Kapitel 3

4.6K 151 5
                                    

Bevor ich überhaupt Fragen stellen konnte, verschwinden Kaspian, Edmund und Lucy im Inneren des Schiffes. Eustachius und mir wird ein Bündel frischer Kleidung in die Hand gedrückt. Dann hat man uns in eine Kajüte gebracht, damit wir uns umziehen können. Eustachius ist mittlerweile so grün im Gesicht, sodass ich Angst habe er würde gleich zusammenbrechen. Ich stütze ihn und lege ihn behutsam in eine der unzähligen Hängematten. Um ihn zu wärmen, lege ich ihm die Handtücher drüber. Fast sofort war er eingeschlafen. Mit einem besorgten Gesicht streiche ich kurz über seine Haare, welche noch immer komplett nass waren und wende mich dann ab, um mich umzuziehen.

Meine Haut brennt, als ich mich aus meinem nassen Kleid schäle. Da das Salzwasser in meine offenen Wunden gelangt ist, ist meine Haut gerötet. Glücklicherweise ist die Kleidung, die man mir gegeben hat, am Rücken zu, sodass man nichts von den Narben erkennen kann. Dem Himmel sei Dank ist es kein Kleid, sondern eine normale Hose und ein weites weißes Hemd über das man eine dunkelrote Weste trägt. Schnell schlüpfe ich in die Sachen und lege Eustachius' Gewand behutsam neben ihn. 

Meine blonden Haare lasse ich offen, damit sie schneller trocknen, und versuche das hier zu verstehen. Es gefällt mir gar nicht, nicht zu wissen wo ich bin. Am Liebsten wäre ich bei Eustachius geblieben, doch ich will wissen, wie ich in dieses Land 'Narnia' gekommen bin und wie ich wieder weg kann. Natürlich sind viele Orte besser als mein Zuhause, doch ein Schiff in einem fremden Land war mir sicher nicht sympathischer.

Langsam steige ich die Treppe hinauf und drücke die schwere Luke nach oben. Sanftes Tageslicht fällt durch sie und zaubert mir ein kleines Gefühl von Heimat ins Gesicht. Vorsichtig steige ich aufs Deck und schaue mich nach den beiden Geschwistern um. Auf einmal höre ich eine Stimme hinter mir. 

,,Ich würde sie nun zu König Kaspian führen, um alle Missverständnisse zu beseitigen.", sagt sie und neugierig drehe ich mich um. Eine riesige Maus steht auf einem der vielen Masten und deutet auf mich. Entweder ich musste träumen oder ich bin verrückt geworden. Doch es überrascht mich aus unbekanntem Grunde nicht mehr. Wenn man die Tatsache betrachtet, dass wir durch ein Gemälde hier gelandet sind, scheint dies fast normal. 

Während ich der flinken Maus folge, die sich mir freundlicherweise als Reepicheep vorgestellt hat, sehe ich mich weiter um. Überall wuseln Schiffsleute umher oder rufen sich Befehle zu. 

,,Wer ist dieser König Kaspian? Wieso wurden die beiden Geschwister gleich zu ihm gebracht?", frage ich und versuche meine unhöfliche Neugier zu verstecken.  Doch der Mäuserich winkt nur lächelnd ab. 

,,Neugier ist in diesem Land nicht verboten.", fängt er grinsend an, ,, Kommen wir zu ihrer ersten Frage: Wie ihnen sicher schon aufgefallen ist, ist König Kaspian der König von Narnia. Um ihre zweite Frage zu beantworten: Hochkönig Edmund und Königin Lucy haben ihm geholfen seinen rechtmäßigen Thron zu besteigen und seinen Onkel Miraz zu besiegen." 

,,Das bedeutet sie waren schon einmal hier?", unterbreche ich ihn und füge dann schnell hinzu, ,,Entschuldigung." 

,,Diese Frage stellen sie ihnen am Besten selbst.", antwortet er gelassen und bleibt vor einer edlen hölzernen Tür stehen. Unsicher sehe ich zu ihm hinab. 

,,Lassen sie sich nicht von ihnen einschüchtern. Aslan hatte einen Grund, um sie und ihren Freund mit nach Narnia zu nehmen." Mit diesen Worten klopft er höflich an die Tür. Verwirrt und neugierig zu gleich knete ich aufgeregt meine Hände. Sofort ertönt Mutters Stimme mahnend in meinem Kopf und ich richte mich automatisch auf und verstecke meine zitternden Hände hinter meinem Rücken in der Hoffnung nicht zu ängstlich auszusehen. 

,,Herein."  


Vorsichtig drücke ich die Tür auf und trete unsicher ein. Sofort richten sich alle Blicke auf mich. Neben Kaspian und den Geschwistern, welche sich um einen Schreibtisch versammelt haben, steht ein grimmig schauender Mann und mustert mich misstrauisch. 

,,Danke Reepicheep. Drinian.", sagt Kaspian und nickt dem unbekannten Mann zu. Daraufhin verschwinden die beiden aus dem Raum. Reepicheep zwinkert mir noch einmal kurz zu doch mit ihm verschwindet auch das letzte Gefühl von Sicherheit. 

,,Wieso bist du hier?", fragt mich Edmund bedrohlich ruhig und stellt sich so vor mich, sodass ich wieder einmal zu ihm aufsehen muss. Damit spielt er perfekt aus, dass er größer ist als ich. Obwohl ich sehr von ihm abgelenkt bin, finde ich meine Stimme wieder.

,,Das wüsste ich auch gerne.", antworte ich und sehe hilfesuchend zu König Kaspian, der das alles belustigt beobachtet hat. 

,,Tee? Du siehst ziemlich durchgefroren aus.", meint er und bietet mir einen Stuhl an, auf welchen ich mich schnell niederlasse. Ich bin froh von Edmund weg zu sein. Ich mochte es nicht, wenn er mir so nah war, da ich ihn ja nicht einmal kenne. 

,,Danke.",antworte ich, ,,Eure Majestät:" Schnell füge ich diese Wörter hinzu, da ich mir auf einmal unhöflich vorkomme. 

,,Nenne mich einfach Kaspian. Das erspart uns einige Komplikationen.", bietet er an. Unsicher sehe ich von einem Gesicht ins andere. Hinter dem großen Schreibtisch hängen Bilder von Männern. Auch eine Landkarte hängt an der Wand. 

,,Es muss einen Grund gegeben haben wieso Aslan sie hier her geführt hat.", vermutet Kaspian und richtet seinen Blick wieder auf Edmund, der zu uns herangetreten ist.

,,Wer ist Aslan?", frage ich unhöflich, doch meine Neugierde und meine Ungeduld leiten mich. Edmund gibt ein sarkastisches Lachen wider, doch Lucy schlägt ihm sanft mit dem Ellenbogen in die Seite. 

,,Vergiss nicht, dass es uns auch einmal so gegangen ist.", sagt sie eindringlich, worauf er schuldbewusst seine Schultern hängen lässt. 

,,Lucy? Würdest du bitte mit-", fängt Kaspian an, doch sieht mich dann verzweifelt an.

,,Evangeline.", antworte ich belustigt.

,,Danke. Würdest du bitte Evangeline nach draußen begleiten und ihr alle Fragen beantworten?", vollendet er seinen Satz und blickt Lucy in die Augen. 

,,Natürlich.", antwortet sie glücklich. ,,Es ist schön wieder hier zu sein." Langsam richte ich mich auf und stelle die mittlerweile leere Teetasse auf den Schreibtisch. 

,,Vielen Dank, Kaspian." Während ich aufstehe, hält mir Lucy schon grinsend die Tür auf. Schnell klopfe ich mir wie gewohnt den Staub von der Hose, doch dieser Raum ist makellos und frei von jeglichem Schmutz. Als ich die Tür sanft schließe, sehe ich wie die beiden Männer anfangen miteinander zu diskutieren. Da ich nicht lauschen will, folge ich brav Lucy bis auf das Deck der Morgenröte.


Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt