu. Verwirrt versuche ich den verschiedenen Stimmen zu folgen, doch alle reden wild durcheinander. Trotz Edmunds Schutz fühle ich mich ängstlich. Am Liebsten wäre ich schreiend weggelaufen. Edmund scheint meine Anspannung zu spüren, denn er verschränkt seine Hand mit meiner und zieht mich näher zu mich heran. Mein Herz fängt an zu rasen und ich kann mich nur noch auf ihn konzentrieren.

Ich konzentriere mich so sehr auf seine Nähe, dass ich erst bemerke, dass etwas geschehen ist, als die Besatzung der Morgenröte laut auf keucht. Überrascht drehe ich meinen Kopf und komische Wesen, die nicht mal einen Meter groß sind, stehen vor uns. 

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt