Kapitel 41

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Wir setzen uns gemeinsam in ein Abteil, das noch leer war. Lucy hatte ihren Koffer bereits verstaut und setzt sich auf den Platz am Fenster. Edmund verstaut seinen und meinen größeren, in dem meine ganzen Habseligkeiten sind, da ich nicht sehr viel eigenes besitze. Er bestand darauf ihn zu tragen, um meine noch heilenden Wunden zu schonen.

Nachdem ich wieder einigermaßen laufen konnte, wollte ich zu meinem Haus, um meine Sachen zu holen. Doch Edmund bestand darauf, dass Mr. und Ms. Scrubb sie holen. Irgendwie bin ich ihm dankbar, da ich nicht weiß, ob ich dafür bereit gewesen wäre.

Gemeinsam sehen wir aus dem Fenster und im überfüllten Bahnhof kann ich gerade noch Eustachius ausmachen, der wie wild mit den Armen winkt. Überrumpelt winke ich schwach lächelnd zurück, doch aus meinem Auge entwischt eine einzelne Träne. Ich spüre wie Edmunds warme Hand meine ergreift und mich zu ihm zieht, als wir aus dem Bahnhof gefahren sind.

,,Du wirst ihn wiedersehen.", flüstert er mir zu, während er mit seiner Hand beruhigend meinen Arm streichelt.

,,Aber ich kann das Gefühl nicht abschalten als würde ich ihn zurücklassen.", gestehe ich ihm traurig. Er streicht einmal über meine Wange und sieht mich ungläubig an.

,,Wann wirst du je anfangen, mal an dich selbst zu denken? Wir alle waren damit einverstanden. Auch Eustachius.", versichert er mir, worauf ich ihm leicht zunicke. ,,Ruh dich ein wenig aus. Wir haben eine lange Reise vor uns." Ich nicke nur gähnend und sehe schmunzelnd zu Lucy, die sich bereits in eine Decke eingekuschelt hat und friedlich schläft. Gähnend lehne ich meinen Kopf auf Edmunds Schulter und spüre wie er einen Arm um mich legt.

Wenige Stunden später werde ich durch ein sanftes Rütteln an meiner Schulter geweckt. Müde sehe ich zur Person hinauf und entdecke Lucy, die mich breit angrinst. Sofort muss ich ihr Lächeln erwidern und stehe auf, um mich zu räkeln.

,,Wir sind in 2 Minuten da.", erklärt sie Edmund und mir, der sich noch müde die Augen reibt. Auf einmal wird mir ganz schwindelig, bei dem Gedanken, dass ich die Eltern meines festen Freundes kennenlernen werde. Ich meine, was soll ich sagen? Sehe ich passabel aus? Oh Gott, meine Haare sehen vermutlich schlimm aus, weil ich geschlafen habe. Meine Sachen sind verknittert. Wie soll ich so einen guten ersten Eindruck machen?

,,Alles okay, Evangeline? Du bist so blass.", meint Lucy besorgt.

,,Ich habe nur noch ein wenig Kopfschmerzen. Noch dazu bin ich aufgeregt.", antworte ich und winke ab. Edmund legt eine Hand auf meine Stirn, um zu fühlen ob ich Fieber habe.

,,Ist noch ein wenig warm. Wenn wir nach Hause kommen, wirst du dich ein wenig hinlegen.", meint er und zieht seine Hand wieder weg.

,,Ich will aber eure Familie kennenlernen.", widerspreche ich ihm und schmolle, um meine Aufregung zu verstecken. Er nimmt mich an der Hand und streicht beruhigend über meinen Handrücken.

,,Vater und Mutter werden erst zum Abendessen wieder nach Hause kommen. Susan und Peter werden da sein. Peter holt uns ab, denke ich.", meint Lucy.

Es tut mir leid, aber diese Aussage beruhigt mich nicht im geringsten.

Gemeinsam steigen wir aus dem Zug. Von der langen Fahrt spüre ich die Narben an meinem Körper. Solange sie nicht wieder aufreißen würden, sollten sie schnell verheilen. Mit meinen Augen halte ich nach jemandem Ausschau. Da nicht viele aussteigen, stehen auch nicht viele Menschen am Bahnhof.  Ich habe mir ein Familienfoto von ihnen angesehen, aber ich kann mir einfach keine Gesichter merken. 

Plötzlich höre ich Lucy neben mir aufschreien, sodass ich meinen Koffer fallen lasse, weil ich mich erschreckt habe. Ed lacht mich sofort aus, worauf ich peinlich berührt meinen Koffer aufhebe. Er greift nach meiner Hand und zieht mich mit ihm, sodass ich hinterherstolpere. Jedoch schleicht sich ein Grinsen auf meine Lippen. 

,,Peter!", ruft Lucy erfreut und rennt auf einen gut gebauten, großen, jungen Mann zu, der seine Arme geöffnet hat. Bevor sie ihn erreicht, lässt sie ihren Koffer fallen und springt in seine Arme. Mit Leichtigkeit wirbelt er sie umher und grinst sie an. Seine blonden Haare sind verwuschelt und doch strahlt er eine große Autorität aus. Er lässt seine Schwester wieder herunter und wendet sich Edmund zu, den er auch sofort in seine Arme schließt. 

,,Hallo, kleiner Kerl.", begrüßt er seinen Bruder, der ihm jedoch empört widerspricht. ,,Ich bin mittlerweile genau so groß wie du!" Peter ignoriert ihn und wuschelt ihm durch die Haare, worauf sich Edmund beschwert. Danach fällt Peters Blick auf mich und er kommt neugierig auf mich zu. Etwas eingeschüchtert knete ich meine Hände, wage es jedoch nicht auf den Boden zu sehen. In seinen Augen erkenne ich Freude und auch ein wenig Mitleid. Jedoch auch Stolz, was mich verwirrt. Überraschenderweise begrüßt er mich mit einer kurzen Umarmung, wodurch ich mich zuerst versteife, sie aber dann leicht erwidere. 

,,Ich bin froh, dass du mitgekommen bist. Dann ist Edmund wenigstens nicht mehr so genervt.", meint Peter lachend, wodurch ich grinsen muss. Peter nimmt Lucy und mir unsre Koffer ab und führt uns zu einem Wagen. Während der Fahrt reden wir viel und erzählen uns unsere Erlebnisse. Als wir über Narnia reden, erzählen sie mir von ihren Geschichten. Fasziniert davon starre ich aus dem Fenster und sehe mir die Umgebung an. 

,,Wir sind da.", reißt mich Peter aus meinen Gedanken und wir kommen vor einem etwas größeren Haus an, das einen großen Garten besitzt. Edmund hält mir gentlemanlike die Tür auf, worauf ich schmunzeln muss. 

,,Dein neues Zuhause.", flüstert er in mein Ohr. Lächelnd drehe ich mich zu ihm. 

,,Es wäre mir egal, solange du da bist.", antworte ich ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Wange, worauf er errötet. Als ich mich umdrehe und sehe, dass Peter uns mit offenem Mund anstarrt, werde ich auch rot und verstecke mich halb hinter Ed.

,,Ich wusste nicht, dass mein Bruder Romantiker sein könnte.", meint er ungläubig. Lucy schlägt ihm gegen die Schulter. ,,Du bist doch nur neidisch, weil er eine Freundin hat." Peter zieht übertrieben empört die Luft ein, sodass ich lachen muss.

,,In Narnia sind mir viele Frauen hinterhergelaufen.", meint er grinsend. Lucy jedoch drückt ihm augenrollend einen Koffer in die Hand.

,,Wir sind aber in der realen Welt, du Genie. Und in der realen Welt trägst du jetzt ganz brav unsere Koffer in unsere Zimmer.", lacht Lucy. Peter stimmt mit ein und trägt tatsächlich die Koffer hoch. 

Ed hält mir lächelnd seinen Arm hin und ich hake mich bei ihm ein. Gemeinsam gehen wir die Treppen hinauf zur Haustür und ich freute mich schon auf die Zukunft. Ich kann noch nicht vieles sagen, aber eines steht fest: Ich liebe diese Familie.

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt