Kapitel 34

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Mit kräftigen Zügen treiben Kaspian und Edmund das Boot in Richtung Aslans Land. Gegenüber von mir sitzen Lucy und Eustachius, während mein Vater ganz dicht neben mir sitzt. Früher haben wir uns nicht so oft berührt, nicht oft umarmt, sodass jede Berührung etwas besonderes war. Doch jetzt kann und will keiner von uns Beiden den Kontakt abbrechen. Jedoch spüre ich eine kleine Anspannung in meinem Vater aufkommen, als wir uns der Insel näherten. Meine Sorge verschwindet sogleich, als Reepicheep glücklich ein Lied vor sich hin summt. 

Als wir der Insel immer näher kommen, tauchen auf der Wasseroberfläche weiße Blüten auf. Fasziniert davon strecke ich meine Hand nach ihnen aus und lasse meine Hand so im Wasser treiben. Instinktiv spüre ich wie ein Blick auf mir ruht und sehe zu Edmund, der mich mit einem leichten Lächeln beobachtet. Als er merkt, dass ich ihn erwischt habe, färben sich seine Ohren rot, worauf ich lachen muss. 

Als Rache beugt er sich über das Wasser und schöpft eine Hand voll daraus. Kurze Zeit später bin ich auch schon nass und es eskaliert zu einer Wasserschlacht. Unbewusst bespritzen wir auch die andern, welche sich nun lauthals beschweren. 

,,Irgendwie seit ihr ganz schön nervig.", murmelt Eustachius augenrollend. Neben ihm fängt Lucy an zu grinsen. Misstrauisch wechseln Edmund ich einen Blick, doch es war bereits zu spät. Mit  einem kräftigen Schubs von Lucy werden wir ins Wasser gestoßen. 

Erschrocken keuche ich auf und sehe zu Lucy, welche nur siegessicher grinst. 

,,Wir warten auf der Insel auf euch, ja?", ruft sie und winkt glücklich. Neben mir stoßt Edmund einige Verwünschungen aus, worauf ich lachen muss. Dann schwimmt er auf mich zu. Seine nassen Haare kleben an seiner Stirn und ich halte mich an seinen Schultern fest. 

,,Du hast ja gar keine Angst mehr vor dem Wasser.", sagt Ed überrascht. 

,,Vielleicht weil du hier bist. Oder bist du traurig, nicht mehr mein Retter zu sein?" 

,,Oh, irgendwann wirst du mich wieder brauchen.", verspricht Edmund flüsternd, als er meinem Gesicht immer näher kommt. Egal wie oft wir uns schon so nahe waren, ich werde mich nie daran gewöhnen. Wahrscheinlich werde ich mich auch nie daran gewöhnen, dass Edmund jetzt zu mir gehört. Oder, dass ich ihn einfach küssen könnte. 

Mit einem Ruck zieht mich Ed zu sich, sodass ich meine Beine um seine Hüfte schwinge. Mein eigenes Selbstbewusstsein überrascht mich, doch es war mir egal. Behutsam streicht Edmund meine nassen Haare hinters Ohr und drückt mir dann einen federleichten Kuss auf die Lippen. 

Wir beide müssen anfangen zu lächeln und trennen uns voneinander. 

,,Hey, ihr Turteltauben!", schreit plötzlich eine belustigte Lucy. ,,Kommt her, oder wir gehen ohne euch!" 

Als wir an der Insel ankommen, kann ich meinen Augen nicht trauen. Eine zehn Meter hohe Wellenwand türmt sich am Strand auf. Sie sieht aus, als könnte sie gleich über uns zusammenbrechen, doch das tut sie nicht. Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus und ich könnte Räder schlagen, weil ich so glücklich bin. Ich spüre, wie dieser Ort jeden von uns verzaubert. Er lässt uns frei fühlen, als wären wir an nichts und niemanden gebunden. 

Geschlossen gehen wir auf die Wasserwand zu, doch keiner weiß was uns erwartet. Plötzlich höre ich Eustachius hinter mir auf keuchen, worauf ich mich sofort besorgt zu ihm umdrehe. Ich folge seinem Blick und entdecke den riesigen Löwen, der hinter uns mit sanften Schritten, die auf dem Sand nicht zu hören waren, gelaufen ist. Sofort wusste ich, dass es Aslan ist und verspüre den Drang, mich vor ihm zu verbeugen. 

,,Aslan!", ruft Lucy aufgeregt und rennt zu dem Löwen hin, der sie mit einem tiefen Lachen empfängt.

,,Ist das dein Land, Aslan?", fragt Kaspian bedacht und sieht zu dem Löwen. Der Löwe sieht Kaspian mit einer erstaunlichen Ruhe an, sodass er überhaupt nicht gefährlich wirkt. 

,,Dahinter liegt mein Land. Da hast du Recht.", antwortet Aslan und beim Klang seiner Stimme wärmt sich mein Körper auf. ,,Ihr habt großartiges geleistet. Wirklich großartiges." 

Aslan blickt kurz zu meinem Vater, doch sein Blick gilt Reepicheep, der vor ihm steht und sich tief vor ihm verbeugt, bevor er an seinem Schwert zupft. 

,,Aslan. Schon immer war es ein Traum von mir gewesen dein Land zu sehen.", sagt Reepicheep.

,,Es wäre mir eine Ehre, ein solch reines Herz wie deines in meinem Land zu wissen. Aber du weißt, wenn du einmal dort bist, gibt es keinen Weg zurück.", antwortet Aslan geduldig. Mein Herz wird schwer, doch mir ist bewusst, dass es keinen besseren Held in Narnia gibt als  Reepicheep. 

,,Ich danke dir, Aslan.", sagt Reepicheep und wendet sich dann uns zu. Ich sehe wie mein Vater Eustachius die Schulter drückt und merke darauf, dass mein bester Freund den Tränen nahe steht. Auch ich drücke ihn und lege meinen Arm um seine Schulter, als wir uns zu zweit zu Reepicheep hinunterbeugen. 

,,Werden wir dich je wieder sehen?", fragt Eustachius, während ihm Tränen die Wange hinunter laufen. Als ich ihn so sehe, muss ich auch fast anfangen zu weinen. 

,,Da bin ich mir sicher. Es war mir eine Ehre einen solchen Helden und eine solche Heldin an meiner Seite zu haben.", antwortet Reepicheep und verbeugt sich vor uns. 

,,Dasselbe gilt auch für dich.", antworte ich ihm, als er sich schon zu Kaspian, Edmund und Lucy wendet. Nachdem er sich auch von ihnen verabschiedet hat, legt er sein Schwert nieder und steigt in das kleine Boot, das am Beginn der Wellen steht. Er setzt sich hinein und fängt an zu Rudern. Als er oben ist winkt er uns noch einmal zu und verschwindet dann ganz hinter den hohen Wellen. Mein Herz wird schwer, doch ich bin froh, dass ich Reepicheep kennenlernen durfte. 

,,Das ist unser letztes Mal hier oder, Aslan?", fragt Lucy plötzlich und sieht traurig zudem Löwen. Dieser nickt nur und blickt zu den Geschwistern. 

,,Genau wie Susan und Peter seid ihr jetzt erwachsen geworden. Ihr habt alles gelernt, was ihr in Narnia lernen konntet.", antwortet Aslan und ich sehe besorgt zu Lucy und Edmund. Beide sehen traurig aus, doch anscheinend hat es sie nicht überrascht.

,,Werden wir dich wiedersehen?", fragt Lucy und ich spüre wie sehr ihr das ans Herz geht. Doch als ich zu Edmund sehe, bricht mir sein Anblick fast das Herz. Sein Kopf hängt nach unten, als er einen Schritt zu Aslan geht. Am Liebsten wäre ich zu ihm gerannt und hätte ihn in meine Arme geschlossen. 

,,In eurer Welt trage ich einen anderen Namen. Ihr seid nach Narnia gekommen, um mich hier kennenzulernen, sodass ihr mich in eurer Welt findet. Hab keine Angst, meine Liebe. Du wirst wieder nach Narnia kommen. Ihr alle.", verspricht er ihr, worauf sie noch betrübt nickt. 

,,Werden wir wieder nach Narnia kommen?", fragt Eustachius und deutet auf ihn und mich. Aslans Blick fällt auf mich und dann auf meinen Vater. 

,,Wenn Narnia eure Hilfe braucht, seid ihr die Kämpfer, die ich brauche. Jedoch bist du auch aus einem anderen Grund hier, Evangeline.", antwortet Aslan und sieht meinen Vater an. Verwirrt sehe ich auch zu ihm, doch mein Vater lächelt mich nur schwach an. 

,,Sie ist hier her gekommen, damit wir uns richtig verabschieden können, oder?", fragt mein Vater und wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Völlig verwirrt sehe ich zwischen meinem Vater und Aslan hin und her. Als mein Vater zu Aslan geht, halte ich ihn mit der Hand auf.

,,Was hat das zu bedeuten, Dad?", frage ich. Mein Vater nimmt meine Hand in seine und streicht darüber. 

,,Ich existiere nicht mehr in eurer Welt. Ich wäre nur ein Schatten meiner selbst. Ich gehöre nicht mehr in eure Welt.", sagt er und Tränen sind in seinen Augen. 

,,Ich verstehe nicht-", schluchze ich und schlinge meine Arme um ihn und vergrabe meinen Kopf in seiner Brust, so wie ich es früher immer getan habe. 

,,Dein Vater wird in meinem Land bleiben. Nun liegt es an dir.", sagt Aslan und sieht mich mitleidig an. Verwirrt sehe ich zu den anderen, die komplett überrascht zu uns sehen. 

,,Du kannst mit deinem Vater gehen, in mein Land, aber du wirst nie wieder in deine Welt zurückkommen."

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt