Kapitel 33

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Mein Vater hatte sichtlich Schwierigkeiten alles zu verstehen, was ich ihm sagte. Während ich ihm alles erzählt habe, sah er mich die ganze Zeit mit neugierigen Augen an. Jetzt, da ich fertig erzählt habe, schluckt er kaum merklich. 

,,Alle Geschichten sind wahr. Kaum vorstellbar, wenn man daran denkt, dass ich dir immer solche Geschichten vorgelesen habe.", lacht er jedoch und legt eine Hand an meine Wange, worauf ich mich an sie schmiege. Überwältigt von meinen Gefühlen bringe ich kein Wort heraus. Eine angenehme Stille herrscht zwischen uns, obwohl ich ihm so viele Dinge sagen will. 

,,Wie geht es deiner Mutter?", fragt er mich plötzlich. ,,Haben sich ihre grauenvollen Kochkünste verbessert?" Lachend sieht er mich an, doch mir wäre lieber zum Weinen zumute. Seine Augen sind besorgt um meine Mutter -seine Ehefrau. Es war vielleicht falsch, aber ich konnte es nicht über mich bringen, ihm vom Wandel meiner Mutter zu erzählen. 

,,Ihr geht es gut. Sie backt noch immer die scheußlichen Kekse zu Weihnachten.", lüge ich ihn an, doch breche ab. Ich wollte ihn nicht anlügen, doch als ein erleichtertes Lächeln auf seinen Lippen liegt, kann ich ihm die Wahrheit nicht mehr erzählen. 

,,Ich bin froh, dass sie die Jahre ohne mich überstanden hat. Sie ist eine starke Frau.", überlegt er laut, doch ich kann meine Tränen nicht mehr daran hindern, über meine Wangen zu laufen. Sofort zieht mich mein Vater in seine Arme und streicht mir beruhigend über die Haare, wodurch ich noch mehr weinen muss. 

,,Es tut mir so leid.", flüstert er kaum merklich, worauf ich mich so weit von ihm löse, sodass ich ihn fragend ansehen kann. Er sieht mir nur verletzt in die Augen. ,,Ich habe deine ganze Jugend verpasst. Du bist so eine hübsche Frau geworden. Es tut mir leid, dass ich nicht da war, wenn du mich gebraucht hättest. Ich kann die Jahre nicht ersetzten, aber ich will, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin, auch wenn du mich nicht sehen kannst, bin ich immer bei dir." Er deutet mit dem Finger auf mein Herz. Ich bin verwirrt.

,,Vater, was meinst du damit?", frage ich ihn ängstlich. 

,,Die Wahrheit. Ich werde nicht mehr von deiner Seite weichen, wenn du mich hier in deinem Herzen trägst.", antwortet er nur, doch ich kann ihn immer noch nicht ganz verstehen. Er streicht mit seinem Daumen über meine Wangen, um meine Tränen wegzuwischen. Dabei fällt sein Blick auf das Medaillon, das ich seit seinem ,Tod' jeden Tag getragen habe. Wortlos öffnet er es und lächelt leicht, als er das Foto unserer Familie erblickt. 

,,Wir können wieder glücklich werden.", spreche ich meine Gedanken laut aus. Der Gedanke wieder eine glückliche Familie seine zu können, breitet Hoffnung in mir aus. 

,,Ich wünschte, das könnten wir.", antwortet er lächelnd und begutachtet noch einmal das Foto bevor er es wieder verschließt. 

,,Themawechsel: Wie ich sehe hat in deinem Herzen noch jemand anderes seinen Platz gefunden.", lächelt er ehrlicherweise. Verlegen nicke ich, doch mein Vater lacht nur. ,,Ich bin froh, dass du jemanden gefunden hast, den du liebst und der dich liebt. Das ist das kostbarste auf der Welt." Sowohl verwirren als auch rühren mich seine Worte. 

,,Wie heißt er denn?", fragt mein Vater neugierig, während sein Blick jedoch starr an Edmund hängt, der gerade einer älteren Frau eine Decke um die Schultern legt und ihr etwas zu trinken anbietet. Als mein Vater dies sieht, kann ich in seinem Blick eine Spur eines Lächelns entdecken. 

,,Sein Name ist Edmund Pevensie. Er ist der Cousin von Eustachius.", antworte ich ihm und bin froh, dass mein Vater offensichtlich nicht von Edmund abgeneigt ist. Überrascht wendet er seinen Kopf zu mir, doch mein Blick haftet erneut auf Edmund.Unbewusst stoße ich einen erleichterten Seufzer aus.

,,Er ist ein Kämpfer.", stellt mein Vater fest. ,,Ein Kämpfer mit einem gutem Herzen." Überrascht sehe ich meinen Vater an, der einen Arm um meine Schulter legt. 

,,Ich kenne ihn nicht gut genug, um zu sagen, ob er der richtige für dich sein könnte, aber wenn er dich so glücklich machen kann, dann hat er auf alle Fälle sehr gute Karten. Denn er macht dich glücklich und du ihn. So etwas findet man nicht an jeder Straßenecke. Pass gut darauf auf ihn nicht zu verlieren." 


Für wenige Minuten habe ich es geschafft mich von meinem Vater zu trennen. Er geht nun mit Hilfe von Eustachius, da der Junge der einzige war, den er kennt, in ein Zimmer, um sich von der zerfetzten Uniform zu befreien und saubere Klamotten anzuziehen. Zuerst wollte mein Vater die Kleidung von Kaspian nicht annehmen, doch als Kaspian ihm zuredete, verbeugte sich mein Vater tief und verschwand mit Eustachius im Schiffsbauch. 

Unbeholfen versuche ich meine Atmung zu kontrollieren, während ich hinauf auf das Meer schaue, doch ich spüre wie Tränen der Freude meine Wangen hinunterlaufen. Plötzlich spüre ich zwei starke Arme, die sich um meinen Oberkörper schlingen und beginne zu lächeln. Sofort wird mir klar, dass es Edmund ist. Ich drehe mich nicht zu ihm um, da ich nicht will, dass er meine Tränen sieht. Edmund hingegen legt schweigend sein Kinn auf meinem Kopf ab und toleriert mein Schweigen. Als ich jedoch merke wie schnell sein Herz schlägt, drehe ich mich besorgt zu ihm um. 

,,Wieso schlägt dein Herz so schnell?", frage ich ihn flüsternd. 

,,Weil ich nicht mit ansehen will, wie du weinst. Und weil ich so von dir abgelenkt werde.", antwortet er und kratzt sich verlegen am Kopf. Aufgrund seiner Worte werde ich ein bisschen nervös, doch als er in Richtung Schiffsbauch blickt, drehe ich meinen Kopf neugierig zur Seite. ,,Vielleicht habe ich auch nur ein bisschen Angst vor deinem Vater.", flüstert Edmund kaum merklich und drückt nervös meine Hände. Sofort vergesse ich meine Tränen und breche in Lachen aus, worauf mich Edmund nur augenverdrehend ansieht. 

,,Komm schon! Dein Vater ist vielleicht in seinen Vierzigern, aber kann mich trotzdem leicht einschüchtern.", meint Edmund nun peinlich berührt. Lachend kneife ich ihm in die Wange, worauf er sich meine Hand schnappt. 

,,Mein Vater würde dich gerne kennenlernen. Solange ich aber nichts sage, würde er dir kein Haar krümmen.", lache ich ehrlich, worauf Edmund erleichtert Luft ausstößt und mir einen sanften Kuss auf die Stirn drückt, wodurch ich wieder ganz hibbelig werde. 

,,Na ihr Beiden! Das Schiff zu Aslans Land legt bald ab!", hören wir die aufgeregte Stimme von Lucy, worauf wir uns sofort auf den Weg zu ihr machen.

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt