Kapitel 23

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Durch einen erfreuten Schrei werde ich geweckt. Überrascht öffne ich meine Augen und richte mich auf. Gael deutet währenddessen jubelnd in den Himmel und deutet auf einen blauen Stern. Sofort sind Kaspian und ich hellwach und springen auf. Lucy fängt schon an ihre Sachen zusammenzupacken, doch ich sehe mich nach Evan um. Als ich zu Eustachius laufe, sehe ich, dass sie in seinen Armen tief schläft. Ihre kurzen Haare fallen ihr über die Stirn, sodass ihr Gesicht verdeckt ist. Eustachius beobachtet mich scharf und hebt seinen riesigen Drachenkopf warnend vor Evangeline. Augenrollend sehe ich in an, worauf er sich geschlagen gibt und mich zu ihr lässt. Er verfolgt jeden meiner Schritte jedoch genau. 

,,Hey, Evangeline. Aufstehen.", flüstere ich leise und streiche ihr sanft die Haare aus dem Gesicht. Als sie ihre braunen Augen öffnet und in meine sieht, vergesse ich sofort wieso ich sie überhaupt aufwecken wollte. Erst als sie mich verwundert ansieht, fällt es mir wieder ein. 

,,Fällt dir irgendetwas auf?", frage ich sie grinsend und lasse meine Hand auf ihrer Schulter ruhen. Müde sieht sie mich an und fängt an zu schmunzeln. 

,,Du hast Dreck auf der Stirn.", sagt sie trocken und wischt mit einer schnellen Handbewegung den übrigen Sand von meiner Stirn. Ich muss mich zurückhalten, nicht einfach ihre Hand zu nehmen und sie zu mir zu ziehen. 

,,Dein Grinsen macht mir Angst. Sonst siehst du immer so genervt aus. Was ist los?", fragt sie neugierig, während ich mich frage, ob ich wirklich so bescheuert grinse wie sie sagt. Ich lege meine Hand an ihr Kinn und drücke es so, dass sie zum Himmel hinaufsehen kann. Sie keucht überrascht auf und blickt mir dann hoffnungsvoll in die Augen. 

,,Wir werden meinen Vater finden.", flüstert sie überrascht, worauf ich mich frage, ob sie eine Antwort will. Anscheinend nicht, da sie schon aufsteht und mich mit sich zieht. 

,,Worauf wartest du? Lass uns weiter segeln." Ihr Lachen lässt mein Herz schneller schlagen, doch sie lässt meine Hand los und läuft zu Eustachius, der sie schon erwartet hat. Sie lehnt sich gegen ihn und redet aufgeregt auf ihn ein. Währenddessen werfe ich unsere Sachen ins Boot und sehe auf den schier endlosen Ozean. Nur wenige Sekunden später springen Lucy und Evangeline ins Boot. Auch Gael setzt sich vorsichtig in das Boot hinein. Kaspian und Ich rudern zur Morgenröte zurück, während Reepicheep auf Eustachius fliegt. Die großen Flügelschwünge hinterlassen eine Staubwolke auf der Vulkaninsel, doch Eustachius fliegt ungeschickt weiter. 

Auf der Morgenröte angekommen herrscht schon reges Treiben und jeder deutet sowohl auf den blauen Stern als auch auf Eustachius, der schwebend über dem Schiff ist. Wir werden sofort mit Essen uns Trinken versorgt, nachdem wir abgelegt haben. 

,,Der Wind scheint uns verlassen zu haben.", meint Drinian grimmig und sieht auf die Segel, als wäre es ihre Schuld, dass sie keinen Wind fangen. Mit meinen Augen suche ich am Horizont nach einer Insel, doch es ist noch keine in Sicht. Wenig später spüre ich eine Hand an meiner Schulter und drehe mich überrascht um. Lucy und Evan stehen vor mir. 

,,Was sagst du? Meine Friseurkünste sind zwar ausbaufähig, aber es ist besser als mit einem Dolch.", meint meine Schwester und kratzt sich verlegen am Hinter Kopf. Mein Blick fällt auf Evangeline. Ihre dunkelblonden Haare sind jetzt geschnitten worden und fallen in leichten Wellen hinunter. Durch ein Haarband hält sie die Strähnen zurück, die ihr ins Gesicht fallen. 

,,Mir gefällt es. Meine langen Haare haben mir zwar sehr gut gefallen, aber sie waren auch ziemlich nervig.", antwortet Evangeline und legt einen Arm auf Lucys Schulter. 

,,An einigen Stellen ist noch potenzial übrig, aber das wächst ja.", lacht Lucy. 

,,Ich wollte sowieso schon mal etwas neues ausprobieren.", fügt Evan schmunzelnd hinzu. Lucy sieht skeptisch zu ihr, dreht sich dann schulterzuckend um und geht zu Reepicheep, der an der Reling vor sich hin summt. 

,,Es sieht schlecht aus mit dem Wind, nicht wahr?", fragt Evan ruhig und sieht zu Eustachius hinauf, der mit seinen Kräftigen Schwüngen versucht, unser Tempo zu halten. Ich sehe mir Evan noch einmal an. Sie steht komplett gerade. Die zu große Hose hält sie durch einen Gürtel oben, wodurch ihre Figur besser betont wird. Dazu trägt sie ein weites dunkelrotes Hemd. Sie hat es bis zu ihrem Ellenbogen auf gestreckt, damit sie besser arbeiten kann. 

,,Ja.", beantworte ich ihre Frage knapp und reiße mich von ihrem Anblick los. Innerlich warne ich mich davor, nicht wie der größte Idiot auszusehen. 

,,Es tut mir leid.", flüstere ich leise, sodass ich nicht sicher bin, dass sie mich gehört hat.

,,Wofür? Wegen dem Goldsee? Dafür musst du dich nicht entschuldigen.", erwidert sie schlicht. 

,,Du hättest sterben können. Wegen mir-", widerspreche ich ihr laut, doch sie unterbricht mich schnell, indem sie einen Finger auf meine Lippen legt. Überrumpelt höre ich auf zu reden.  

,,Wegen dir bin ich noch am Leben. Jeder muss etwa überwinden, dass ihm Angst macht. Der Nebel hat sowohl Kaspian als auch dich um den Finger gewickelt. Du musst dich nicht für deine angebliche Schwäche entschuldigen, denn das wäre schwach. Du stehst zu deinen Fehlern. Dadurch warst du aber auch so erpicht darauf, dein eigener Herrscher zu sein und nicht unter Kaspian oder Peter zu stehen."

Währendem sie redete, sah sie mir kein einziges Mal in die Augen, doch jetzt sieht sie mich mit starren Augen an, die eine unheimliche Härte ausstrahlen. Ich versuche ihnen standzuhalten, doch selbst die Tatsache, dass sie etwa zehn Zentimeter kleiner ist als ich, lässt sie nicht gerade harmlos aussehen. Dann wird ihr Blick weicher und sie nimmt meine Hand in ihre. 

,,Ich beschuldige dich nicht. Nein, es ist nicht feige Angst zu haben. Es ist feige sich ihr nicht zu stellen oder zu lernen wie man mit ihr umgeht.", sagt sie energisch. Doch während sie redet verliert sie ihre Entschlossenheit und sieht auf das Meer hinaus, als würde sie diese Worte an sich selbst richten. Neugierig beobachte ich sie, wie sie nervös auf ihrer Lippe kaut. 

,,Wenn du solche Worte sagst, erzählst du mir dann auch von deiner Angst?" Ich spreche leise, doch ich spüre die Wucht mit der die Worte bei ihr einschlagen. Sie sieht mir direkt in die Augen. Nicht hart, nicht weich. Fast ängstlich. 

Für einen Moment hatte ich Angst wieder einmal zu weit gegangen zu sein, wieder einmal ihr Vertrauen in mich zu zerstören. Doch dann kommt ein trauriges Lächeln auf ihr Gesicht. 

,,Würde ich mich meiner Angst stellen, würde ich meine Familie verlieren."   

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt