Kapitel 36

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Mit schnellen Schritten erreiche ich die Kuppel, doch Edmund hat mich noch immer nicht entdeckt. Innerlich hatte ich Angst. Edmund dachte er wäre mir nicht wichtig genug. Aber er ist genau das, was mich an der Oberfläche hielt. Als ich näher komme, merke ich, dass er den Kopf hängen lässt. Unwissend, was ich tun sollte, nähere ich mich ihm. 

,,Ich habe dich gewählt.", flüstere ich, während leichter Wind aufkommt. Edmund dreht sich zu mir um und starrt mich an als wäre ich unreal. Seine Augen weiten ich, als er mich erkennt.
Es verstreicht einige Zeit bis er reagiert. Langsam hebt er seine Hand und streicht mit ihr über meine Wange. Als ich in seine Augen sehe, kann ich Tränen erkennen. Geschockt nehme ich seine Hand in meine und drücke sie fest. Mit einer schnellen Bewegung ziehe ich ihn in meine Arme und drücke ihn ganz fest. 

Schweigend verweilen wir so, bis ich plötzlich leise Schluchzer von Edmund höre. Auch in meinen Augen sammeln sich Tränen. Ich drücke ihn soweit von mir weg, sodass ich ihn in die Augen sehen kann. Beschämt, von der Tatsache das er weint, lässt er den Kopf hängen, doch ich lege meine kleinen Finger an seine Wange, sodass er mich ansieht. Ich hatte das Gefühl als würde mir das Herz aus der Brust springen.

,,Ich hatte geglaubt, ich hätte dich verloren.", flüstert Edmund leise. Ich starre verloren in seine Augen und schüttle belustigt den Kopf, wodurch mir meine Haare ins Gesicht fliegen. 

,,Du wirst mich nicht so leicht los.", sage ich und drücke ihn wieder an mich. Ich habe das Gefühl als würde ich alles von ihm einsaugen. 

,,Versprochen?", fragt er mit brüchiger Stimme. Wieder löse ich mich von ihm und sehe in seine Augen. Ich kann mich nicht zurückhalten und lege meine Lippen auf seine. Sofort erwidert er den Kuss und ich kann die salzigen Tränen schmecken. Ich spüre wie meine Knie wackeln und mein Herz rast. 

Ich löse mich wieder von ihm und drücke seine Hand: ,,Versprochen."  Und als Edmund nach meiner Antwort wieder lächelt, fühlt es sich an als würde nichts anderes wichtiger sein als die Tatsache, dass ich der Grund dieses Lächelns bin. 


Mittlerweile ist es dunkel geworden, doch Edmund und mich kümmert das nicht. Wir sitzen unter einer alten Linde mit einer Decke um uns gewickelt. Gemeinsam starren wir in den Sternenhimmel und reden. Manchmal schweigen wir auch nur, doch wir genießen einfach nur die Nähe des Anderen. 

Jetzt genießen wir die Stille zwischen uns, während mein Kopf auf Edmunds Schulter liegt. Noch immer fühle ich das Adrenalin von unserem Kuss, das durch meine Adern fließt, wenn ich nur daran denke. 

,,Wir sollten nach Hause gehen.", meint Edmund plötzlich und will aufstehen. 

,,Wieso?", frage ich gähnend, wodurch Edmund grinsen muss. 

,,Deswegen. Du bist müde. Macht deine Mutter sich keine Sorgen um dich, wenn wir hier draußen bleiben?", fragt er schelmisch, während er die Decke zusammenfaltet. Kurz zucke ich, bei dem Gedanken an meine Mutter, zusammen, doch er bemerkt es nicht. Unbewusst fasse ich an meinen Rücken, an dem noch wenige, feine Narben zu spüren sind. 

,,Stimmt. Sie ist wahrscheinlich krank vor Sorge.", flüstere ich, doch Edmund bemerkt den bitteren Ton in meiner Stimme nicht. 


,,Wir sehen uns morgen wieder?", frage ich mit hoffnungsvollem Ton, als Edmund und Ich an der Stelle angekommen sind, an der sich unsere Wege trennen. Edmund zieht mich näher an sich, sodass er seine Arme um meine Hüfte legen kann. 

,,Natürlich. Ich werde wahrscheinlich keinen Tag mehr ohne dich auskommen.", meint er peinlich berührt. Wieder starren wir uns einfach in die Augen. 

,,Bekomme ich einen Gute-Nacht-Kuss?", frage ich flüsternd, worauf er lächelt. Langsam beugt er sich zu mir und küsst mich. Diesmal dauert es etwas länger bis wir uns wieder lösen. 

,,Ich will ja nicht, dass mein Mädchen nicht schlafen kann."


Auf dem kurzen Weg nach Hause kann ich mein Grinsen nicht verbergen. Er hat mich ,sein Mädchen' genannt! Am liebsten wäre ich singend und hüpfend durch die Gegend gelaufen. Vor unserem Haus aber schlägt meine Stimmung um. Im Wohnzimmer brennt noch Licht, doch in allen anderen Räumen ist es Dunkel. 

Plötzlich bekomme ich Angst. Wie wird meine Mutter reagieren? Nervös knete ich meine Hände und sehe an mir herunter. Auf einmal finde ich das grelle gelbe Kleid an mir hässlich und wünschte mir einfach nur die bequemen Klamotten, die ich in Narnia getragen habe. Meine Haare hängen wieder in Locken herunter, doch mir fehlt das Gefühl des Windes, wenn er meine kinnlangen Haare angegriffen hat. 

Zögerlich gehe ich den schmalen Weg zum Haus und bleibe vor der Tür stehen. Ich frage mich was ich sagen sollte, doch mein Gehirn ist leer. Ich war den ganzen Nachmittag weg. Sie würde nie glauben, dass ich bis jetzt Eustachius Nachhilfe gegeben habe. Wahrscheinlich ist sie sogar zu den Scrubbs hinüber gegangen und hat nach mir gefragt. 

Leise öffne ich die Tür, doch das Knarzen verrät mich. Ich zucke zusammen, doch gehe weiter hinein. Mit zitternden Fingern schließe ich die Tür hinter mir und ziehe leise meine Schuhe aus. Ich sehe zu meiner Zimmertür hinüber und wünschte mich dorthin, doch ich würde viel mehr Ärger bekommen. Noch dazu fühle ich mich sowohl schuldig als auch mutig genug, mich ihr zu stellen. Mit gerader Haltung gehe ich ins Wohnzimmer, da dort noch Licht brannte und entdecke meine Mutter auf dem alten Sessel, die mir direkt in die Augen blickt.

,,Was habe ich getan, dass ich so ein undankbares Kind bekommen habe?", spuckt sie mir entgegen. 

,,Ich war bei-", versuche ich zu erklären, doch sie unterbricht mich, wodurch ich zurückzucke. Mit ihren Fingern fährt sie über den Tisch und steht schließlich von dem Sessel auf, in dem sie gesessen ist. Kurz werfe ich einen Blick ihre Augen, doch erkenne keine Emotionen darinnen. 

,,Ich habe dich aufgezogen, ernährt, gehe arbeiten. Und dein Dank! Aus dir wird nichts werden, Kindchen.", zischt sie und kommt mir näher. Ich fühle wie sich Wut in mir aufbaut und sehe in ihre Augen. 

,,Mir ist egal was aus mir wird, solange ich nicht so werde wie du. Wie eine gierige, kalte-." Ich will ihr weiter widersprechen, ihr weiter zeigen, dass sie mich nicht kontrollieren kann, doch meine Mutter schlägt mich hart. Ich spüre wie der Schmerz aufkommt und will mich wehren, doch sie stößt mich noch einmal, sodass ich nach hinten auf unseren gläsernen Couchtisch falle. 

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt