Kapitel 9

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,,Aufwachen.", flüstert eine Stimme sanft. Gähnend öffne ich die Augen und bemerke sogleich, dass ich anscheinend auf Kaspians Sessel eingeschlafen sein muss. Irgendjemand hat mir freundlicherweise eine dünne Tagesdecke drüber gelegt. Blinzelnd blicke ich zu Lucy hinauf, welche mich aufgeregt angrinst.

,,Was ist los? Warum grinst du so?", frage ich misstrauisch, doch Lucy ignoriert meine Fragen gekonnt und zieht mich mit Schwung auf die Beine. 

,,Du wirst nicht glauben was wir entdeckt haben.", flüstert sie geheimnisvoll, ,,heute Abend gehen wir auf Entdecker tour!" Noch immer verstehe ich nicht ganz, wo die braunhaarige hinaus will, doch folge ihr trotzdem grinsend aufs Deck. Meine Müdigkeit war wie weggeblasen. Gemeinsam betreten wir das Deck, auf dem sich schon viele Seeleute befanden. Lucy nimmt wieder meine Hand und zieht mich durch das Gedränge nach vorne. Auf einmal kann ich ihre Aufregung nachvollziehen: Eine Insel ist am Rande des Horizonts zu sehen.

,,Vielleicht finden wir dort ein paar Hinweise zu den verschwundenen Lords.", erzählt Kaspian hoffnungsvoll. Auch Edmund kommt hinzu, worauf meine Laune wieder sinkt, doch aus einem unerfindlichen Grund streiche ich mir die Haare zurück und hoffe, dass meine Flecht Frisur sich nicht aufgelöst hat. Nach einem Blick durch das Fernglas wendet er sich wieder zu uns. 

,,Wenn wir Glück haben, erreichen wir die Insel noch vor der Dämmerung. Jedoch kann ich keine narnianischen Flaggen auf ihr erkennen.", vermutet er und vermeidet es, mir in die Augen zu sehen. 

,,Ich hoffe den Lords geht es gut. Wir müssen sie finden. Vielleicht gibt es auf der Insel jemanden, der sie gesehen hat. Wenn sie zu den einsamen Inseln mussten, dann sind sie sicher hier vorbeigekommen.", überlege ich laut. Die anderen Stimmen mir mit einem leichten Nicken zu. Plötzlich werden wir von einem lauten Krachen unterbrochen. Erschrocken drehen wir uns um. Eustachius ist auf dem Deck hingefallen, da es gerade frisch gesäubert war. Die ganze Besatzung -außer mir- bricht in Lachen aus. Besorgt gehe ich zu ihm und halte ihm meine Hand hin. Dankbar nimmt er sie an und zieht sich wieder hoch, worauf mein Rücken sich wieder bemerkbar macht. Sogar meine Großmutter hatte weniger Rückenschmerzen als ich! 

,,Alles in Ordnung?", frage ich noch einmal, worauf der blonde Junge stumm nickt. Nachdem sich jeder wieder beruhigt hatte, gingen Lucy, Eustachius und Ich an die Seite, da Edmund und Kaspian mit Drinian ihre Vorgehensweise besprechen wollen.   

,,Evan? Hast du Lust eine Runde Schach zu spielen?", fragt Lucy neugierig, worauf ich in Lachen ausbreche.

,,Ist der Name wirklich so schlimm?", fragt Lucy verlegen grinsend, doch ich schüttle nur den Kopf.

,,Du kannst mich auch einfach Eve nennen.", antworte ich, doch Eustachius meldet sich zu Wort.

,,So nenne ich dich aber!", meint er, worauf ich mich zusammenreißen musste, um nicht loszulachen. 

,,Ich habs! Angie!", lacht Lucy und schlägt sich gegen die Stirn. Kurz zieht sich etwas in mir zusammen, da mich Vater immer so genannt hat, aber dann nicke ich wieder. 

,,Gut. Dann kann ich meinen Namen für dich behalten.", ruft Eustachius stolz.

,,Genau. Nur du darfst mich Eve nennen.", füge ich hinzu. Fröhlich sitzen wir beisammen, als Lucy ein Schachspiel geholt hat. Während Lucy und Ich Eustachius erklären, wie es funktioniert, kommt die kleine Insel immer näher. 


Nach etlichen Partien ist der blonde Junge schließlich gegangen, da es ihm zu langweilig wurde. Stattdessen hat sich Reepicheep zu uns gesellt. Obwohl er ein guter Ratgeber ist, versucht er uns Tipps zu geben, welche wirklich miserabel waren, wodurch es schwierig geworden ist, sich zu konzentrieren. 

,,Du hast gewonnen.", murmelt Lucy leise, worauf ich mit meinem Läufer ihren König schlug. 

,,Du hast dafür die anderen Male gewonnen.", lache ich und entlocke ihr ein leichtes Grinsen.

,,Edmund ist ein sehr begabter Schachspieler. Da Peter aber fast immer unterwegs war oder sich mit der Ausrede, es nicht zu können, gedrückt hat, und da Susan fast immer auf einem Ball eingeladen war, habe ich mit ihm gespielt. Ich war immer schlechter als es, aber es war ein lustiger Zeitvertreib.", grinst sie und starrt aufs Meer hinaus, als erinnerte sie sich gerade daran.

,,Erzähl etwas von deinen beiden anderen Geschwistern, bitte. Ich habe ein Buch über euren Kampf gegen die Hexe gelesen. Wie genau ist Peter zum Wolfsfäller geworden?", frage ich neugierig. Obwohl ich die Stelle gelesen habe, will ich es trotzdem aus ihrer Sicht hören, da sie ja selbst dabei war. 

,,Susan und Ich haben uns am Fluss frisch gemacht. Auf alle Fälle griffen uns dann Jadis' Wölfe an, worauf wir schnellstmöglichst auf den nächsten Baum geklettert sind. Sie sind immer weiter hinauf gesprungen, doch konnten uns noch nicht erreichen. Plötzlich kam Peter mit einigen Soldaten und Aslan zu uns. Die Soldaten verfolgten die anderen Wölfe, während mein ältester Bruder uns am Baum verteidigte. Der Wolf sprang auf ihn, sodass es aussah, als hätte er Peter getötet. Glücklicherweise hat mein Bruder noch rechtzeitig sein Schwert hoch gerissen, wodurch er selbst den Wolf getötet hat. Daraufhin ernannte Aslan ihn zum Wolfsfäller.", erzählt sie. 

,,Das war bestimmt ein Schock, nicht zu wissen, was mit Peter geschehen ist, als der Wolf auf ihm drauf lag.", vermute ich und denke dabei an meinen Vater, als ich noch nicht wusste, was geschehen war und hoffte, dass es ihm gut ging. 

,,Ja. Das war es. Es war eine Schrecksekunde. Hast du Geschwister?", fragt sie neugierig. Kurz schüttle ich den Kopf und will antworten, doch wir werden von Kaspian unterbrochen. 

,,Macht euch bereit. Wir werden bald die Boote runterlassen. Mit der Morgenröte werden wir nicht weiter kommen. In Kürze sind wir dann auf der Insel.", verspricht er und drückt kurz Lucys Schulter zum Abschied. Lucy steht abrupt auf. 

,,Was ist los?", frage ich neugierig und erhebe mich ebenfalls. 

,,Du wirst eine Waffe brauchen, wenn wir uns auf unbekannte Inseln begeben.", scherzt sie und zieht mich mit.


,,Ich denke nicht, dass ich mit einem Schwert kämpfen kann. Wenn ich geübt hätte vielleicht, aber nicht einfach so. Schlussendlich würde ich mir mehr schaden als meinen Gegnern.", lache ich, als mir Lucy ein langes Schwert in die Hand drückt. 

,,Du hast vermutlich recht. Wenn wir Zeit haben, werde ich dir das Kämpfen beibringen.",verspricht sie und steckt das Schwert wieder zurück. Dann hält sie mir eine feine Armbrust hin.

,,Perfekt. Du musst nicht nah an deine Gegner herankommen, um sie zu verletzen.", meint das Mädchen und erklärt mir kurz wie sie funktioniert. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt jemandem Schaden hinzufügen könnte. 

Lost Souls/Edmund PevensieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt